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Politik

Die Errichtung des Kalifats in der Türkei, gleich neben dem Parlament

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In Ankara hat die radikale Partei Hizb ut-Tahrir ein Massenevent in der Atatürk-Arena veranstaltet. Dabei ging es um nicht weniger als dieAbschaffung der Republik und die Errichtung des Kalifats in der Türkei. Für die Machthaber kein Problem.

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Konferenz der Hizb ut-Tahrir in Ankara
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Die türkische Regierung versucht seit langem erfolglos, die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass die kurdische YPG eine Terrororganisation ist. Gleichzeitig geht sie gegen die vermeintliche „Fethullahistische Terrororganisation“ vor, indem sie Razzien an Schulen und Krankenhäusern durchführen lässt. Dass die Gülen-Bewegung eine Terrororganisation ist, will ihr außerhalb der Türkei – trotz aller Kritik an ihrer Rolle in der Vergangenheit – ebenfalls niemand abnehmen. Der Staatspräsident gibt bekannt, dass er ein Urteil des Verfassungsgerichts nicht respektiert, ausgerechnet weil er die Verfassung schützen will. Das Gericht habe sich gegen die Nation entschieden, weil es für die Rechte zweier Journalisten geurteilt hat. Die hatten Waffenlieferungen der Regierung aufgedeckt, die diese vorher geleugnet hatte – und das zu tun, ist: Terrorismus.

Ankara am letzten Sonntag: 5000 Menschen versammeln sich in der Atatürk-Arena unweit des türkischen Parlaments. Die „Hizb ut-Tahrir“, „Partei der Befreiung“, hat zum Massenevent geladen. Es läuft arabische Musik, hunderte Fahnen werden euphorisch geschwungen, von der Decke hängen Transparente mit arabischer Kalligraphie, Redner werden wie Popstars angekündigt. Titel der Veranstaltung: „Internationale Kalifats-Konferenz“. Und der Name täuscht nicht.

Die Konferenz dreht sich darum, wie und in welcher Form in der Türkei die laizistische Ordnung beseitigt und die „Schande“ der Abschaffung des Kalifats durch Mustafa Kemal rückgängig gemacht werden kann. „Die Ungläubigen, die Feinde des Islams waren, dachten, sie würden den Islam in der Geschichte beerdigen als sie das Kalifat am 3. März 1924 abschafften“, resümiert der Parteifunktionär Mahmut Kar die einschneidende Reform des „Kafir Atatürk“ und lässt keinen Zweifel an seinem Ziel: „Wir rufen es heraus, dass wir das Kalifat wiedererrichten werden, hier, direkt neben dem Parlament!“

Bereits am 3. März hatte die radikal-islamistische Partei in Istanbul eine internationale Konferenz zum selben Thema abgehalten, in einem Hotel nahe des Topkapı-Palastes. Sie hat offensichtlich Geld oder gute Beziehungen. Oder beides. Hervorgegangen ist sie aus der Muslimbruderschaft, bekanntermaßen gute Freunde Tayyip Erdoğans.

Dabei ist sie in fast allen arabischen Ländern verboten, ebenso in Europa. Russland und Kasachstan führen sie als Terrororganisation. In Deutschland wurde sie im Jahr 2003 wegen „aggressiver antisemitischer Hetze und Gewalt propagierenden Aufrufen“ verboten, wie der Verfassungsschutz NRW schreibt. Ihr radikaler Antisemitismus hatte ihr da sogar schon deutsche Freunde eingebracht: Der ehemalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt und der fanatische Holocaustleugner Horst Mahler nahmen 2002 an einer Tagung der Partei teil. Der Hass auf alles Jüdische war ein erster Berührungspunkt, der ein Bündnis zwischen der Befreiungspartei und den Matschköpfen aus den „national befreiten Zonen“ ermöglichen sollte.

Und auch in der Türkei wäre es vor nicht allzu vielen Jahren noch nicht möglich gewesen, dass eine solche Organisation in den Stadtzentren von Istanbul und Ankara Massenevents mit Tausenden von Teilnehmern abhält, dabei lautstark die Abschaffung des „Unheils der Demokratie und des Laizismus“ fordert und Atatürk als Ungläubigen beschimpft. Dass sie das ausgerechnet in der Atatürk-Arena tut, ist nur eine ironische Randnotiz.

Allgemein ist die Veranstaltung kein Einzelfall: Radikalste fundamentalistische, aggressiv antisemitische und rassistische Gruppierungen genießen in den letzten Jahren Freiheiten in der Türkei, von denen gemäßigte Oppositionelle nur träumen können. Während am Taksim-Platz Demonstrationen zum Weltfrauentag erbarmungslos niedergeknüppelt werden, ist es kein Problem, in Sultanahmet die Abschaffung der Republik, die Vernichtung Israels, die Wiedererrichtung des Kalifats zu fordern und Atatürk das Höllenfeuer zu wünschen. So viel zum Thema Schutz der Verfassung.