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Politik

Demirtaş: „Unsere Völker werden sich nicht spalten lassen“

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Kurz vor den Wahlen am Sonntag stand HDP-Chef der Zeitung Zaman für ein Interview Rede und Antwort. Seine Partei sieht er als Garant für die Einheit des Landes.

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Der Wahlkampf in der Türkei neigt sich dem Ende zu, am Sonntag wird gewählt. Und nach wie vor ist die HDP neben der AKP die am meisten polarisierende Partei in der Türkei. Wie schon bei den Parlamentswahlen vom 7. Juni kommt ihr auch am Sonntag eine entscheidende Rolle zu: Ob es die Regierungspartei schafft, erneut die absolute Mehrheit zu erreichen, hängt davon ab, ob HDP die 10%-Hürde überwinden und ins Parlament einziehen kann.

Bisher sehen die Prognosen für die pro-kurdische Partei gut aus, wahrscheinlich wird sie zwar im Vergleich zum 7. Juni Stimmen einbüßen, doch alle wichtigen Meinungsforschungsinstitute sehen sie mehr oder weniger komfortabel über der Hürde. Im Wahlkampfendspurt hat sich Selahattin Demirtaş, Co-Vorsitzender der Partei und ihr medienwirksames Gesicht, sich die Zeit für ein Exklusiv-Interview mit der türkischen Zeitung Zaman genommen und sowohl die Standpunkte der Partei herausgestellt als auch die Forderung nach einer friedlichen Lösung des Konfliktes mit der PKK gefordert.

„Ohne uns gäbe es Bürgerkrieg“

Demirtaş wiederholte seine Aufforderung an die PKK, ihre Waffen niederzulegen und berief sich auf die Rückendeckung, die er dafür habe: „Ich sage das in Kenntnis der Empfindungen, Erwartungen und der Selbstsicherheit der Kurden. Das Volk sagt ‚Wenn die Waffen schweigen, dann werden wir wieder erfolgreich sein‘. […] Waffen sind nicht notwendig. Wie können das Kurdenproblem und das Demokratieproblem durch Verhandlungen lösen. Daran glaube ich.“ Außerdem sei er überzeugt, dass eine neu gegründete Regierung nach den Wahlen die Lösung der Kurdenfrage wieder auf die Agenda setzen müsse.

Die Verantwortung für die aufgeheizte gesellschaftliche Situation sieht er in der Rhetorik der Regierung und betont, dass die HDP versucht, die Einheit der Bevölkerung durch ihre Sprache zu erhalten: „Der Staatspräsident und der Premierminister benutzen auf bewusste Weise eine spaltende Sprache. Und die Gesellschaft ist im Moment tief gespalten. Wir wiederum verwenden in unserem Wahlkampf Slogans wie ‚Unsere Völker werden sich nicht trennen lassen, unsere Nachkommen werden sich nicht gegenseitig ermorden‘.“

Wir sind das Gegengift“

Man sei ganz im Gegenteil zu den Verleumdungen, die die Partei ausgesetzt ist, nicht separatistisch, sondern wolle anders als die Regierungspartei die Einheit des Landes erhalten: „Deshalb versuchen wir, eine vereinende Sprache zu benutzen. Wir versuchen eine Politik zu betreiben, die die Trennung der Konfessionen, die Trennung der Identitäten aufhebt und alle Menschen gleichermaßen anspricht. Man hat uns beschuldigt ‚Separatisten‘ zu sein, jetzt auf einmal ist es die HDP, die darum kämpft, zu vereinen. Wir sind das Gegengift zum Gift. Dieses Gift wurde der türkischen Gesellschaft injiziert und wenn es uns als Gegengift nicht gäbe, würde das bis zum Bürgerkrieg führen.“

Weiter versuchte er richtigzustellen, dass seine Aussagen in regierungsnahen Medien verfälscht werden. So wurde behauptet, Demirtaş habe die Entwaffnung des Staates gefordert: „Ich habe nicht gesagt, dass beide Seiten entwaffnet werden sollen, sondern dass beide Seiten einem Waffenstillstand zustimmen sollen. Selbst wenn es zu einer Entwaffnung (der PKK) kommt, kein Staat lässt sich entwaffnen. Die PKK muss an einen Punkt gelangen, an dem sie die Waffen gegen die Türkei niederlegt und dazu muss es Verhandlungen geben, die alle einschließen. ‚Der Staat muss die Waffen niederlegen‘ habe ich niemals gesagt. Der Präsident hat das komplett verfälscht. ‚Der Staat muss sich an die Waffenruhe halten‘, das habe ich gesagt. Daraufhin wird man mir wieder sagen ‚Hält sich der Staat an die Waffenruhe?‘ Ja, das hat er, das hat er sogar jahrelang!“

Wir stehen für Transparenz

Schlüssel zu erfolgreichen Verhandlungen in der Zukunft seien Transparenz und Verlässlichkeit, so der ehemalige Anwalt. Während des Oslo-Prozesses (den ersten geheimen Verhandlungen zwischen der PKK-Spitze und dem türkischen Staat ab 2009) hätten die heutigen HDP-Politiker keine Rolle gespielt, seien jedoch während des gesamten İmralı-Prozesses (dem Friedensprozess seit Ende 2012) beteiligt gewesen. „Wir wollen, dass was auch immer auf İmralı verhandelt wird, veröffentlicht wird. […] Wir haben dort über nichts gesprochen, was geheimgehalten werden muss, es gibt auch kein geheimes Abkommen. Wir stehen für Transparenz“ , beteuert der 42-jährige.

Die HDP war im Friedensprozess zwischen türkischem Staat und PKK einer der Hauptakteure. Regelmäßig reisten Delegationen der HDP und ihrer Vorgängerpartei BDP zu Gesprächen auf die Gefängnisinsel İmralı, wo Abdullah Öcalan seit seiner Ergreifung durch den türkischen Geheimdienst im Jahr 1999 sitzt. Die AKP hält der HDP ihre Nähe zur PKK vor, wobei es auch die AKP war, die die PKK aufgefordert hat, die Waffen niederzulegen und Politik im Parlament zu machen.

Der Friedensprozess wurde im Juli beidseitig aufgekündigt, sollte er jedoch wieder aufgenommen werden, wird die HDP dabei erneut eine Rolle spielen müssen. Wie groß diese sein wird, hängt maßgeblich vom Ergebnis der Wahl am Sonntag ab.