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Kolumnen

Deutschland gedenkt der Machtergreifung Hitlers – warum eigentlich?

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Deutschland gedenkt der Machtergreifung Hitlers vor 80 Jahren. Das Vermächtnis der braunen Ära scheint eindeutig zu sein: Nie wieder Ausgrenzung, nie wieder Herumtrampeln auf Minderheiten. Doch nicht alle scheinen das so zu sehen. (Foto: epa)

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Deutschland gedenkt der Machtergreifung Hitlers – warum eigentlich?
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Vor 80 Jahren kam Adolf Hitler in Deutschland an die Macht. Ein glücklicher Moment für ihn, ein Unglücksmoment für Deutschland. Hitler hat nicht nur am Ende seinen eigenen Tod herbeigeführt, nein, er hat auch Deutschland und seinem Volk in der Mitte Europas schwer geschadet. Viele Deutsche hatten bis dahin die Geschichte maßgeblich beeinflusst, einige zum Positiven, einige zum Negativen. Um einige zu nennen: Martin Luther (Religion), Johannes Gutenberg (Medientechnik), Immanuel Kant (Philosophie), Carl Benz (Technik), Karl Marx (Politik/Ideologie).

Sie alle und viele andere haben die Welt auf ihre Weise und in ihren jeweiligen Wirkungsbereichen revolutioniert. Der eine erfand den Protestantismus, der andere die Drucktechnik, wieder der andere das Auto. Auch auf den ersten Blick kleine Dinge wie die Erfindung des Aspirins, das seitdem wahrscheinlich Hunderte Millionen von Menschen von ihren Schmerzen befreite, kamen aus Deutschland. Aber erst Hitler hat, nachdem bis 1933 beispielsweise auch Nobelpreise am laufenden Band nach Deutschland gegangen waren, den Namen dieses Volkes mit der schweren Schuld des Völkermordes besudelt.

Nun erinnert sich Deutschland an den 80. Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, an jenem 30. Januar 1933. Alleine für Berlin wird die Zahl der Veranstaltungen zum Thema mit über 400 angegeben. Die Erinnerung an Hitler, das Motto „Nie wieder“ ist zentral für das heutige deutsche Selbstverständnis. Ja, man kann sogar sagen, die deutsche Demokratie und das Grundgesetz beruhen wesentlich auf den Erkenntnissen, die man aus den unglücklichen Erfahrungen der Hitler-Zeit gewonnen hatte. Heute ist beispielsweise in Deutschland Antisemitismus geächtet – zu Recht.

Gewiss, es gibt immer noch Antisemitismus. Bei etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind nach wie vor mehr oder minder antisemitische Einstellungen festzustellen. Wachsamkeit ist also weiterhin vonnöten. Aber mittlerweile hat sich auch die deutsche Gesellschaft in der Nach-Hitler-Ära verändert, unter anderem ist ein nicht unerheblicher muslimischer Bevölkerungsanteil hinzugekommen. Gleichzeitig stellen wir in der Gesellschaft antimuslimische Einstellungen fest, die antisemitische noch weit übertreffen. Ferner gibt es – ob berechtigt oder nicht – Überfremdungsängste. Aber hier tut man sich erstaunlich schwer, ihnen zu begegnen.

Das Böse kommt wieder – aber nicht als Reinkarnation Hitlers

Mehr noch! Es gibt Autoren, die jedwede Sensibilität vermissen lassen, sobald es um das Thema „Muslime“ geht. Einer von ihnen zum Beispiel, der das Spiel mit Worten sehr gut beherrscht, ist sich beispielsweise nicht zu schade, in seinem Buch mit dem Titel „Kritik der reinen Toleranz” über Muslime so etwas von sich geben: „Man muss schon sehr wirklichkeitsresistent sein, um den Umstand zu übersehen, dass überzeugte Muslime eine sehr eigene Art der Friedfertigkeit im Umgang mit Ungläubigen und anderen Muslimen praktizieren“ (Seite 63). Dann führt er als Beleg für diese abenteuerliche These verschiedene Artikel und Titel aus Zeitungen an, als ob man mit selektiver Auswahl aus Zeitungen nicht selbst die abstruseste Idee belegen könnte.

Man muss sich das mal bewusst machen: Da behauptet jemand, der eigentlich, was Vorurteile gegen Minderheitengruppen in Deutschland anbelangt, ein gewisses Gespür haben müsste und zweifellos auch hat, Muslime würden gewalttätig gegenüber Andersdenkenden werden, sobald sie sich mit ihrer Religion auseinandersetzen und diese ernst nehmen würden. Da fehlt anscheinend jemandem selbst ein Mindestmaß an Empathiefähigkeit und Gerechtigkeitsgefühl, von dem man eigentlich annehmen sollte, es müsste zu jedermanns guter Kinderstube gehören. Angesichts einer solchen Haltung ist man allerdings auch geneigt, zu fragen: Welchen Sinn hat eigentlich Erinnerung, welchen Sinn hat Geschichte?

Denn: Dass Hitler böse gehandelt hat, steht außer Zweifel. Dass nach ihm auch weiterhin das Böse auf der Welt existiert und jederzeit wiederkommen kann, ebenfalls. Aber die Vorstellung, dass es wieder in der gleichen Form, gleichsam als Reinkarnation Hitlers kommen würde, ist absurd. Wir sollten nicht erwarten, dass Geschichte sich in der gleichen Form wiederholt. Geschichte sollte uns vielmehr gegenüber bestimmten Praktiken sensibel machen. Die Lehren aus Hitler sollten uns für eine menschlichere, humanere Gesellschaft eintreten lassen. Bei einigen ist anscheinend schon das zu viel verlangt. Die Moralentwicklung ist bei solchen Leuten in einem sehr frühen Stadium, im Stadium der egoistischen Phase, stehengeblieben.