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Gesellschaft

Deutscher Dialogpreis beweist: Deutschland verändert sich

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Der aus 14 Institutionen gegründete „Bund Deutscher Dialog Institutionen“ (BDDI) hat im AXICA-Kongresszentrum in traditionsreichem Ambiente mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit dem Dialogpreis ausgezeichnet. (Foto: Kemal Kurt)

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Deutscher Dialogpreis-Gewinner - Kemal Kurt
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Der erste Deutsche Dialogpreis wurde vom Bund Deutscher Dialog Institutionen (BDDI) ins Leben gerufen. Der Preis ehrt das außerordentliche Engagement herausragender Persönlichkeiten und Institutionen in den Bereichen des interreligiösen Dialoges und der interkulturellen Verständigung. Zu den Nominierten zählen Persönlichkeiten aus den Bereichen Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft.

Die ersten Preisträger stehen mittlerweile fest und wurden am vergangenen Donnerstag in Berlin geehrt. Es sind Prof. Dr. Karl-Josef Kuschel, Akademischer Direktor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialoges an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen; der Holocaust-Überlebende und Gründungsstifter des Stuttgarter Lehrhauses, Meinhardt Tenné; der Schriftsteller Feridun Zaimoğlu; die Staatsministerin Cornelia Pieper und als Institution der Interkulturelle Rat in Deutschland.

Partizipation und Dialog statt „Integration“

Bis jetzt war es so, dass nur Mitbürgern nichtdeutscher Herkunft der Integrationspreis verliehen wurde. Man geht also davon aus, dass Menschen, die außen stehen, sich in die schon existierende andere Gruppe integrieren müssen. Also setzt dieses Konzept der Eingliederung die Exklusion und die Segregation von Menschen anderer Kulturen oder Religionen voraus.

Als jemand, der hier in Deutschland geboren wurde und aufgewachsen ist, habe ich mir immer die Frage gestellt, wann ich überhaupt offiziell „integriert“ war oder wurde. Wann war die Integration zu Ende? Wer hat entschieden, dass ich nun integriert war? Hat sich optisch an mir etwas verändert? Wer darf überhaupt urteilen, dass ich integriert sein darf oder bin? Müssen sich vielleicht Spanier und Franzosen weniger integrieren als Russen oder Albaner? Integriert man sich in Bayern anders als in Sachsen? Sollte sich der Schwabe in Berlin nicht integrieren müssen? Egal welche Fragen hier gestellt werden, möchte ich hervorheben, dass die Begriffe „Integration“, „Migrationshintergrund“, „Gastarbeiter“ usw. sich sehr negativ anhören und eher ausschließen, diskriminieren und die Partizipation kaum fördern.

Ja, Deutschland verändert sich …und diese Veränderung wird mit allen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen, Sprachen u.a. gestaltet. Dieses Potenzial kann genutzt werden, um Deutschland gemeinsam zu gestalten. Der BDDI hat sich zum Ziel gesetzt, diese genutzten Potenziale anzupreisen, auszuzeichnen und den Dialog zu fördern. Um dieses Konzept adäquat umzusetzen, benötigen wir heute Wörter wie Toleranz, Anerkennung, Vertrauen, Zusammenarbeit, Freundschaft und Begegnung.

Historischer Ort – aktuelles Thema

Da ich nicht aus Berlin bin, habe ich bis kurz vor Schluss noch überlegt, ob ich die Einladung zu dieser Veranstaltung wahrnehmen soll. Relativ kurzfristig habe ich mich doch dazu entschlossen, sie zu besuchen. Die Veranstaltung fand an einem Ort statt, wo deutsche Geschichte geradezu gefühlt werden kann. Das AXICA Kongress- und Tagungszentrum befindet sich auf dem Pariser Platz, wo das Brandenburger Tor steht, rechts vom AXICA liegt die US-Botschaft und links das berühmte Hotel Adlon. Wenn man die Augen schließt, dann kann man die wichtigsten Ereignisse deutscher Geschichte dort Revue passieren lassen.

Exakt an diesem Ort wurde nun besonderen Persönlichkeiten der Dialog-Preis verliehen und das von Institutionen, die von Bürgern nichtdeutscher Herkunft gegründet wurden und geführt werden. Es geht also hier nicht mal mehr um einen Dialog oder sogar „Trialog“ oder auch „Multilog“. Das Gebäude und die ganze Atmosphäre passten sehr gut zum Anlass des Abends.

„Vielfalt und Veränderungen sind Geschenke des Lebens“

Die Veranstaltung war gut besucht und die Gespräche vor dem Beginn und nach der Vergabe der Preise waren sehr erkenntnisreich. Durch den Abend führte der sympathische Autor und Journalist Meinhard Schmid-Degenhard. Degenhard wiederholte häufig die Aussage, dass sich Deutschland verändere und betonte, dass Vielfalt und Veränderungen Geschenke des Lebens sind.

Die musikalische Darbietung durch das „Trio Croche“ unterstützte den Abend mit einfühlsamer, angenehmer und beruhigender Musik, welche ihre Funktion, als allen Menschen gemeinsames und zugängliches Kulturgut diese zu verbinden, in bewegender Weise nachkam. Der Geschäftsführer des FID e.V., Cebrail Terlemez, betonte die Notwendigkeit von Dialog und verlangte noch mehr Engagement von den Einzelnen.

Der Holocaust-Überlebende Meinhard Tanné, der den Preis für sein Lebenswerk leider nicht persönlich entgegennehmen konnte, gab in einer Grußbotschaft der Hoffnung Ausdruck, dass Dialog und Trialog Normalität werden. Karl-Josef Kuschel, der als „theologischer Querdenker“ vorgestellt wurde und für den der Dialog wiederum ein Lebenselixier ist, freute sich, dass der Schritt zum Dialog in Deutschland nun auch von muslimischer Seite vollzogen wird.

Der Literat Feridun Zaimoğlu, dessen Literatur meist subversiv ist, aber auch erotische oder kriminelle Themen behandelt, betrachtet sich selbst als einen deutschen Schriftsteller. Zur Religion äußerte er sich wie folgt: „Ich bin nicht religiös, ich bin gläubig; gläubig wie ein Kind“.

„Gegen Intoleranz und gegen Rassismus helfen klare Worte und deutliche Zeichen“, äußerte sich wiederum Theologe Jürgen Micksch an diesem Abend. Staatsministerin Cornelia Pieper hat es sich nach eigenen Angaben wiederum zum Ziel gesetzt, den Dialog der Religionen zu fördern.

Genau diese Atmosphäre, dieser historische Ort, solche vorbildlichen Menschen und diese motivierenden Worte sind notwendig, um das Leben in Deutschland gemeinsam schöner, friedlicher und fortschrittlicher zu gestalten. Die Potenziale dieser Vielfalt würden exakt einer solchen Veränderung in Deutschland und damit dem Land und den Menschen gut tun.

Wann hat der BDDI sein Ziel erreicht?

Der BDDI hat die Veränderung in Deutschland wahrgenommen und reagiert. Er hat erkannt, dass die deutsche Gesellschaft sich heute und auch früher aus Menschen unterschiedlicher ethnischer, kultureller und religiöser Zugehörigkeit zusammensetzt. Genau diese neue Vielfalt sieht er als Potenzial, um durch Partizipation der einzelnen Individuen und Gruppen zu einem friedlichen Zusammenleben beizutragen. Dazu sind dem BDDI zufolge ein gesamtgesellschaftlicher Dialog und die Begegnung notwendig. Der Dialogpreis war ein erster und wichtiger Schritt. Ich hoffe, dass er in den nächsten Jahren weiter verliehen wird, so lange, bis der Dialog in Deutschland als etwas Normales angesehen wird.

Denn Deutschland wird sich auch in Zukunft immer wieder neu verändern.