Kolumnen
Deutschland ein heißes Pflaster für türkische Politiker
Die Störaktion der TGB während der Rede von Bülent Arınç in der KAS hat erneut die Frage aufgeworfen, wie sicher Deutschland für türkische Politiker ist. (Foto: zaman)
Offiziell läuft alles wunderbar zwischen Deutschland und der Türkei. Beide Länder sind befreundet, Nato-Verbündete, haben ein großes Handelsvolumen. Die drei Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland stellen ein verbindendes Element zwischen den beiden Ländern dar.
Aber inoffiziell, im realen Leben, da sieht es etwas anders aus. Nicht nur was die vielbeklagten Integrationsprobleme angeht; Terrorbekämpfung, NSU und EU-Mitgliedschaft sind strittige Themen, um nur einige zu nennen. Hinzu kommt die Sicherheit von türkischen Politikern auf deutschem Boden. Für türkische Politiker ist Deutschland zu einem heißen Pflaster geworden. Sie können Deutschland kaum besuchen, ohne dass es zu Protesten oder Zwischenfällen kommt.
Fast jeder Deutschlandbesuch des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdoğan (m.) wird von Protesten begleitet. Staatspräsident Abdullah Gül (l.) konnte 2011 in der Humboldtuniversität keine Rede halten, weil es einen Bombenalarm gab. Dieser Reihe schloss sich nun ein neues prominentes Kapitel an: Der Fall des stellvertretenden Ministerpräsidenten der Türkei, Bülent Arınç (r.).
Arınç, der in der in dieser Woche in Berlin war, hielt in der Zentrale der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Rede. Die Veranstaltung war sehr gut besucht, um nicht zu sagen überfüllt, Bülent Arınç ein sehr guter Redner. Die Themen waren sehr interessant. Gesprochen wurde auch über den Vorwurf der mangelnden Pressefreiheit und das PKK-Problem.
Beste Voraussetzungen also für einen informativen Abend. Aber die Veranstaltung wurde überschattet von einer Störaktion einer radikalen und sehr wütenden Gruppe, die sich gleich nach der Rede von Arınç unaufgefordert zu Wort meldete.
Es handelte sich um einen Diskussionsabend, doch diese militante Gruppe war nicht des Diskutierens willen gekommen. Sie hielt Transparente mit dem inhaftierten Doğu Perinçek hoch, Vorsitzender der maoistischen und extrem linksnationalistisch ausgerichteten Arbeiterpartei in der Türkei. Ihm wird zurzeit der Prozess gemacht, weil er aktiv an Putschplanungen beteiligt gewesen sein soll.
Die TGB-Aktivisten forderten unter anderem die Freilassung von İlker Basbuğ, dem ehemaligen Generalstabschef der Türkei, sowie Engin Alan, dem General und Abgeordneten, der während der U-Haft von der rechtspopulistischen MHP (Milliyetci Hareket Partisi) auf die Kandidatenliste gesetzt wurde. Beide sind wegen Putschplanung gegen die demokratisch gewählte Regierung angeklagt und müssen vor Gericht Rechenschaft ablegen. So wie es sich in einer Demokratie gehört. Mit Pressefreiheit, wie Meldungen einiger Nachrichtenportale suggerierten, hatte ihre Aktion nichts zu tun.
Sie schimpften, sie drohten, sie ließen ihrer großen Wut und ihrem Hass freien Lauf. Und gingen dann, ohne sich einer Diskussion zu stellen. Eine solche Ansammlung von Wut sieht man nicht alle Tage. Viele im Raum dürften geschockt gewesen sein und das Schlimmste befürchtet haben. Denn die militante Gruppe steht in der Tradition des „Ittihad und Terakki“, die für ihre „Fedais“ (Terroreinheiten, die Gewalt ausüben), bekannt war.
Es entstand der Eindruck, die Aktion der TGB sei Teil der Veranstaltung
Hier sind einige Fragen berechtigt. Bei den Protesten gegen Erdoğan kann man noch sagen, dass Deutschland ein demokratisches Land ist, jeder demonstrieren und protestieren kann, sofern er seine Demonstration vorher bei den Behörden angemeldet hat. Bei Gül stellte sich die Frage, ob die deutschen Sicherheitskräfte professionell agiert haben.
Und bei Bülent Arınç? Es war doch eine geschlossene Veranstaltung der KAS-Stiftung. Kontrolliert denn niemand, wer mit welchem Material an der Veranstaltung teilnimmt? Was, wenn einer der Aktivist mit einer Waffe auf Arınç geschossen hätte, was nicht auszuschließen ist?
Die TGB-Aktivisten konnten nach ihrem Protest im Eingangsbereich noch in Ruhe Erinnerungsfotos machen und eine Pressekonferenz abhalten, während Arınç im Saal über aktuelle Reformbemühungen der Regierung referierte.
War das nicht Hausfriedensbruch? Wird die KAS Anzeige erstatten? All das wird die Öffentlichkeit nicht erfahren. Bei einigen Besuchern entstand der Eindruck, die Aktion der TGB sei ein Teil des offiziellen Programms gewesen.
Falls es ein demokratisches Recht ist, türkischen Politikern bei einer geschlossenen Veranstaltung in Deutschland das Leben schwer zu machen, dann darf man sich auch nicht wundern, dass deutsche Soldaten in Iskenderun angegriffen werden. Eben von derselben antiwestlichen militanten Gruppe: Der TGB!
Gewalt und Fanatismus kennen eben keine Grenzen.