Wirtschaft
Das deutsche Phänomen: die Unternehmerdynastie
Familie und wirtschaftlicher Erfolg bilden bei ihnen eine untrennbare Einheit: Die großen deutschen Unternehmerdynastien setzen auf effiziente Arbeitsteilung, zielgerichtete Koordination und die Betonung der familiären Identität. (Foto: cihan)
Der Mittelstand stellt Deutschlands treibende Wirtschaftskraft dar, doch was treibt den Mittelstand an? Mit langfristigen Investments sowie guter Familien- und Unternehmensführung stellen die deutschen Unternehmerdynastien bemerkenswert gute Maßstäbe auf.
Mit einem Gesamtvermögen in Höhe von 320 Mrd. Euro im Jahr 2012 tragen Deutschlands reichste Unternehmerfamilien bedeutsam zur bundesrepublikanischen Prosperität bei. Unternehmerfamilien erfüllen nicht die klassischen Assoziationen wirtschaftlichen Handels, zu denen man oftmals gelangen könnte. Bei ihnen geht es nicht um das unternehmerische Engagement von Einzelpersonen, sondern um das koordinierte Handeln mehrerer Mitglieder einer Familie, die sich allesamt unternehmerisch betätigen.
Laut einer aktuellen Studie der Universität St. Gallen, die insbesondere diese sogenannten „Family Business Groups in Deutschland“ analysierte, gehören zu einem Familienunternehmen nicht nur die klassischen Bestandteile einer Familie, also Großeltern, Eltern und Kinder, dazu, sondern auch Nichten, Neffen, Cousins und Cousinen verschiedenen Grades. Oft sind sie alle gleichzeitig an einer sowie gegebenenfalls an weiteren Firmen des Familienunternehmens beteiligt. So sind im Durchschnitt pro Familie knapp acht Personen gegenwärtig unternehmerisch tätig. In der Regel sind mindestens zwei Generationen einer Dynastie gleichzeitig aktiv.
Den Grundstein für die heute prosperierenden Familienunternehmen legte in Deutschland oftmals die Großelterngeneration. Im Durchschnitt begannen die unternehmerischen Aktivitäten der deutschen Familiendynastien um das Jahr 1930 herum. Damit sind sie im Schnitt 80 Jahre alt. Im Vergleich zu Frankreich und Großbritannien sind deutsche Familienunternehmer älter.
Familientreffen als Konzernvorstandstagung
Die Unternehmen der Familienmitglieder müssen laut Studie nicht immer rechtlich miteinander verbunden sein – auch mit den familiären Banden alleine lässt sich ein gutes Geschäft machen. Dass diese Personen sich trotz der teils weiten Verzweigung dennoch als Verwandtschaft wahrnehmen, wird beispielsweise durch wiederkehrende Familientreffen, spezielle Weiterbildungsmaßnahmen für die junge Generation sichergestellt.
Auch gemeinsam getätigte Investments, wo man gerne kleine Beträge zu einem beachtlichen Investitionsvolumen bündelt, sind ein Merkmal funktionierender Familienverbände. Schließlich entstehen nicht nur einseitig ausgerichtete Unternehmen, sondern dank der vielseitigen unternehmerischen Beteiligungen der Familienmitglieder große Konglomerate.
Die Breite des Familienunternehmens ist abhängig von der Anzahl der aktiven Familienmitglieder. Sind viele Familienmitglieder unternehmerisch tätig, dann diversifiziert sich das Familienunternehmen in Bezug auf Branche und Region. Die erfolgreichsten Familiendynastien in Deutschland halten mehr als 50 Unternehmen.
Weit verzweigte Netzwerke
Im Vergleich sind bei der Unternehmerfamilie Quandt sogar 22 Familienmitglieder unternehmerisch tätig. Ihre Angehörigen halten Beteiligungen an 316 Unternehmen. Zu den am schnellsten wachsenden Familiendynastien der letzten Jahre gehören die Familien Jacobs, Herz, Reimann, Kühne und Hopp, die ihre Vermögen von 2001 bis 2012 jeweils um mehr als drei Milliarden Euro steigern konnten. Im Kern sind die deutschen Unternehmerdynastien aber ihrem Ursprungsunternehmen treu geblieben und investieren etwa zwei Drittel ihres Vermögens nach wie vor in dieses.
Doch nicht immer läuft auch immer aller perfekt in einer Familie. In der Periode zwischen 2001 und 2012 schieden 35 Familien aus der Liste der 100 reichsten deutschen Unternehmerdynastien aus. Die Gründe sind unterschiedlicher Natur, meistens sind finanzielle Probleme der entscheidende Grund für den Abstieg, hinter denen die unterschiedlichsten Faktoren stehen können, von unternehmerischen Fehlentscheidungen bis hin zu privaten Zerwürfnissen.
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