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Gesellschaft

„Die enthemmte Mitte“: Deutschland rückt noch weiter nach rechts

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Wachsender Hass auf Muslime und Sprüche gegenüber Asylbewerbern: Nach dem Ergebnis einer neuen Studie, die heute in Leipzig vorgestellt wurde, wächst aus der Mitte der Gesellschaft inzwischen ein großes antidemokratisches Potenzial, das auch zunehmend zu Gewalt bereit ist.

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Oliver Decker und Elmar Brähler stellen die Studie "Die enthemmte Mitte" vor
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Die Botschaft klingt bedrohlich: Feindschaft und Vorurteile gegenüber Minderheiten wachsen. Auch Teile aus der Mitte der Gesellschaft bekennen sich zu rechtsextremen Einstellungen. Und viele von ihnen werden radikaler und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück. So überschrieben die Leipziger Wissenschaftler ihre am Mittwoch vorgestellte Langzeitstudie denn auch mit dem Titel „Die enthemmte Mitte“.

Seit 2002 untersuchen die Autoren Oliver Decker, Johannes Kiess und Elmar Brähler die politischen Einstellungen eines repräsentativen Teils der Bevölkerung. Dabei schauen sie vor allem auf autoritäre und rechtsextreme Positionen. Für die aktuelle, im Frühjahr durchgeführte Studie wurden 2.420 Menschen im Alter von 14 bis 93 Jahren befragt.

Und die Umfrage belegt, dass viele Rechtsextreme „in der AfD eine neue politische Heimat gefunden haben“, so Brähler. Dieser Partei sei es gelungen, die entsprechende Wählerschaft für sich zu mobilisieren. Rund 34 Prozent der Befragten, die rechtsextreme Einstellungen hätten, wählten danach die AfD. Zum Vergleich: 11,5 Prozent dieser Befragten gaben der CDU ihre Stimme, 15,1 Prozent die SPD und 3,8 Prozent die Grünen.

Ausländerfeindlichkeit stabil, aber Islamophobie weiter auf dem Vormarsch

Dabei lässt ein weiteres Ergebnis der Studie zunächst anderes vermuten: Denn die Ausländerfeindlichkeit insgesamt habe nicht zugenommen, so die Autoren. Es ergebe sich aber ein anderes Bild, wenn nach einzelnen Gruppen wie etwa nach Muslimen gefragt werde. Danach ist die Zahl der „Islamkritiker“ in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. So gab jeder zweite Befragte an, sich durch die Muslime manchmal „wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen“. Vor zwei Jahren waren es nach Langzeitstudie noch 43 Prozent und 2009 etwa 32,3 Prozent.

Rund 41,4 Prozent sprechen sich danach dafür aus, dass Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte. Vor sieben Jahren stimmte dieser Aussage lediglich jeder Fünfte zu. Bei den AfD-Wählern ist die Zustimmung mit 85,9 Prozent am größten, bei den Grünen mit 24,7 Prozent am geringsten.

Auch gegenüber anderen Minderheiten zeigten sich die Befragten deutlich kritischer als in früheren Studien. So stieg die Prozentzahl derjenigen, die Homosexualität für unmoralisch halten, von 15,7 auf 24,8 Prozent. 36,2 Prozent sind laut Studie dafür, dass Ehen zwischen zwei Frauen oder zwei Männern nicht erlaubt sein sollten (2009: 29,4 Prozent). Zugleich belege die Studie, dass es in Teilen der Gesellschaft eine zunehmende Bereitschaft zur Gewalt gebe. Auch gibt es danach mehr Menschen, die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma haben und glauben, dass diese zur Kriminalität neigen (2014: 44,2 Prozent; 2016: 58,5 Prozent).

Teile der Gesellschaft radikalisieren sich zunehmend

Über 80 Prozent der Befragten wollten zudem, dass „der Staat bei der Prüfung von Asylanträgen nicht großzügig“ sein solle. (2009: 25,8 Prozent). Knapp 60 Prozent glauben, dass die meisten Asylbewerber nicht wirklich befürchteten, in ihrem Heimatland verfolgt zu werden. Zugleich belege die Studie, dass die islamkritische Pegida-Bewegung vor allem von denjenigen unterstützt werde, die solche Minderheiten ablehnten und eine rechtsextreme Einstellung hätten. Auch sei zu beobachten, dass Teile der Gesellschaft zunehmend radikaler agiere und auch vor Gewalt nicht zurückschrecke.

Zudem befürworten danach mehr Deutsche als in den Vorjahren eine rechtsautoritäre Diktatur. Die prozentuale Zustimmung bewegt sich aber im einstelligen Bereich. So konnten sich diese Staatsform danach 7,6 Prozent der befragten Ostdeutschen und 4,3 der Westdeutschen vorstellen. Vor zwei Jahren waren es 5,6 Prozent bei den Ost- und 3,1 Prozent bei den Westdeutschen. Nach Angaben der Autoren gab es einen Tiefstwert bei der Zustimmung im Jahr 2012 mit 3,5 Prozent. Bei den AfD-Wählern ist die Präferenz für ein rechtsautoritäres System am größten (8,1 Prozent), dann folgen die Nichtwähler (6,9 Prozent), am geringsten ist sie bei den Grünen (4,5 Prozent).

Und noch etwas zeigt die Studie: So sind es bei den Ostdeutschen eher die Jüngeren, die rechtsextreme Einstellungen haben und auch bereit zu Gewalt seien, während es bei den Westdeutschen eher die Älteren sind. (Birgit Wilke, kna/ dtj)