Connect with us

Politik

Der nächste Anlauf: Türken und Griechen verhandeln über Wiedervereinigung Zyperns

Spread the love

Die Vereinten Nationen glauben, dass die Teilung Zyperns überwunden werden kann und geben ihr Bestes: Mit den Führern der türkischen und griechischen Zyprer soll bis Mitte der Woche intensiv verhandelt werden. Schaffen sie es nun, den Gordischen Knoten zu durchschlagen?

Published

on

Spread the love

Unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen (UN) suchen die politischen Führer der griechischen und türkischen Zyprer nach Wegen, die seit mehr als 40 Jahren andauernde Teilung ihrer Insel zu überwinden. Mustafa Akıncı und Nikos Anastasiades kamen am Montag im schweizerischen Genf mit dem UN-Sondergesandten, dem Norweger Espen Barth Eide, zusammen. Das zyprische Fernsehen (RIK) übertrug den Beginn der Gespräche direkt.

Der UN-Beauftragte für Zypern, Espen Barth Eide, sah zum Auftakt der neuen Gespräche so gute Chancen auf eine Einigung wie nie zuvor. Beide Seiten hätten moderate Spitzenpolitiker, die vom Nutzen einer Wiedervereinigung überzeugt seien, sagte der Norweger kurz vor dem Start der Gespräche in einem BBC-Interview. „Sie haben Willen und Führungsstärke demonstriert, wie wir es seit langem nicht gesehen haben“, sagte Eide.

Die beiden zyprischen Führer selbst gaben sich auf die Frage nach den Erfolgsaussichten der Gespräche bedeckt. „Fragen Sie uns danach“, sagten sie Reportern vor dem Start der Verhandlungen.

Fünf-Parteien-Konferenz am Donnerstag

Zypern ist seit einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention 1974 geteilt. Die Inselrepublik ist seit 2004 EU-Mitglied. Das EU-Recht gilt aber nur im griechisch-zyprischen Süden. Der türkisch-zyprische Norden wird nur von Ankara anerkannt.

Bis Mittwoch wollen Anastasiades und Akıncı im Beisein von Eide miteinander verhandeln. Für Donnerstag ist dann eine Fünf-Parteien-Konferenz unter Beteiligung der Garantiemächte Zyperns – das sind Griechenland, die Türkei und die frühere Kolonialmacht Großbritannien – vorgesehen. Zu diesen Verhandlungen wird auch der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach Genf reisen.

Der Erfolg der breiteren Konferenz am Donnertsag hänge von den Fortschritten ab, die bei den bilateralen Gesprächen am Montag, Dienstag und Mittwoch erzielt werden, so Eide. Welche Vertreter der drei Garantiemächte nach Genf kommen werden, konnte Eide nicht sagen. „Sie werden auf höchster oder zweithöchster Ebene dabei sein“, so der UN-Beauftragte. Sollte am 12. Januar keine endgültige Einigung erzielt werden können, werde es weitere Verhandlungsrunden geben, hieß es.

Angesichts dieser größeren Konferenz informierte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras am Montag die wichtigsten Parteivorsitzenden seines Landes. Ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu der Konferenz am Donnerstag nach Genf reisen wird, war am Montag noch unklar.

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen erfuhr, wollen sich die politischen Führer Zyperns am Montag, Dienstag und Mittwoch jeweils zwei Mal am Tag treffen. Am Montag sollten Vermögensfragen sowie Details des Regierungssystems erörtert werden. Am Dienstag sollen EU-Themen sowie die Kosten der Wiedervereinigung unter die Lupe genommen werden. Am Mittwoch geht es dann um den Kern des Problems: Beide Seiten sollen Karten vorlegen, auf denen ihre Vorstellungen über den Grenzverlauf zwischen den beiden künftigen Bundesstaaten abgebildet sein sollen.

Eigentlich geht es dabei um die Frage, wie viel Boden die türkisch-zyprische Seite an die griechischen Zyprer zurückzugeben bereit ist, damit so viele griechische Zyprer wie möglich in ihre Siedlungsgebiete vor der Teilung im Jahr 1974 zurückkehren können.

An diesem Punkt waren erst im November die letzten Verhandlungen über eine Wiedervereinigung gescheitert. Nach Monaten zäher Vorgespräche und sieben Verhandlungstagen waren Akıncı und Anastasiades ohne eine Lösung im Gepäck nach Zypern zurückgekehrt.

„Zu viele Fragen und noch keine Antworten“

Angestrebt wird ein föderaler Staat aus zwei politisch gleichberechtigten Bundesstaaten – einem türkisch-zyprischen im Norden und einem griechisch-zyprischen im Süden. Beide Volksgruppen müssen einer Verhandlungslösung in getrennten Volksabstimmungen später noch zustimmen – daran war eine Wiedervereinigung bereits einmal gescheitert, als der griechische Teil der Bevölkerung einen von der UN erarbeiteten Wiedervereinigungsplan 2004 ablehnte.

Doch damit hören die heiklen Punkte noch nicht auf. Weiterhin geklärt werden muss die Kostenfrage: Was wird die Wiedervereinigung kosten? Und wer wird den Preis zahlen? Die Entschädigungen für die 160 000 vertriebenen Griechen und die 40 000 vertriebenen Türken werden auf über zehn Milliarden Euro geschätzt. Wer welchen Teil dieser Summe aufbringen soll, ist noch ungeklärt. Und es gibt noch dutzende Detailfragen zu klären. Wer wird das erste Wort haben, wenn es um ein Grundstück eines griechischen Zyprers geht, der 1974 geflohen ist und auf dem ein türkischer Zyprer ein Haus gebaut hat und es anschließend an einem britischen Touristen verkauft hat? In welchem Zustand sind die Banken im türkischen Teil Zyperns? „Wir haben zu viele Fragen und noch keine Antworten dazu“, sagen Diplomaten in Nikosia.

Ein weiterer zentraler Streitpunkt ist die Frage der Garantiemacht. Während Griechenland und Großbritannien darauf verweisen, dass es sich dabei um einen Anachronismus handele, besteht die türkische Seite darauf, dass Ankara auch in einem wiedervereinten Staat weiterhin Truppen auf der Insel stationieren soll. Vor allem in der Europäischen Union wird das jedoch kritisch gesehen, schließlich erhielte Ankara dadurch mittels eines zyprischen Vetos indirekten Einfluss auf EU-Entscheidungen. In Genf sind also noch dicke Bretter zu bohren. Akıncı und Anastasiades wissen sicherlich, warum sie sich vor den Verhandlungen bedeckt gehalten haben.  (dpa/ dtj)