Connect with us

Gesellschaft

Deutschland sucht den Super-Imam

Spread the love

Deutschland diskutiert wieder über Imame, über deren Sprache. Man tut so, als seien sie Supermänner, die sämtliche Probleme der Integration lösen könnten. Dabei sind sie auch nur Menschen, die Hilfe brauchen. (Foto: dpa)

Published

on

Der Imam Talha Dogan steht am 06.02.2015 in die Eyüp-Sultan-Moschee in Nürnberg (Bayern). In die Moschee in der Nürnberger Südstadt - die größte Moschee in Bayern - kommen jeden Freitag bis zu 2500 gläubige Muslime zum Beten und zum Diskutieren.
Spread the love

MEINUNG Neulich beim Freitagsgebet:

Wir betreten den Gebetsraum, ein junger Imam sitzt in der Kanzel und predigt. Das Thema: Beziehung zwischen Eheleuten, Ehe-Probleme und Ratschläge, wie sie zu überwinden seien.

Vom Thema her eigentlich in Ordnung, so mein erster Gedanke. Eheprobleme gibt es immer und ein paar besänftigende Worte in der Moschee können nicht verkehrt sein.

Was dann auffällt: Der Imam liest seine Predigt mehr oder weniger ab. Wahrscheinlich auch mit gutem Grund, denn er ist an die 20 Jahre alt, ist wahrscheinlich nicht verheiratet und kennt das Problem, worüber er predigt, nicht aus eigener Erfahrung.

Nun gut, was soll also ein Imam machen, wenn er nicht einen Text vorliest? Aus eigener Erfahrung berichten?

Dass dies nicht unbedingt die beste Lösung ist, habe ich viele Male auch erlebt. Ich habe Imame gehört, die über Belangloses geredet haben, beispielsweise über die Entfernung von Körperhaaren, wo man sich fragte, muss das jetzt sein? Die Morgenländer im Abendland dürften andere Probleme haben als die Zukunft von ein paar Haaren unter den Achseln.

Ja, wir haben ein Imam-Problem

Die Imame sind wieder ein Thema, seitdem Österreich mit dem neuen Islamgesetz sogenannte „Import-Imame“ aus dem Ausland verbieten will. Auch in Deutschland diskutiert man über das Thema. Dafür hat der Bundestagspräsident Norbert Lammert gesorgt, als er forderte, die Imame sollten Deutsch sprechen. Liegt er richtig?

Bei dieser Problematik sind zwei Feststellungen vonnöten:

Erstens: Ja, wir haben ein Imam-Problem. Zweitens: Schuld sind aber nicht die Imame. In der Tat, viele Imame sprechen nicht gut deutsch. Viele lesen ihre Predigten ab, erwecken den Eindruck, müssten sie frei über ihr Thema sprechen, hätten sie nicht viel zu sagen. Sie erreichen möglicherweise die Jugendlichen nicht. Bei manchen von ihnen vermisst man eine Minimal-Vorbereitung auf die Predigt, hat den Verdacht, sie sprechen über Themen, die ihnen zufällig in den Sinn kommen. Wiederum bei vielen hat man den Eindruck, sie tragen auswendig Gelerntes vor. Dabei wünschte man sich, Imame würden auf die konkreten Probleme vor Ort eingehen, ihr Wissen dabei anwenden.

Nicht alles auf die Imame schieben

Also: Vieles von dem, was über Imame gesagt wird, kann man nachvollziehen. Man sollte aber auch fair sein und nicht alle Probleme auf die Imame abladen. Imame sind nicht die Ablade-Deponie für sämtliche Probleme der Gesellschaft. Letztendlich sind sie auch nur Menschen.

Man weiß von den Imamen, die nicht für den Staat arbeiten, dass sie in keiner rosigen ökonomischen Lage sind. Was erwartet man also von einem Berufsstand, der nicht sonderlich attraktiv ist? Dessen ökonomische Sicherheit zu wünschen übrig lässt? Was erwartet man von Menschen, die möglicherweise nicht vernünftig (aus)gebildet sind, die Diskussionen der Gesellschaft nicht genügend verfolgen können?

Bevor man von einem Berufsstand etwas erwartet, sollte man vorher darin etwas investiert haben. Damit kommen wir zum Problem, wie wir die jüngsten Diskussionen in Österreich und Deutschland einordnen.

Das Islamgesetz in Österreich hat etwas Legitimes. Ein souveräner Staat hat das Recht, sich Gedanken zu machen über das Religions-Personal, das auf seinem Territorium tätig ist. Auch die Forderung des Bundespräsidenten, dass die Imame Deutsch sprechen sollen, hat etwas Legitimes. Trotzdem gibt es Unbehagen.

Deutschsprachige Imame ja, aber als Angebot, nicht als Ersatz

Wenn eine Forderung so verstanden wird, als sei die Herkunftssprache einer Minderheit unerwünscht, dann produziert das Unbehagen.

Stattdessen sollte der Staat bei der vernünftigen Ausbildung und Bezahlung der Imame helfen. Es soll durchaus auch deutschsprachige Imame geben. Imame, die sich jede Woche ihre eigenen Gedanken machen, statt etwas vorher Geschriebenes oder auswendig Gelerntes vortragen. Die Sprache der Imame sollte als Angebot verstanden werden. Warum sollen auch die Imame nicht mehrsprachig werden?

Das Problem der Imame heute ist nicht ihre Sprache, sind nicht türkischsprachige Predigten, sondern eine vernünftige Ausbildung, ökonomische Absicherung. Wir brauchen keine Super-Imame. Es reicht völlig, wenn sie landesüblichen Ausbildungs-Standards genügen.

Deutschsprachige Imame ja, aber nicht als Ersatz oder Konkurrenz zu türkischsprachigen Predigten. In einem freien Land schaden sie keinem, stillen aber Bedürfnisse eines Teils der Bevölkerung.