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Wirtschaft

Deutschland bräuchte jährlich 500.000 Neuzugänge

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Experten zufolge wäre langfristig pro Jahr eine jährliche Nettozuwanderung von 533 000 Menschen erforderlich, um die Lücke zu füllen, die durch Überalterung und Kinderarmut auf dem Arbeitsmarkt entsteht. (Foto: dpa)

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Die europäische Moderne stellt auch die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine kinderlose Beziehung. Und wenn, will man nur ein oder zwei. 2012 lag die Geburtenrate in Deutschland bei 1,38 Geburten pro Elternpaar. Um die gegenwärtige Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten, müsste diese Rate im Durchschnitt pro Elternpaar aber bei mindestens 2,1 liegen. „Eine Geburtenziffer unter diesem sogenannten Bestandserhaltungsniveau führt zu einer sinkenden und alternden Bevölkerung“, so das Statistische Bundesamt.

Dass diese Entwicklung nicht spurlos an der Wirtschaft eines Landes vorbeigeht, zeigt sich nun von Jahr zu Jahr stärker. Denn wenn die Zahl der Erwerbsfähigen in so drastischer Weise zurückgeht wie dies künftig der Fall wäre – und ohne Einwanderung würde sie um mehr als ein Drittel zurückgehen -, dann könnte dies gravierende Folgen für das gesellschaftliche Gefüge in Deutschland insgesamt nach sich ziehen.

Mit einer Nettozuwanderung von lediglich 100 000 pro Jahr würden sich vor allem die Engpässe im Bereich der Fachkräfte verschärfen und Deutschland hätte massive Wachstumseinbußen und Probleme im Staatshaushalt zu befürchten.

Wie Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Coburg im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ermittelt haben, wäre langfristig pro Jahr eine jährliche Nettozuwanderung von 533 000 Menschen erforderlich, um die Lücke zu füllen, die durch Überalterung und Kinderarmut auf dem Arbeitsmarkt entsteht. Im Jahr 2014 lag sie immerhin bei 470 000. Betrachtet man jedoch den Schnitt der letzten 60 Jahre, wanderten nur 200 000 Menschen mehr nach Deutschland ein als aus Deutschland auswanderten.

Ohne Zuwanderung würde die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter von heute rund 45 Millionen auf 29 Millionen im Jahr 2050 sinken. Gleichzeitig würden die letzten geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen und dafür sorgen, dass sich das Verhältnis zwischen Erwerbsbevölkerung und Rentenempfängern weiter zu Ungunsten der Erwerbstätigen verschiebt.

Die Einwanderung in Deutschland ist derzeit vor allem auch deshalb verhältnismäßig hoch, weil es für zahlreiche Menschen aus den europäischen Krisenstaaten derzeit als attraktiv erscheint, den Weg nach Deutschland zu suchen. Allein 300 000 Einwanderer kamen 2013 aus anderen EU-Staaten. Sobald sich jedoch eine Verbesserung der Bedingungen in den derzeit krisengeschüttelten Gebieten Europas abzeichnet, würde dieser Trend abebben.

Auch steht Deutschland nicht konkurrenzlos da: Auch Länder wie die USA, Kanada oder Großbritannien erweisen sich als Anziehungspunkte für Einwanderer, vor allem für hoch qualifizierte. Zudem wanderten im Vorjahr erstmals mehr Menschen aus Deutschland in die Türkei aus als umgekehrt. Diese Trendwende könnte sich fortsetzen, da sich die Türkei auf anhaltend solidem Wachstumskurs befindet und gerade für die immer größer werdende Schicht gut ausgebildeter türkischer Einwandererkinder in Deutschland auch eine Rückkehr in die frühere Heimat der Eltern und Großeltern als attraktive Option erscheint, die gute Karrierechancen bietet.

Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit Deutschland als Einwanderungsland auch für Drittstaatler attraktiver wird“, äußert sich Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, gegenüber der Wirtschaftswoche. Es brauche ein verständliches Einwanderungsgesetz, das deutlich mache, dass qualifizierte Zuwanderer in Deutschland nicht nur erlaubt, sondern erwünscht seien. Ein solches Gesetz müsse Einwanderern vor allem auch Perspektiven für langfristigen Aufenthalt und zügigere Einwanderung bieten.