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Kolumnen

Denn sie fühlen nicht, was sie tun

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KOLUMNE Kinder sind etwas Wunderbares.

Erwachsene kann man so oder so finden. Manche sind einem sympathisch, andere weniger. Erwachsene, die einer fremden Kultur angehören, kann man auch für gewöhnungsbedürftig halten. Niemandem kann man deswegen Vorwürfe machen. Die Gefühle eines Menschen sind absolut frei.

Nicht so bei Kindern. Kinder findet man generell liebenswürdig. Kinder sind unschuldig. Auf Erwachsene kann man Hass empfinden – es ist nicht schön, aber menschlich. Auf Kinder nicht.

Trotzdem: Es gibt auch Fälle, wo Kinder Objekte menschlicher Aggressivität werden.

Solche Geschichten kennt zum Beispiel die Bibel. Die Bibel kennt die Geschichte von Moses, in der Pharao Ramses II. befiehlt, alle männlichen Neugeborenen der Israeliten umzubringen. Er wollte damit wohl einer Bevölkerungsexplosion der Israeliten vorbeugen. Es ging also um Politik.

Das Töten von Kindern kommt aber nicht nur im Alten Testament vor, auch die türkische Geschichte kennt sie. In der Frühzeit der Osmanen wurden Kinder von Sultanen getötet. Das war sogar politisch und religiös legitimiert. Als Grund wird angeführt: Es ging damals um die Einheit des Staates. Mehrere Prinzen bedeuteten Rivalität um Macht. Diese hätten zum Bürgerkrieg und letztendlich zum Zerfall des Staates führen können. Um dem vorzubeugen, war der Kindes-Mord ein legitimes Mittel. Was für eine Logik!

Richter verhaftet, Ehefrau aus Krankenhaus entlassen, Kind von Kita ausgesetzt

Die neuere türkische Politik kennt keine Kindsmorde, Gott bewahre. Aber dass Kinder Ziel des Hasses und der Aggression Erwachsener werden können, schon! Ein jüngstes Beispiel hat man sogar vor kurzem erlebt.

Metin Özçelik war Richter an einem Istanbuler Gericht. Als er zusammen mit einem Richter-Kollegen ein Urteil über die Freilassung der seit Monaten inhaftierten Journalisten und Polizisten erließ, erlebte er die Überraschung seines Lebens. Zuerst wurde sein Urteil seitens der Staatsanwaltschaft nicht umgesetzt, danach wurde er selber verhaftet.

Seiner Frau, die an einer Privatklinik als Ärztin arbeitete, wurde grundlos gekündigt. Mehr noch: Der Sohn des Paares, Mehmet Mert (5), der in der Kita des Krankenhauses betreut wurde, wurde seitens der Kita-Leitung vor die Tür gesetzt, noch bevor die Mutter da war, um ihn abzuholen.

Mittlerweile greift die Hexenjagd, die der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan propagiert, auf unschuldige Ehefrauen, ja sogar auf Kinder über.

Nierenkranker Polizist im Gefängnis wird nicht behandelt

Aber nicht nur auf Kinder: Auch inhaftierte Kranke bekommen ihren Anteil am Hass des Präsidenten zu Spüren. Ahmet Özdil war ein Polizist. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Und er ist krank. Er klagt über Nieren-Schmerzen. Ärzte raten ihm zur dringenden Operation.

Aber seit über sieben Monaten findet keine statt. Zuletzt war er wegen Schmerzen im Krankenhaus von Okmeydanı in Istanbul, wurde aber wieder abgewiesen mit der Begründung, der Raum für die Behandlung von Gefangenen befinde sich in Umbau-Arbeiten. Später zeigte sich jedoch, dass diese Information nicht zutraf und er doch hätte operiert werden können.

Der Vater bittet: „Gebt ihn uns her, wir lassen ihn selber operieren, solange sitze ich im Gefängnis.“ Seine Frau klagt: „Mein Mann kann nichts essen, nichts trinken. Er trinkt gerade mal ein Glas Wasser am Tag. Seine Nieren arbeiten nicht. Er klagt über große Schmerzen, kann nachts nicht schlafen. Er übergibt sich, seine Mitgefangenen kümmern sich um ihn…“

Der Hass muss groß sein, wenn vor ihm weder Kinder noch unter Schmerzen leidende sicher sind. Aber auch die Angst und die Feigheit derjenigen, die sich diesem Hass beugen.