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Politik

Demos in der Türkei: Präsident Gül ruft zu Mäßigung auf

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Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat alle Parteien zur Mäßigung aufgerufen und gleichzeitig die AKP aufgerufen, mehr den Dialog mit Regierungskritikern zu suchen. Die Polizei hat derweil den Rückzug vom Taksim-Platz begonnen. (Foto: cihan)

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Besonders groß ist er nicht, der Gezi Park am Taksim-Platz. 600 Bäume auf einer Fläche so groß wie ein Fußballplatz. Doch er ist eines der wenigen Grünanlagen im Herzen der Millionen-Metropole Istanbul und soll in diesen Tagen Platz machen für den geplanten Wiederaufbau einer alten Militärkaserne aus dem 18. Jahrhundert, der unter anderem einen gigantischen Einkaufszentrum und eine neugestaltete Grünanlage beinhalten soll.

Dies löste jedoch bei vielen Istanbuler Bürgern Wut und Unmut aus, die seit Anfang der Woche mit der Belagerung des Parks durch Protestcamps versuchten, das Bauprojekt zu stoppen.

Als die Polizei vor zwei Tagen mit der gewaltsamen Räumung der Parkanlage begann, eskalierte die Situation und löste eine breite Protestwelle aus. Mehrere tausend wütende Bürger demonstrierten am Freitag in der türkischen Metropole rund um den Taksim-Platz bis tief in die Nacht. In der Nacht kam es dann zu Straßenschlachten. Die Demonstranten warfen mit Steinen, während die Polizei Wasserwerfer und Tränengas einsetzte. Berichtet werden von rund 100 Verletzten und 63 Festnahmen.

Die türkische Polizei hat mittlerweile einen Rückzug vom zentralen Taksim-Platz begonnen. Augenzeugen berichteten, dass Protestierer auf den Platz strömten. Die Demonstranten jubelten.

Entwicklung war in den letzten Wochen abzusehen

Bei den Protesten geht es inzwischen um mehr als nur einen Park, die Ausschreitungen weiten sich zu Protesten gegen die als autoritär wahrgenommene Politik von Erdoğans Partei AKP aus. In Oppositionskreisen hatte sich zuletzt viel Wut über die Politik der AKP angestaut, die aus Sicht ihrer Gegner immer weniger Rücksicht auf die Interessen Andersdenkender nimmt. In der Umgebung des Platzes skandierten viele Demonstranten an die Adresse Erdogans „Tayyip, Rücktritt“.

Auch in anderen Ländern wie den USA und Deutschland solidarisierten sich türkische Bürger mit der „Occupy-Gezi“. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei wurde von vielen Seiten kritisiert. So begab sich Basketball-Star Mehmet Okur in den USA unter die Demostranten und Star-Comedian Cem Yilmaz twitterte: „Wir sind für Bäume und gegen Knüppel!“ Zugleich tadelten sowohl Amnesty International als auch die EU-Kommission in schriftlichen Erklärungen das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei.

Über Twitter meldeten sich am Abend auch viele Unternehmer zu Wort. Die Vorstandsvorsitzenden und Inhaber von Geschäften wie Boyner, Sarar, Damat oder Ipekyolu drückten ihr Unbehagen aus und kündigten an, dass sie keine Filiale in diesem Einkaufszentrum eröffnen werden.

Innenminister Güler will „Mittelweg“ finden

Innenminister Muammer Güler verteidigte die Auflösung der Proteste. „Wenn die Demonstranten trotz mehrmaligem Aufforderns den Park nicht freiwillig räumen, dann muss die Polizei diesen Protest auflösen“, antwortete er auf die Frage von Journalisten vor dem Parlament in Ankara. Gleichzeitig zeigte er sich auch einsichtig und betonte einen „Mittelweg“ finden zu wollen.

Präsident Abdullah Gül meldete sich von seiner Auslandsreise in Turkmenistan aus zu Wort und appellierte für einen reiferen Umgang mit der Situation. „In einer demokratischen Gesellschaft muss es möglich sein, seinen Protest im Rahmen der Gesetze kundzutun. Gleichzeitig sollten die Regierenden unterschiedliche Ideen und Meinungen mehr Gehör schenken.“

In einer Rede sah Premierminister Erdoğan heute ein, dass die Sicherheitskräfte mit übertriebener Härte vorgegangen waren, doch kritisierte gleichzeitig das Vorgehen der Demonstranten und der Opposition. „Es geht hier nicht um einige Bäume. Im Rahmen des neuen Projektes werden noch mehr Bäume angepflanzt. Hier versucht die Opposition die Situation außerparlamentarisch eskalieren zu lassen, anstatt sich dem demokratischen Prozess zu stellen.“

Untergangen ist bei den ganzen Ereignissen der Beschluss des 6. Verwaltungsgerichts, welches am Freitag vorerst den Stopp der Bauarbeiten verordnete.