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Kolumnen

Deutschland: Hin- und hergerissen zwischen Frankreich und Großbritannien

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Europa hat in den letzten Tagen stürmische Zeiten erlebt, und das wegen eines kleinen Mitgliedslandes mit geringer Wirtschaftskraft. Angesichts der Krisen, die es um die EU herum gibt, fragt man sich, wie groß die Belastungsfähigkeit der Europäer tatsächlich ist. Denn in Wirklichkeit ist es in Brüssel nicht nur um Griechenland gegangen, sondern auch um das deutsch-französische Tandem, das weiterhin als vital für die Gemeinschaft angesehen wird. Und wenn man ehrlich ist, muss man zu dem Befund kommen, dass die Deutschen und die Franzosen bei dem Verhandlungspoker lange Zeit in gegensätzliche Richtungen gefahren sind.

Stärker denn je ist deutlich geworden, dass es eine Allianz von „nordischen“ Staaten gibt, die von Deutschland angeführt wird und eine Interessengemeinschaft der Mittelmeeranrainer. Frankreich liegt zu zwei Dritteln in deutlicher Entfernung zum Mittelmeer. Dennoch fühlen sich die Franzosen in Wirtschafts- und Haushaltsfragen ihren Nachbarn im Süden – und damit auch Griechenland – stärker verbunden als dem Norden. Der ist in ihrer Sicht zu protestantisch, zu nüchtern, und er setzt auf Haushaltsdisziplin, auf Sparen, um aus den roten Zahlen herauszukommen. Das griechische Drama wird weitergehen, oder wie es ein Wirtschaftsexperte formulierte: „Wie in einem guten Krimi kehren die Gespenster am Ende wieder zurück“.

Ändern wird sich an der griechischen Misere wenig

Die EU kann beschließen, soviel sie will, griechische Regierungen können die Auflagen der Partner im Parlament absegnen lassen – ändern wird sich an der griechischen Misere nur wenig. Denn die Mentalität eines Landes lässt sich – wenn überhaupt – nur langfristig umbauen. Hier hat Westeuropa in den zurückliegenden Jahrzehnten viel versäumt. Man hätte auf intelligente Weise Griechenland noch einmal in die Demokratieschule schicken sollen, deren Besuch die Griechen immer wieder unterbrochen haben, ohne dass die Menschen viel davon bemerkt hätten. Mit den Deutschen hat man es nach 1945 getan. Vielleicht hat der grassierende Anti-Amerikanismus im Lande damit etwas zu tun oder auch zu tun.

Eine brutale Verhandlungsführung ist der Bundesregierung nicht vorzuwerfen. Wenn es einen wirklichen Europäer im Kabinett gibt – vielleicht den letzten – dann ist es Wolfgang Schäuble. Der Politiker wuchs an der deutsch-französischen Grenze auf, er sieht die deutsch-französische Zusammenarbeit als Lebensaufgabe. Die Franzosen wissen es, die Bevölkerung hat Vertrauen in die Deutschen, auch in die deutsche Verhandlungsführung in Brüssel, wie Umfragen im Nachbarland zeigen.

Gespielt, geblufft, getrickst

Aber Frankreich ist angesichts seiner wirtschaftlichen Schwäche und seiner innenpolitischen Blockaden ein unberechenbarer Partner. Bei den Verhandlungen in der belgischen Hauptstadt haben die Franzosen weniger an die Griechen als an sich selbst gedacht. Das mussten Merkel und Schäuble in Brüssel wieder einmal zur Kenntnis nehmen. Es war leider nicht das erste Mal. Der (Schicksals)- Partner hat über Bande gespielt, er hat geblufft und getrickst. Französische Beamte und Experten haben an griechischen Texten mitgewirkt, ohne dass die Bundesregierung davon wusste. So gesehen, zielte Merkels Bemerkung über verloren gegangenes Vertrauen auch auf Präsident Hollande und seinen Finanzminister!

Beim Krisenmanagement mit Griechenland haben die Westeuropäer am Ende somit nur mit sehr viel Einsatz von Geld Zeit gekauft, die es nun zu nutzen gilt. Wenn sie genutzt wird, hatte die Krise auch ihre positiven Seiten. Aber die Zeit läuft davon, der EU bleiben nur noch wenige Jahre, um sich auf anhaltend stürmische Zeiten in der Weltpolitik vorzubereiten. Jetzt muss die Vertiefung der politischen Zusammenarbeit kommen – wann denn sonst!

Da sich an der französischen „Schwäche“ wenig ändern wird – die Dynamik der deutschen Wirtschaft ist ungebrochen, Frankreich fällt weiter zurück – kann für die Balance im Spiel nur Großbritannien sorgen. Berlin muss alles dafür tun, London in der EU zu halten. Denn die Briten haben noch klarere Vorstellungen über den Umgang mit Steuergeldern als die Deutschen, oder anders formuliert: sie sind die Wächter darüber, dass die europäische Subventionspolitik nicht uferlos wird. Ohne die Briten als Mitglied der Gemeinschaft der Europäer wird sich die Waage über kurz oder lang zugunsten des Mittelmeeres neigen.