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Wirtschaft

Dem geschundenen Kontinent eine Chance geben

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Dass die türkische Regierung seit mehreren Jahren vermehrt hilft, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ankara und afrikanischen Ländern zu stärken, zeigt, dass man an das Potenzial glaubt, das der Kontinent aufweist. (Foto: rtr)

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Dem geschundenen Kontinent eine Chance geben
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Die Öffnungsinitiative der Türkei mit Blick auf Afrika, die im Jahr 2005 ihren Anfang genommen hatte, erhielt Anfang des Jahres neuen Schwung durch den Drei-Länder-Besuch des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf dem Kontinent zwischen Mittelmeer und Kap. Auf der Reise von Gabun über Niger bis in den Senegal, zu der Erdoğan mit einer großen Gruppe türkischer Geschäftsleute aufgebrochen war, betonte der Ministerpräsident die strategische Wichtigkeit Afrikas für die Türkei. Die neue Nähe ist das Resultat der laufenden Diversifizierung der türkischen Außenpolitik. Aber es ist auch ein Beleg für steigende Bedeutung Afrikas im 21. Jahrhundert.

Die Türkei ist Afrika nicht fremd. Sie hat eine lange Geschichte der Kooperation mit Ländern von Nordafrika bis zur Sahelzone. In einer ruhigen, aber stetigen Art und Weise stellte die Türkei immer wieder starke Beziehungen zu Afrika her. Besuche auf hoher Ebene, diplomatische Beziehungen, Investitionen und Handel, Kultur und Bildung, Stipendien und die Arbeit der türkischen Agentur für Zusammenarbeit und Entwicklung (TIKA) sowie der NRO haben die alten Parameter des Verhältnisses zwischen der Türkei und dem afrikanischen Kontinent verändert.

Einsatz auch für die ärmsten Länder

Bis vor kurzem hatte die Türkei 12 Auslandsvertretungen in Afrika. Mittlerweile sind es 31 und in Kürze werden drei weitere eröffnet. Ebenso eröffnen nun zahlreiche afrikanische Länder ihrerseits Botschaften in Ankara. Im Jahre 2008 erklärte die Afrikanische Union die Türkei zu einem strategischen Partner – im gleichen Jahr, in dem die Türkei den ersten Türkei-Afrika-Kooperationsgipfel ausrichtete, an dem 53 Länder teilnahmen. Das zweite strategische Forum wird in diesem Jahr veranstaltet werden.

Die Türkei war zugleich auch Gastgeber der vierten Konferenz der Vereinten Nationen über die am wenigsten entwickelten Länder (LDC), denen beträchtliche Ressourcen mit Blick auf die nächsten 10 Jahre gewidmet wurden. Insgesamt 33 afrikanische Länder zählen zu den LDC.

Die TIKA verfügt bislang über acht Niederlassungen in Afrika und wird demnächst eine neue in Niger eröffnen. Überall in Afrika implementiert TIKA Projekte in Bereichen wie Gesundheit, Landwirtschaft, Tierzucht, Bildung und Ausbildung, Aufbau von Kapazitäten, Brunnenbohrungen, sauberem Wasser, etc. Die Türkei hat bis dato bereits Projekte in über 30 Ländern in Afrika abgeschlossen.

Die Türkei, welche die arabische Revolution in Nordafrika unterstützt hat, unterhält außerdem starke politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Tunesien, Libyen, Ägypten sowie anderen nordafrikanischen Ländern. Aber die Türkei ist auch an der Annäherung an Länder außerhalb der nördlichen Region Afrikas interessiert.

In Somalia leitete die Türkei eine internationale Hilfskampagne, um dem Land in einem seiner schlimmsten Momente in der modernen Geschichte zu helfen. Indem sie ihre Ressourcen mobilisierte, um gegen Hunger und Krankheit zu kämpfen und die internationale Gemeinschaft um Hilfe bat, lenkte die Türkei die Aufmerksamkeit der Welt auf die sich einmal mehr verschärfende Krise am Horn von Afrika. Nach 1 1/2 Jahren Arbeit steht Somalia immer noch vor großen Herausforderungen, unter anderem mit Blick auf die Auswirkungen des Bürgerkriegs, das Fehlen einer starken, zentralen Regierung und schlechter Infrastruktur. Aber die Gesamtsituation im Land ist zweifellos besser als noch vor zwei Jahren. Wie ein Journalist es formulierte, unterstützt die Türkei nicht einfach nur Somalia – sie baut dort „ein neues Land“ mit auf.

Unternehmerverbände unterstützen Ausweitung des Handels

Türkische Unternehmen weiten auch ihre Investitionen und ihren Handel in Afrika aus. Im Jahr 2002 belief sich der Handel der Türkei mit Afrika auf etwa 2 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2012 stieg er auf etwa 17 Milliarden Dollar an. Wirtschaftsverbände wie die türkische Union der Kammern und Börsen (TOBB), der türkische Verband der Kaufleute und Industriellen (TUSKON), der Verband unabhängiger Industrieller und Geschäftsleute (MUSIAD) und der türkische Verband der Exporteure (TIM) unterhalten starke wirtschaftliche Beziehungen mit verschiedensten, gut etablierten afrikanischen Ländern. Sie organisieren jedes Jahr Dutzende von Geschäftstreffen in der Türkei und Afrika, die neue Möglichkeiten für gemeinsame Investitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit bieten.

Das erste Türkei-Afrika-Media Forum im Mai 2012 in Ankara brachte mehr als 300 afrikanische Journalisten aus 54 afrikanischen Ländern zusammen. Die Nachrichtenagentur Anadolu, die offizielle Nachrichtenagentur der Türkei, berichtet über wichtige Ereignisse direkt aus allen Hauptstädten Afrikas. Turkish Airlines (THY) fliegt 30 Städte in mehr als 20 afrikanischen Ländern an.

Armut und Krieg sind keine Naturgesetze

Es ist nicht möglich, über Afrika zu sprechen, ohne über politische Gerechtigkeit, oder vielmehr den Mangel daran zu reden. Afrika wurde kolonisiert, ausgebeutet, versklavt, verletzt. Neue Erscheinungsformen des Kolonialismus, brutaler Kapitalismus, von Außenstehenden provozierte Bürgerkriege, tiefe Korruption, Unterentwicklung, Armut, Epidemien und eine Vielzahl anderer Probleme verwüsteten Afrika und suchen den Kontinent immer noch heim. Auf enormen und reichlichen natürlichen Ressourcen ruhend und mit einer jungen und dynamischen Bevölkerung wirtschaftet Afrika weit unter seinem eigentlichen Potenzial. Aber nichts davon ist ein Grund, Afrika als strategischen und wirtschaftlichen Partner zu streichen.

Viele Teile Afrikas waren einst Zentren des Handels, der Produktion, der Kultur und Kunst. Es kann wieder als Kontinent des Friedens und des Wohlstands auferstehen. Einige afrikanische Länder haben sich bereits um umfassende politische Stabilität, Vielfalt und eine nachhaltige Entwicklung bemüht. Zweifellos werden die Afrikaner selbst noch mehr tun müssen, um voranzukommen, aber die reichen Länder der Welt, die Vereinten Nationen, der Internationale Währungsfonds (IWF) und andere internationalen Organisationen müssen Afrika helfen, auf seinen eigenen Füßen zu stehen.

Stattdessen herrschen nach wie vor politische und wirtschaftliche Ausbeutung in neuen Formen und auf verschiedenen Ebenen vor.

Was Afrika braucht, ist nicht Mitleid, sondern Fairness und Chancengleichheit. Die Entwicklung von Partnerschaften, basierend auf Respekt, Gleichberechtigung und gegenseitigem Interesse, wird hilfreich sein auf dem langen Weg zur Überwindung des Teufelskreises der Ausbeutung, Armut und Unterentwicklung in Afrika.

Autoreninfo: Ibrahim Kalın ist einer der wichtigsten Berater vom türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdoğan und schreibt regelmäßig für „Today’s Zaman”.