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Deutsche und türkische Medien

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Zwischen den deutschen und türkischen Medien herrscht nicht gerade ein Liebesverhältnis. Es ist überhaupt zweifelhaft, ob man es als Verhältnis beschreiben kann. Anstelle von positiven Impulsen wird meist Misstrauen erzeugt. (Foto: cihan)

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Deutsche und türkische Medien
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Die deutschen Medien haben die türkischen Medien in Deutschland bis vor kurzem eigentlich gar nicht wahrgenommen. Wenn doch, dann wurde nicht mit den türkischen Medien, sondern über sie gesprochen. Es seien einige Überschriften genannt, die im Zusammenhang mit türkischen Medien in deutschen Zeitungen erschienen sind oder als Veranstaltungstitel in Deutschland gewählt wurden. Mal wurden die türkischen Medien als „giftige Gazetten“ (Focus, 17-1997) bezeichnet, mal wurde deren Rolle in der deutschen Medienlandschaft mit Überschriften behandelt wie Störenfried oder Begleiter.

Die fremdsprachigen Medien im Integrationsprozess (Fachtagung am 15. Mai 2001, Mainz; Landesbeauftragte für Ausländerfragen bei der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz). Neulich beschuldigte die tageszeitung, kurz taz, die Hürriyet, für Völkerverstimmung zu sorgen (Ein Blatt für die Völkerverstimmung, 11.4.2008). Der verdeckte Hinweis auf den Begriff Völkerverständigung sticht hervor. Ein anderer gängiger Vorwurf wird mit dem Begriff Medienghetto wiedergegeben. Hier lautet die Beschuldigung, dass die türkischen Medien ihre Leser vom Alltag in Deutschland abkoppeln und sie diesem Land entfremden. Dabei wurde durch zahlreiche Untersuchungen genau das Gegenteil festgestellt.

Es kann nicht behauptet werden, dass türkische Medien keine kritikwürdigen Aspekte haben. Sie werden schließlich auch nicht von Heiligen gemacht. Wenn türkische Medien jedoch beschuldigt werden, „giftige Gazetten“ zu sein, so sollte auf der anderen Seite auch hinterfragt werden, welchen Anteil die deutschen Medien bei der steigenden Islamophobie haben. Wenn deren Rolle mit dem Begriff Medienghetto wiedergegeben wird, sollte bedacht werden, inwieweit die türkischen Migranten sich in deutschen Medien wiederfinden können. Bei ehrlicher Selbstkritik wird man da nicht viel Positives vorweisen können.

Eigene Gesetze für Integrations-Berichterstattung

Glaubt man den deutschen Medien, dann enthält die türkische Kultur überwiegend Negatives. Sie besteht im wesentlichen aus Zwangsheirat und Frauenunterdrückung, die Jugendlichen sind Machos, die in ihrer Freizeit am liebsten deutsche Rentner prügeln, und die Älteren hängen einem archaischen Ehrbegriff an, mit dem sie in einer modernen, fortgeschrittenen Gesellschaft nur Unheil anstiften. Dabei dürfte es eigentlich klar sein, dass keine Kultur der Welt dermaßen aus Negativem bestehen kann. Warum sollten sich die türkischen Leser den deutschen Medien zuwenden, wenn sie fast ausschließlich nur Negatives über sich und ihre Kultur zu lesen bekommen?

Sind in Hinblick auf diesen Missstand moralische Appelle geboten? Damit wird man vermutlich nicht viel erreichen. Die Medien haben ihre eigenen Gesetze. Es ist überhaupt fraglich, inwieweit sie mit dem Integrationsgedanken aufgeladen werden können und sollen. Sie wollen nämlich eigentlich keine konfliktlose Gesellschaft in Friede, Freude, Eierkuchen – falls so etwas überhaupt möglich ist, sondern ihre Sicht der Dinge bringen und dabei auch Geld verdienen. Zudem ist Medienkritik eigentlich nichts Neues. Schon Bismarck soll die Journalisten als Zeitgenossen beschimpft haben, die eigentlich ihren Beruf verfehlt hätten. Wenn das in Bezug auf die deutschen Medien der Fall ist, dann sollten auch die türkischen Medien nicht mit strengeren Maßstäben gemessen werden. Hier wäre die Frage legitim, ob denn die Medien keine gesellschaftliche Verantwortung tragen bzw. tragen sollten. Sollten sich die Medien überhaupt dem Integrationsgedanken verbunden fühlen?

An dieser Stelle wäre der Ball eigentlich bei gesellschaftlichen Kräften, die in die Debatten hineinwirken. Dabei wäre aber auch ein richtiges Verständnis des Integrationsbegriffs von Bedeutung, nämlich die Akzeptanz von Migranten in dieser Gesellschaft in ihrer Identität. Ein Integrationsbegriff, der nicht ausschließlich auf einseitige kulturelle Anpassung ausgerichtet ist, sondern sowohl auf Anerkennung der Kultur der Migranten sowie deren Partizipation in der Gesellschaft aus ist, also ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft anstrebt, würde die Entwicklung in die richtige Richtung lenken.

Vermittlung von Akzeptanz in den Medien – eine realistische Erwartung?

Einerseits ja, andererseits nicht. Es ist insofern keine realistische Erwartung, als die Entwicklung derzeit eher in die andere Richtung zu gehen scheint. Heute ist die Leitkultur, nicht die multikulturelle Gesellschaft. Während die Pluralität und Individualisierung in der Gesellschaft zunehmen, wird andererseits in einer paradoxen Haltung von muslimischen Migranten eine einseitige Anpassung erwartet. Eine Haltung der Toleranz ist schon da, aber keine Haltung der Akzeptanz. Andererseits ist die multikulturelle Gesellschaft schon da, auch wenn Akzeptanz und Anerkennung fehlen. Deren Nichtwahrnehmung wird sie nicht zum Verschwinden bringen. Man ändert nämlich nicht die Realität, indem man seinen Kopf in den Sand steckt. Man verbaut sich nur seine eigene Sicht.

An der Haltung der Medien wird sich nicht viel ändern, solange sie einem falschen Integrationsmodell anhängen. Auch moralische Appelle scheinen wenig zu versprechen. Eine Anerkennung der Realität und eine Akzeptanz der Migranten in ihrer eigenen Kultur dagegen wird der erste Schritt zum besseren Verständnis sein. Bis dahin wird man die türkischen Medien weiterhin mal als „giftige Gazetten“ bezeichnen, mal wird man ihnen vorwerfen, dass sie mehr Störenfried als Integrationslotsen seien und ihre Leser in ein Ghetto führten, statt in die Gesellschaft. Man wird weiterhin über eine Negativierung der Kultur der muslimischen Migranten zu deren Überwindung und somit zur „Integration“ beizutragen hoffen. Solange wird man von Integration reden, aber Segregation produzieren. Auch an der gegenwärtigen Abneigung der türkischen und deutschen Medien wird sich bis dahin wohl nichts verändern.

Dieser Artikel erschien 2008 in der Zeitschrift „Zukunft“.