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Gesellschaft

„Säuberungswelle“ erreicht DITIB-Imame: „Rückkehr wäre Selbstmord“

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Die AKP-Regierung hat seit dem gescheiterten Putsch von 15. Juli 2016 über 100 000 Beamte entlassen, suspendiert oder Haftbefehl gegen sie erlassen. Nun erreicht die „Säuberungswelle“ auch den mit 900 Gemeinden größten türkischen Religionsverband DITIB in Deutschland. Für den Verband arbeiten ca. 1000 Religionsbeauftragte, die vom staatlichen Religionsamt Diyanet für fünf Jahre entsendet werden. Wie DTJ erfuhr, sollen über ein Viertel von ihnen nun aber ein Schreiben vom zuständigen Attaché für Religion erhalten haben, wonach ihre Tätigkeit in Deutschland mit sofortiger Wirkung beendet sei und sie ohne Zeitverzug in die Türkei zurückkehren sollen. Und das obwohl ihre Dienstzeit noch nicht abgelaufen ist.

In dem Schreiben, welches im Namen des Diyanet-Präsidenten Mehmet Görmez unterzeichnet ist und auf einen Beschluss des gemeinsamen Kulturrates des türkischen Kabinetts vom 11. August 2016 verweist, heißt es: „Mit dem Datum von …. ist die Tätigkeit von …. in dem Zuständigkeitsbereich des Religionsatachés ….. beendet und soll unverzüglich veranlasst werden, in die Türkei zurückzukehren. Es wird angeordnet, die Mitteilung, die Empfangsbestätigung, den Namen des Religionsbeauftragten, das Datum der Beendigung der Tätigkeit (in Deutschland, Anm. der Redaktion) und die Aufnahme der neuen Tätigkeit (in der Türkei, Anm. d. Red.) an unser Amt und an den zuständigen Gouverneur weiterzuleiten.“

Warum die Imame zurückbeordert werden, bleibt unklar. Einzig die Tatsache, dass sie sich nicht politisieren und vereinnahmen ließen, könnte ihnen zum Verhängnis geworden. Die betroffenen Imame schließen auch eine Verbindung zur Bewegung von Fethullah Gülen aus, den die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht. Die AKP führt eine selbst so bezeichnete Hexenjagd gegen alle, bei denen sie eine Nähe zur Bewegung vermutet. Seit dem 15. Juli wurden über 3000 Einrichtungen der Bewegung, zu denen Medienhäuser, Schulen, Stiftungen, Universitäten und Verlage zählen, zerschlagen oder zwangsenteignet, meist ohne Gerichtsbeschluss.

Die betroffenen Imame rechnen bei einer eventuellen Einreise in die Türkei mit ihrer Inhaftierung. Aus dem Schreiben geht nicht hervor, wieso sie sofort ihre Tätigkeit in Deutschland beenden und in die Türkei zurückkehren sollen. Ein betroffener Religionsbeauftragter sagt zu dem Schreiben: „Wir sind mit den Möglichkeiten unseres Staates ausgebildet worden, hegen nicht den kleinsten falschen Gedanken über unseren Staat. Das ist unmöglich. Die Vaterlandsliebe des einen ist nicht größer oder kleiner als die eines anderen von uns. Aber die rechtsstaatliche Lage der Türkei ist allen bekannt und es gibt keine freie Justiz. Eine Rückkehr unter diesen Umständen wäre Selbstmord.“

Seitdem die Religionsbeauftragten das Schreiben erhalten haben, steige auch der Druck seitens des Konsulats, wie ein anderer Imam berichtet: „Das Konsulat ruft regelmäßig an und fordert uns auf, zurückzukehren. Wenn sie damit keinen Erfolg haben, werden wir zum Konsulat eingeladen. Dort werden dann unsere Pässe für ungültig erklärt und neue, zeitlich begrenzte Pässe ausgestellt. Auf dem neuen Pass ist aber die Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr eingetragen. Wir werden somit gezwungen in die Türkei zurückzukehren.“

DITIB, deren Religionsbeauftragte von der Türkei bezahlt werden, steht seit dem gescheiterten Putsch wegen ihrer starken Bindung an die Türkei und dafür, dass sie sich von der AKP-Regierung politisch einspannen lässt, stark unter Druck. Viele Landesregierungen haben die Verhandlungen mit dem Verband über den islamischen Religionsunterricht vorerst ausgesetzt und haben erneut Gutachter beauftragt, die feststellen sollen, wie groß der Einfluss von Ankara auf sie ist. DITIB selbst sieht sich als eine „deutsche“ Religionsgemeinschaft und streitet alle Vorwürfe ab.