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Politik

Demirtaş: Türkei verhandelt mit 40 Staaten aber nicht mit dem eigenen Volk

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35 Tote – das ist die Bilanz der Proteste seit Dienstag in der Türkei. Verschiedene Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft rufen nun zur Ruhe auf, um eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern. Für das Land steht viel auf dem Spiel. (Foto: dha)

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Demirtaş wehrt sich dagegen, dass seine Partei für die Eskalation der Gewalt bei den jüngsten Demonstrationen verantwortlich gemacht wird.
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Die zunehmende Gewalt auf den Straßen der Türkei droht die Gesellschaft auf lange Zeit zu polarisieren und den Friedensprozess zum Scheitern bringen. Die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen für die Türkei wären katastrophal. Nun äußern sich mehrere wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft und rufen zur Ruhe und Besonnenheit auf.

Der Vorsitzende der prokurdischen Halklarin Demokratik Partisi (Demokratische Partei der Völker; HDP), Selahattin Demirtaş, hat sich zu den gewaltsamen Ausschreitungen mit mindestens 35 Toten in den vergangenen Tagen geäußert. Demirtaş wehrt sich dagegen, dass seine Partei für die Eskalation der Gewalt bei den jüngsten Demonstrationen verantwortlich gemacht wird. Das liege unter anderem an den Erwartungen an den Friedensprozess und der falschen Außenpolitik der regierenden Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP).

So soll die türkische Regierung in Syrien die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe als Maßstab für Unterstützung angewandt haben. Der pro-kurdische Politiker moniert, dass der frühere Außenminister und jetzige Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu in seinem vorherigen Amt als Außenminister Syrien als „unsere Angelegenheit gesehen habe“. Bei Kobani aber sei es nicht mehr „unsere Angelegenheit“.

Demirtaş: „Dieser Staat gehört auch den Kurden“

Die Vorwürfe wiegen schwer. Demirtaş behauptet, dass über die Türkei mehr als 2.000 LKW-Ladungen Waffen nach Syrien gelangt sind. Ein Teil der Ladung sei dabei auch an die Al Nusra oder Gruppen in die Hände gefallen, die der Al Kaida nahestehen. Die Waffen, die die Terrormiliz IS in den Händen hält, gehörten auch zu diesen Waffen. In nur 4 Stunden hätte die IS etwa die irakische Metropole Mosul eingenommen.

Dennoch habe seine Partei mehrfach mit der Regierung gesprochen. Sie hätten den Zorn unter den Menschen erklärt und die Hoffnung nicht aufgegeben. Man habe an den Ministerpräsidenten die Frage gestellt, ob man den Kurden gegenüber so respektlos sei, weil sie keinen eigenen Staat hätten. Die Antwort war: „Nein, dieser Staat gehört auch den Kurden“.

Demirtaş kritisiert, dass in der Angelegenheit mit 40 Staaten verhandelt werde aber nicht mit dem eigenen Volk. Die IS sei nicht nur Feind der Kurden, sondern auch der Sunniten. Seine Partei habe zum Protest aufgerufen, als die IS kurz vor der Einnahme des Grenzübergangs Mürşitpınar bei Şanlıurfa stand. Das sei eine Katastrophe und der Grund, warum sie ihre Anhängerschaft zum Protest aufgerufen habe. Dabei habe es sich jedoch um einen Aufruf zum friedlichen Protest gehandelt. Bis zum Morgen hätte sein Volk ihre Stimme erhoben. Erst danach sollen die Stellungen der Terrormiliz angegriffen und der Grenzübergang doch nicht von diesen eigenommen worden sein.

Demirtaş: „Täter zu finden ist Aufgabe der Regierung“

Auch Demirtaş betont, dass sich bei manchen Protesten Bewaffnete unter die Demonstranten gemischt hätten. Es wurde etwa gebrandschatzt und Flaggen verbrannt. Die Täter zu finden sei aber Aufgabe der Regierung. Es sei sehr einfach, diese Bewaffneten ausfindig zu machen. Die HDP zu beschuldigen sei sehr einfach, aber löse das Problem nicht.

Aus allen Seiten in der Türkei wird vor einer Eskalation gewarnt. „Diejenigen, die einen Bruderkrieg anzetteln und unsere Heimat von vorne bis hinten in eine Hölle verwandeln wollen werden keine Gelegenheit dazu bekommen,“ warnt der Vorsitzende der nationalistischen Oppositionspartei Milliyetçi Hareket Partisi (Partei der Nationalen Bewegung; MHP), Devlet Bahçeli.

Auch der Vorsitzende der linksnationalistischen Oppositionspartei Cumhuriyet Halk Partisi (Republikanische Volkspartei; CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, versuchte zur Deeskalation beizutragen: „Ich rufe alle Bürger zur Ruhe auf. Jeder sollte jetzt mit gesundem Menschenverstand handeln.

„Nicht Gewalt, Frieden – nicht Lynchen, Brüderlichkeit!“

Die drei großen alevitischen Organisationen Alevi Dernekleri Federasyonu, Alevi Vakıfları Federasyonu, und die Alevi Bektaşi Federasyonu rufen unter dem Motto „Nicht Gewalt, Frieden – nicht Lynchen, Brüderlichkeit!“ („Şiddet değil barış, linç değil kardeşlik!“) zu Besonnenheit auf. Sie warnen warnen vor der Eskalation der Gewalt.

Die seit Dienstag anhaltenden Proteste scheinen nicht abnehmen zu wollen. Stattdessen nehmen diese zu. Sorge bereitet die Tatsache, dass es Ausschreitungen nicht nur mit Sicherheitskräften gibt, sondern unter rivalisierenden Gruppen. Dabei werden neben Messern und Schlagstöcken auch Schusswaffen benutzt.