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Gesellschaft

Die Burka-Debatte: Das deutsche Jahrhundertproblem

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Kommentar von Zehra Bıyıklı

Als jemand, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, habe ich bis jetzt vielleicht insgesamt eine Frau gesehen, die einen Niqab (einen Gesichtsschleier, bei dem lediglich die Augen noch zu sehen sind) trägt. Was diskutieren die Politiker eigentlich, frage ich mich dieser Tage. Trägt überhaupt irgendeine Frau in Deutschland eine Burka, also ein Kleidungsstück, das der vollständigen Verschleierung des Körpers und der Augen dient? Seit über einem Jahr flackern Bilder und Videos von Flüchtlingen durch die Medien. Hat da irgendjemand eine Frau mit Burka gesehen? Ich nicht. Und haben wir in Deutschland tatsächlich alle Probleme gelöst und wenden uns nun mit aller Kraft diesem Jahrhundertproblem zu? Muss eine Frau jetzt gezwungen werden, beim Schwimmen einen Bikini zu tragen? Woher nimmt sich die Politik das Recht, so tief in das Privatleben einer Frau einzugreifen?

Zuerst zu den Fakten: Der Journalist Fabian Köhler hat recherchiert, wie viele Burka-Trägerinnen es überhaupt in Deutschland gibt und stellt die Frage, ob jemand in in Deutschland schon mal eine Burka-Trägerin gesehen hat. Die Antworten, die er bekommen hat, teilt er in den sozialen Medien mit: „Sehe ich hier in Berlin ziemlich häufig“ und „Bad Godesberg bei Bonn scheint bei Burka-Trägerinnen besonders beliebt zu sein. Ebenso die Münchner Innenstadt und der Berliner Ku’damm – die Shopping-Meilen für reiche Golf-Araber“

Dann wollte er die Sache greifbarer machen und stellte die nächste Frage „Versuchen wir es mal andersherum. These: Es gibt in Deutschland keine einzige Burka-Trägerin. Kann das jemand widerlegen?“

Laut Köhler blieb am Ende Dutzender von Burka-Verdachtsfällen kein einziger bestätigter Fall übrig.

Danach wollte er die Recherche auf dem „traditionell-deutschem“ Weg fortführen und stellte eine Anfrage bei Behörden und Ämtern. Die Antwort auf Amtsdeutsch war: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl von Burka-Trägerinnen in Deutschland vor.“  

Die Schlussfolgerung aus seiner Recherche spricht Bände: „Rechnet man zu den 0 Burka-Trägerinnen noch die vielleicht 300 Frauen, die mittels anderer Schleier wie dem Niqab ihr Gesicht verdecken, bedeutet das: 99,985 Prozent aller Musliminnen in Deutschland zeigen ihr Gesicht. Wenn die Vollverschleierung als Symbol der Frauenunterdrückung herhalten muss, warum feiern wir dann nicht die überwiegende Mehrheit der Musliminnen als gelungenes Beispiel für erfolgreiche Integration und Emanzipation? Warum nehmen wir 0,015 Prozent zum Anlass, um das Klischee der unmündigen und unterdrückten Muslima zu verbreiten?“

Nachdem ich das alles lese und dabei bin, diese Informationen im Schatten der Burka-Debatte zu verarbeiten, frage ich mich: Woher kommt diese Angst und diese Hysterie? Weshalb wird über ein Verbot diskutiert, wenn es doch kaum eine Frau gibt, die von einem Verbot betroffen wäre? Und warum wundert man sich, wenn dann bei Umfragen heraus kommt, dass die Islamophobie zunimmt?

Ich trage aus Überzeugung ein Kopftuch und mache tagtäglich die Erfahrung, was es heißt, mit Blicken ausgegrenzt und diskriminiert, als Arbeitslose und  Zurückgebliebene, als unmündige und unterdrückte Frau betrachtet zu werden. Dafür brauche ich keine Burka-Debatte.