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Politik

Der Stolz der Takvim: Die heldenhafte Berichterstattung beim ZDF

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Das Video des A-Haber-Reporters Mevlüt Yüksel vor der ZDF-Zentrale geht gerade viral und erhält massig Hohn und Spott – nicht jedoch von seinem Hauptarbeitgeber Takvim. Die regierungstreue Zeitung ist nämlich mächtig stolz auf ihn.

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Das Video des türkischen Reporters, der vor der ZDF-Zentrale die Unfreiheit der Presse in Deutschland aufzudecken meint, geht mittlerweile nicht nur in der Türkei viral, sondern auch hierzulande. Nicht zuletzt Spiegel Online und die Süddeutsche Zeitung leisten dazu ihren Beitrag. Selbst für die an schlimmsten Schund gewöhnten türkischen Zuschauer ist der hysterische, debile Beitrag von Mevlüt Yüksel ein Kuriosum: Der rasende Reporter „zeigt dem ZDF wo der Hammer hängt“, indem… ja, wie eigentlich?

Er steht vor dem Haupteingang der ZDF-Zentrale und berichtet mit sich überschlagender Stimme davon, dass es in Deutschland keine Pressefreiheit gibt, weil er nicht durch das Tor gelassen wird und man sein Team auffordert, nicht zu filmen. Das nennt sich Hausrecht. Vollends zu einem Manifest des Fremdschämens wird sein Beitrag jedoch, als er anhand des ZDF-Sprechers Alexander Stock die Verkommenheit der deutschen Leitmedien illustriert: Stock hat nämlich die Hände in den Hosentaschen, während der „Gast“ Yüksel anwesend ist. Dass es – wie das ZDF DTJ auf Nachfrage mitteilte – gar keine Anfrage für ein Interview oder Filmaufnahmen gab, Yüksel also mitnichten ein Gast, sondern ein ungebetener Besucher ist: geschenkt.

Dass sich der Sender und vor allem Reporter Mevlüt Yüksel mit dem Beitrag für die A-Haber-Sendung „Yaz Boz“ zum Gespött machen, ist die eine Sache. Eine andere Sache ist aber die Reaktion des Hauptarbeitgebers Yüksels, der Tageszeitung Takvim, für die er als Redakteur arbeitet. Denn Takvim scheint mächtig stolz auf die investigative Meisterleistung ihres Redakteurs zu sein. Und so rühmt sie sich heute in großen Lettern und großen Bildern auf Seite eins der Heldentat Yüksels, natürlich nicht ohne sich der unfreiwillig komischen Propaganda-Sprache zu bedienen, die vielen regierungsnahen Krawallblättern in der Türkei eigen ist.

Garniert von ein paar Tweets wie „Der Meister-Journalist Mevlüt Yüksel hat den Deutschen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das hat er gut gemacht!“ und „Mevlüt Yüksel hat den Fans der Deutschen eine Ohrfeige verpasst“ stellt die Tageszeitung der Turkuvaz-Gruppe ihre Sicht der Ereignisse dar: „Mevlüt Yüksel wollte lediglich Journalismus betreiben. Er ist vor die Tore des ZDF gegangen. Aber die angeblich so liberalen Deutschen haben es ihm nicht mal erlaubt, ein einziges Bild zu machen.“ Denn, so prangt groß daneben: „Sie haben überhaupt keine Moral, keinen Anstand, keine Scham! Aber sie sind alle frei!“ Nur gut, dass das in der Türkei nicht so wäre!

Doch glücklicherweise gibt es den opferbereiten Meister-Journalisten Yüksel, der sich sogar im Ausland in die Höhle des Löwen traut. Als er filmen wollte, wurde er „mit unverschämtem Verhalten konfrontiert. Er wurde misshandelt! Er wurde gejagt! Er hat die Scheinheiligkeit der Deutschen beim Thema ‚Freiheit‘ bewiesen!“ Doch damit nicht genug: Dafür, dass er die die schamlose Doppelmoral der Deutschen aufgedeckt hat, haben sich die Feinde der Türkei versammelt, um diesen Kämpfer für die Pressefreiheit zu terrorisieren. „Von den Parallelen (gemeint sind Anhänger der Gülen-Bewegung, Anm. d. Red.) bis zu den Terroristen hatte sich das ganze Viertel versammelt. Ihr Ziel war Yüksel.“ Nur gut, dass er es heil wieder heraus geschafft hat, mag sich der geneigte Leser denken. Denn in was für eine brenzlige Situation er sich zur Rettung der Pressefreiheit begeben hat, stellte Takvim gleich zu Beginn des eigentlichen Artikels fest: „Die Front des Bösen wurde eröffnet! ‚Freiheit‘ ist der neue Begriff für Beleidigung!“

Es mag sich bei Takvim und ihrem Star-Reporter um eine harm- und hirnlose Banalität handeln, über die man sich herzlichst amüsieren kann. Die Berichterstattung zur Causa Böhmermann und der vermeintlich geheuchelten Pressefreiheit in Deutschland wirft jedoch ein Schlaglicht auf einen viel größeren Komplex, bei dessen Betrachtung einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Es handelt sich nämlich keineswegs um einen Ausrutscher einer kleinen Weltanschauungsgazette. Diese Art der Berichterstattung hat in der „neuen Türkei“, wie sie von Erdoğan und seinen Anhängern stolz genannt wird, System. Und im Normalfall sind die Opfer dieser dreist erlogenen Sensationsheischerei keine deutschen TV-Entertainer an der Schwelle zu einem Karriereknick respektive -schub, sondern Minderheiten, Regierungskritiker und oppositionelle Politiker. Schade, dass die deutsche Aufmerksamkeit für die Abgründe des öffentlichen Diskurses in der Türkei nach dem Ende der Böhmermann-Affäre wieder rapide abnehmen wird.