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Panorama

Der braune Abgrund der Black-Metal-Szene

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In Frankreich wurde am Dienstag der bekannte Black-Metal-Musiker „Varg“ Vikernes unter Terrorverdacht festgenommen. Auf diese Weise gelangt erstmals wieder der braune Rand dieser Subkultur ins Blickfeld der Öffentlichkeit. (Foto: dpa)

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Der braune Abgrund der Black-Metal-Szene
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Am Dienstag wurde in der Stadt Stadt Salon-la Tour in der mittelfranzösischen Region Corrèze der 40-jährige norwegische Neonazi und Black-Metal-Musiker Kristian „Varg“ Vikernes (re., Foto stammt von 1997) unter dem Verdacht festgenommen, einen größeren terroristischen Anschlag geplant zu haben. Der französische Inhaltsgeheimdienst hatte die Festnahme vorbereitet, nachdem es konkrete Hinweise darauf gegeben habe, dass Vikernes im Begriff wäre, ein „Massaker“ zu begehen.

Frankreichs Innenministerium sprach davon, dass von Vikernes eine „potenzielle Gefahr für die Gesellschaft“ ausgehe. BBC berichtet, seine Frau habe vier Schusswaffen erworben, was mit den Anschlagsplänen in Verbindung stehen könne. Das Anwesen, auf dem der Musiker mit seiner fünfköpfigen Familie lebt, wird derzeit auf Waffen und Sprengstoff durchsucht.

„Varg“ Vikernes, der bereits wegen mehrerer Straftaten, darunter wegen Mordes am Gitarristen einer konkurrierenden Black-Metal-Band zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden war und der auch im Verdacht stand, 1992 die berühmte „Fantoft“-Stabkirche in Oslo angezündet zu haben (ein Bild des brennenden Gotteshauses illustrierte das Cover seiner zweiten EP), gehörte zu denjenigen, die 2011 ein persönliches Exemplar des Manifests des Islamkritikers Anders Breivik zugestellt bekommen hatten, bevor dieser seinen Amoklauf in Oslo und auf der Insel Utoya mit 77 Toten startete.

Vikernes distanzierte sich auf der Seite seines Musikprojekts „Burzum“ (was nicht den Bürzel, sondern „Dunkelheit“ bezeichnet) von Breiviks Taten, allerdings nur deshalb, weil die Opfer Norweger waren. Er stimmte allerdings ausdrücklich der paranoiden Vorstellung Breiviks zu, wonach Muslime „Europa erobern“ wollten, was nur durch einen blutigen Bürgerkrieg verhindert werden könnte.

In Black-Metal-, Satanisten- und Neonazikreisen gilt Vikernes, der auf seinen frühen Veröffentlichungen das Pseudonym „Count Grishnackh“ verwendete, in ganz Europa Kultstatus – und das ist im Wesentlichen auch das hauptsächliche Verbreitungsgebiet dieser Szene.

Zunehmende Ideologisierung

Black Metal ist eine jener Richtungen des Heavy Metal, von der selbst Fans dieser Musikrichtung Schwierigkeiten haben, sie auf Grund ihrer Monotonie und der Urlaute, die an die Stelle eines Gesangs treten, noch als Musik zu bezeichnen. Die Szene entstand in den 1980er-Jahren und breitete sich von Norwegen und Schweden rasch auf Nord- und Mitteleuropa rasch aus.

Ursprünglich war Black Metal in erster Linie Musik mit satanistischen Inhalten und Texten. Ein wesentlicher Teil davon war zudem Pose: Bands, die zuvor größte Schwierigkeiten hatten, auch nur in Hinterzimmern drittklassiger Spelunken auftreten zu dürfen, konnten auf diesem Wege die pubertäre Rebellion europäischer Wohlstandskinder zu Geld machen.

Ein Teil der Szene ideologisierte sich jedoch. Zum eigentlichen Satanismus traten Bands mit heidnischen, nihilistischen, sozialdarwinistischen oder misanthropischen Inhalten dazu – Black Metal wurde im Sinne des Victor-Hugo-Ausspruchs „Le Beau c’est le laid“ zu einem Sammelbecken all jenes Abseitigen, das von der schwarzen Romantik über Teile des Expressionismus bis hin zu den Verirrungen der modernen Popularkultur das europäische Kunstverständnis prägte.

Dass am Ende auch der Neonationalsozialismus innerhalb der Black-Metal-Szene an Boden gewann, hatte nicht nur mit pubertärer Lust am Tabubruch zu tun, sondern illustriert vielmehr, dass die NS-Ideologie mitnichten einen Zivilisationsbruch darstellte, der gleichsam aus dem Nichts über Deutschland und Europa gekommen wäre. Die antisemitischen, rassistischen und islamfeindlichen Texte, die „Superstars“ des Genres wie Vikernes auf verschiedenen Webseiten veröffentlichen, knüpfen in gleicher Weise wie der historische Nationalsozialismus an Denkmuster an, die sich in Europa vor allem im 19. und 20. Jahrhundert angesichts des zunehmenden weltpolitischen Macht- und Bedeutungsverlustes der Alten Welt herausgebildet hatten. Nachdem man über Jahrhunderte hinweg die Welt beherrscht hatte, musste man zusehen, wie sich frühere Kolonien zunehmend von der Fremdherrschaft befreien und sich auch ökonomisch weiterentwickeln.

UFO-Verschwörungen und Ariermythen

Nationalistische und rassistische Mythen dienten und dienen heute noch in Europa der Selbstvergewisserung angesichts der zwar immer noch gefühlten, aber objektiv nicht mehr begründbaren Überlegenheit gegenüber Nichteuropäern. Gleichzeitig tragen gestiegene Mobilität und damit verbundene Wanderungsbewegungen dazu bei, dass das Konzept der homogenen Nation zunehmend zu Gunsten des anglo-amerikanischen Konzepts der pluralistischen Bürgergesellschaft in den Hintergrund tritt.

Das Gefühl, dieser Entwicklung ausgeliefert zu sein, beflügelte indessen von jeher Verschwörungstheorien in Deutschland und Europa: Da es undenkbar erscheint, dass Europäer als vermeintlich zivilisatorisch überlegene Herrenmenschen an Macht und Einfluss in der Welt verlieren, müsse doch eine Verschwörung von außen diese Entwicklung herbeiführen.

„Varg“ Vikernes zufolge diene das Christentum, von Vikernes auch abfällig „Judäo-Christentum“ genannt, dazu, die „Arier“ durch die Verdrängung ihres „Artglaubens“ und ihrer „ursprünglichen“ Kultur zu schwächen und dadurch leichter knechten zu können. Diese These wurde bereits in den 1920er-Jahren durch den zeitweiligen Hitler-Weggefährten General Erich Ludendorff in Deutschland kultiviert. Vikernes behauptet auch, die „arische Rasse“ wäre von außerirdischen Wesen geschaffen worden, während die anderen Rassen fehlgeschlagene Versuche darstellten.

Der verschwörungsideologische Ideenpool, aus dem Vikernes schöpft, ist im Übrigen auch in Deutschland Ideenfundus für die NS-Black-Metal-Szene: Von den okkulten Lehren der Theosophie (Helena Blavatsky) über nordische Mythologie, germanischen Rassenkult bis hin zu UFO-Spekulationen.

Nazi-Satanisten in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es eine nicht unbedeutende NS-Black-Metal-Szene, deren Protagonisten sich ideologisch nicht von ihren skandinavischen Vorbildern unterscheiden und die nicht selten auch zu schwerer und schwerster Kriminalität neigt.

Einer der bekanntesten Vertreter des braunen Black Metal in Deutschland ist dabei der aus Thüringen stammende Hendrik Möbus, der 1990 als 14-Jähriger erstmals mit dieser Musikrichtung in Berührung kam. Dies gab ihm auch den Impuls für Gründung einer eigenen Band mit dem Namen „Absurd“, welche später zur ersten Band in Deutschland werden sollte, die Satanismus mit Neonationalsozialismus in Verbindung brachte.

Zum Neonationalsozialismus soll Möbus in der Haft gefunden haben. 1993 ermordeten die Mitglieder seiner Band ihren Mitschüler Sandro Beyer. Möbus wurde als Haupttäter wegen gemeinschaftlich geplanten Mordes, Freiheitsberaubung und Nötigung zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt. In den Medien wurde die Tat als „Satansmord von Sondershausen“ bezeichnet. 1998 wurde Möbus auf Bewährung freigelassen – diese wurde jedoch widerrufen, als er sich mehrfach in verhöhnender Art und Weise über das damalige Mordopfer geäußert hatte. Als Möbus in den USA – vergeblich – Asyl beantragte, wurde er vom Gründer der neonazistischen „National Alliance“, William Pierce, beherbergt, der enge Kontakte zur NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ unterhielt und auf deren Europakongress 1999 sprach.

Der organisierte Neonationalsozialismus fungiert auch in Deutschland fallweise als Bindeglied zwischen der NS-Black-Metal-Szene und braunen Bestrebungen in anderen satanistischen oder neuheidnischen Subkulturen. So war der aus dem satanistischen Teil der Gothic-Szene stammende Daniel Ruda, der zusammen mit seiner Frau 2001 in Witten einen Arbeitskollegen mi
t 66 Messerstichen ermordete, 1998 vom – Jahre zuvor ebenfalls wegen Mordes verurteilten – NPD-Funktionär Wolfgang Kevering als Wahlhelfer eingeteilt worden. Im Zuge der Verhaftung des Paares wurde eine Art „Todesliste“ gefunden von Personen, die daraufhin Polizeischutz erhielten. Eine davon war die Mutter des 1993 von Hendrik Möbus ermordeten Sandro Beyer.

Nicht jeder Anhänger von Black-Metal-Musik hat Sympathien für neonationalsozialistisches Gedankengut. Allerdings werden innerhalb dieser Szene Legenden kultiviert, auf denen Bestrebungen dieser Art aufbauen können.

Der Islam löst das Christentum als Feindbild ab

In Europa erleichtert es die im Laufe der letzten Jahrhunderte von den Eliten kultivierte Religionsfeindlichkeit, Black Metal und ähnliche Bestrebungen in jugendlichen Subkulturen zu verankern.

Es ist damit zu rechnen, dass insbesondere im offen rassistischen Bereich der Szene die Islamfeindlichkeit künftig eine zunehmend größere Rolle spielen wird. Und dass diese in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch als zum guten Ton gehörig betrachtet wird, macht den Betreffenden die Wühlarbeit leichter. So wurde ausgerechnet im Jahr des Breivik-Attentats die norwegische Black-Metal-Band „Taake“ wurde für den sog. Spellman Award – eine Art norwegischer Grammy – nominiert. In ihrem Song „Orkan” hört man Aussagen wie „Zu Hölle mit Mohammad und den Mohammedanern” und „Norwegen wird bald aufwachen”.

Dass der Islam perspektivisch auch in der gewaltbereiten Satanistenszene und anderen Subkulturen zum Feindbild Nummer eins werden könnte, ist umso wahrscheinlicher, da dieser im Unterschied zum Christentum in Europa im Aufwind zu begriffen und sich gegenüber den Einflüssen der Moderne als resistenter zu erweisen sein scheint als das Christentum, das bislang die Hauptzielscheibe religionsfeindlicher Kreise war.

Während eine Evangelische Kirche, die „Familienpapiere“ herausgibt, in denen die traditionelle Ehe nur noch als eine Möglichkeit unter vielen dargestellt wird, und eine Katholische Kirche, deren Bischöfe nicht einmal den Mut aufbringen, eine Unterschriftenaktion zu unterstützen, die für die Rechte Ungeborener eintritt, perspektivisch irgendwann nicht mal mehr von Hardcore-Satanisten als satisfaktionsfähiger Gegner betrachtet werden dürften, könnten diese an einer muslimischen Community, die jedes Jahr europaweit eine höhere fünfstellige Zahl an Konvertiten anzieht, wesentlich stärker Anstoß nehmen.