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Kultur/Religion

Evolutionsbiologen sehen den Ursprung von 400 indoeuropäischen Sprachen in Anatolien

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Die indoeuropäische Sprachfamilie ist die größte der Welt. Seit langem versuchen Wissenschaftler, eine indoeuropäische ‚Ursprache‘ zu rekonstruieren. Evolutionsbiologen haben die These aufgestellt, dass sie ihren Ursprung in Anatolien hat.

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Über 400 indoeuropäische Sprachen haben ihren gemeinsamen Ursprung in Anatolien, diese These vertritt zumindest der Evolutionsbiologe Quentin Atkinson. Vor über 8000 Jahren soll sich eine indoeuropäische Ursprache an dieser Stelle als erstes entwickelt und sich im Anschluss über Europa und Teile Asiens ausgebreitet haben. Diese These entstammt einer im Jahr 2012 veröffentlichten Studie Atkinsons.

Obwohl Englisch, Niederländisch, Russisch, Griechisch oder Hindi unterschiedlich klingen mögen, haben sie viele Gemeinsamkeiten in ihrer Grammatik und in grundlegenden Vokabeln, beispielsweise zwischen dem holländischen „moeder“, dem spanischen „madre“ und dem russischen „mat“ für „Mutter“. Auf dieser Grundlage gelang es Wissenschaftlern schlusszufolgern, dass über einhundert Sprachen aus Europa und dem Nahen Osten, von Island bis Sri Lanka, von einer gemeinsamen Ursprache abstammen. Einigen Wissenschaftlern zufolge sollen sich die indoeuropäischen Sprachen vor 8.000 bis 9.500 Jahren durch die Landwirtschaft verbreitet haben. Andere Wissenschaftler wiederum vermuten, dass nomadische „kurgische“ Reiter den Ursprung aller indoeuropäischen Sprachen vor 6.000 Jahren aus Zentralasien mit sich gebracht haben. Für beide Theorien gibt es archäologische Indizien, doch genetische Studien über etwaige „Indo-Europäer“ blieben bisher ergebnislos und führten zu unlösbaren Debatten unter Linguisten, Anthropologen und Kulturhistorikern.

Evolutionsbiologie soll Ursprung der Sprachen aufdecken

Im Jahr 2003 gelang es Russel Gray und seinem damaligen Doktoranden Quentin Atkinson an der Universität Auckland in Neuseeland anhand eines wissenschaftlichen Modells zu nahezulegen, dass der Ursprung der indoeuropäischen Sprachen in der heutigen Türkei zu finden ist. Weder Gray noch Atkinson sind Linguisten, doch sie glauben, dass die Evolutionsbiologie ihnen dabei behilflich sein könnte, wichtige Fragen über Sprachen der Vorgeschichte beantworten zu können.

Gene und Wörter haben ihrer Meinung nach viele Ähnlichkeiten und Sprachevolution könnte in Form von „Stammbäumen“ abgebildet werden. Gray und Atkinson stellten die Theorie auf, dass die Evolution der Wörter der Artenevolution ähnlich ist und dass die „Verwandtschaft“ von Wörtern – wie ähnlich Ton und Bedeutung sind – ebenso wie DNA-Sequenzen modelliert werden können und dabei helfen, die Sprachentwicklung zu verfolgen.

Mit Methoden aus der Evolutionsbiologie verglich das Duo bedeutungsgleiche Wörter in 87 indoeuropäischen Sprachen, wie z.B. „Mutter“, „Jagd“ und „Himmel“, um herauszufinden wie diese „Arten“ miteinander verwandt sind.

Umstrittene Ergebnisse

Die Orte der gegenwärtigen indo-europäischen Sprachen sind bekannt und den geographischen Ursprung älterer toter Sprachen, wie Altgriechisch oder Sanskrit, kann man anhand historischer Aufzeichnungen erschließen. Daher glauben die Wissenschaftler, epidemologische Modelle, welche normalerweise die Ausbreitung von Krankheiten simulieren, nutzen zu können, um den Ursprung der indoeuropäischen Sprachen auf gleiche Art nachverfolgen zu können.

Colin Renfrew von der Universität Cambridge war der erste, der Anatolien als Ursprung der indoeuropäischen Sprachfamilie bezeichnete. Allerdings befürchtet er, dass viele historische Linguisten diese Erkenntnis wohl kaum akzeptieren werden. Die gesamten Forschungen rund um die indoeuropäischen Sprachen stützten sich seiner Meinung nach für zu lange Zeit auf die „kurgische“ Hypothese, als dass eine derartig neue Theorie leichterhand von Linguisten und Archäologen akzeptiert werden würde.

Andrew Garrett, ein Linguist von der Universität Kalifornien, betrachtet die neue Methode als innovativ, ist aber dennoch nicht von ihr überzeugt. In den vorliegenden Datensätzen gäbe es eine Voreingenommenheit, die zu einer falschen Schlussfolgerung führe. Außerdem würden Beweise ignoriert werden, welche die „kurgischen“ Hypothese unterstützten. Auch David Anthony, Archäologe am Hartwick College in Oneonta, New York, denkt, dass ein solches Modell nicht für die linguistische und archäologische Untersuchung genutzt werden kann.