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Gesellschaft

IFLC: „Die Kinder der Welt haben in Deutschland einen neuen Gastgeber gefunden“

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Teilnehmer des IFLC
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Das Internationale Sprach- und Kulturfestival (IFLC) ist eines der größten internationalen Kulturfeste. Obgleich es seinen Ursprung in der Türkei hat, findet es in diesem Jahr in 40 Ländern statt. Seit 2014 dürfen die „Kinder der Welt“ nicht mehr in der Türkei auftreten. Die AKP-Regierung sieht in ihnen eine politische Bedrohung, weil das Festival von der weltweit aktiven Hizmet-Bewegung getragen wird, gegen die die türkische Regierung laut eigenen Angaben eine sogenannte „Hexenjagd“ führt. So findet die Abschlussveranstaltung dieses Jahr zum dritten Mal in NRW statt.

In den vergangenen Jahren hat sich Deutschland zu einem beliebten Austragungsort entwickelt: Am kommenden Samstag werden die jungen Talente ihre künstlerischen Fähigkeiten vor etwa 10 000 Gästen aus ganz Europa vorführen. Das Deutsch-Türkische Journal sprach mit Uğur Ünal dem Verein Academy e.V., der das Festival in Deutschland organisiert, über die kommende Veranstaltung und darüber, wie sich das Verbot der türkischen Regierung auf das Festival ausgewirkt hat.

DTJ: Herr, Ünal, wie groß ist die Vorfreude und wie hoch der Zuspruch, den Sie erfahren?

Uğur Ünal: Die Vorfreude ist riesig. Die Tickets für das Internationale Sprach- und Kulturfestival (IFLC) sind ja schon seit Wochen ausverkauft. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind nur noch wenige Tage in Vorbereitung. Wir freuen uns natürlich alle auf den 28. Mai und sind gespannt.

Was erwartet die Besucher denn im Vergleich zu vorherigen Jahren?  

Die größte Entwicklung in diesem Jahr ist sicherlich, dass das IFLC in 15 weiteren Ländern durchgeführt wurde. Im letzten Jahr waren es noch 25, dieses Jahr waren wir in ganzen 40 Ländern auf der Bühne. Desweiteren haben wir, wie auch im vergangenen Jahr, ca. 500 Schülerinnen und Schüler eingeladen, die zu Gast in Deutschland sind. Sie kommen aus insgesamt 39 Ländern, die hier ihre Kultur präsentieren können. Viele Choreografien werden im Moment noch perfektioniert. Die Schüler aus aller Herren Ländern sind vor kurzem erst zusammengekommen und insofern laufen die Proben noch auf Hochtouren. Das sind etwa Tänze aus Afrika und Fern-Ost. Natürlich sind auch wieder Solisten mit wundervollen Liedern dabei. Ich will auch nicht zu viel vorwegnehmen.

Seit die Veranstaltung aus der Türkei verbannt wurde, ist sie nun zum dritten Mal in Nordrhein Westfalen. Spielen bei der Wahl des Standortes die vielen Türken in NRW eine entscheidende Rolle?

Die Auswahl des Standortes hat weniger mit der türkischen Community zu tun, als vielmehr mit dem Standort des ISS Dome. Im letzten Jahr war es die Westfalenhalle in Dortmund. Wir möchten da auch ganz klar unsere Linie beibehalten und sagen: Wir sprechen nicht nur die türkische Community an. Es ist für uns wichtig, dass sich bei diesem Programm alle Nationen, alle Länder weltweit zuhause fühlen, eben gerade diesen interkulturellen Austausch miterleben können und vielleicht sogar ihre eigene Kultur auf der Bühne wiederentdecken. Deswegen ist es uns wichtig, dass sich alle eingeladen fühlen.

Sie dürfen bereits das zweite Jahr in Folge auf die politische Unterstützung der Landesregierung in NRW zählen. Vergangenes Jahr war Hochschulministerin Svenja Schulze (SPD) die Schirmherrin der Veranstaltung und dieses Jahr ist es Rainer Schmeltzer (SPD), der Minister für Arbeit, Integration und Soziales in NRW. Nun wurde und wird ihnen vorgeworfen, sich zu sehr an die Politik anzulehnen, in der Türkei haben Sie damit ja schlechte Erfahrungen gemacht. Der türkische Präsident Erdoğan hatte die Veranstaltung, damals noch als Ministerpräsident, ebenfalls unterstützt, sie dann aber aus dem Land verbannt, nachdem es zu einem politischen Konflikt kam. Sollte man da nicht lieber vorsichtig sein, die Politik mit ins Boot zu holen? 

Wieso? Auch auf diesem Wege möchte ich mich nochmals für diese Unterstützung, die wir seit Jahren von der Politik, von Vereinen, von den Menschen bekommen, bedanken. Das ist auch ein Zuspruch für die Veranstaltung. Die Frage, ob wir da Bedenken haben, dass sich das irgendwann drehen könnte, kann ich eigentlich getrost verneinen, weil wir die Unterstützung bekommen, weil wir einen wichtigen Beitrag für den Weltfrieden leisten. Wir machen uns in Deutschland ja alle miteinander Gedanken darüber, ob wir im Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt alles richtig machen.

Die Kinder und Jugendlichen kommen mit der Botschaft, dass eine andere Welt möglich ist.

Der aktuelle Anlass dafür ist die Flüchtlingspolitik. Wie die gemeinsame Zukunft von Menschen aus verschiedenen Ländern gestaltet werden kann, ist eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit. Insofern haben wir da eigentlich keine Bedenken, dass uns irgendjemand hier in Deutschland in den Rücken fällt, wie es in der Türkei leider Gottes passiert ist. Wir sind weiterhin von dem überzeugt, was wir machen, und dass wir dadurch einen großen Beitrag für das friedliche Zusammenleben leisten. Daher bekommen wir ja auch nicht nur Zuspruch in Deutschland, wo wir für die Kinder der Welt ein neues Gastland gefunden haben, sondern weltweit. Vor zwei Wochen haben wir öffentlich die Unterstützung von US-Präsident Barack Obama genossen, der eine ganz tolle Grußbotschaft an unsere Veranstaltung in Washington D.C. gesendet hat. Wir sind insgesamt sehr zuversichtlich, dass sich das Friedensprojekt auch in der Zukunft gut weiterentwickeln und der Zuspruch zunehmen wird. Die Türkei ist da ein Sonderfall und die AKP-Regierung steht mit ihrer Haltung weltweit alleine da.

Wie wird ihr weltweiter Erfolg in der Türkei wahrgenommen?

Die weltweite Anerkennung sehen wir als eine ganz große Achtung vor der Veranstaltung, die wir natürlich auch als Mutmacher und als Bestätigung für die Arbeit sehen. Vor allem die Teilnehmerinnen und die Teilnehmer und natürlich die Organisatoren, die Jahr für Jahr ungemein Großes leisten und Großes erleben. Da ist ist selbstverständlich eine Bestätigung, wenn der amerikanische Präsident und auch viele andere Verantwortliche aus der Politik die Veranstaltung würdigen und Grußworte senden. Wie das in der Türkei aufgenommen wurde, weiß ich nicht. Wenn ein Land – und es ist ja nicht irgendein Land, sondern das Herkunftsland der Veranstaltung – solch ein wichtiges Projekt, das für Zusammenleben, Toleranz und Verständigung unter den Völkern wirbt, verbannt, ist das natürlich gleichzeitig traurig und höchst bedenklich. Wir hoffen und gehen auch davon aus, dass eben nicht die ganze Bevölkerung in der Türkei so denkt, sondern dass das momentan ein politischer Ausnahmezustand ist. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft wieder legen wird.

Auch im europäischen und im nordrhein-westfälischen Parlament wurden im vergangenen Jahr Kinder des IFLC empfangen. Dieses Jahr waren sie bei den Bürgermeistern und Oberbürgermeistern von zahlreichen Städten in NRW. Welchen Eindruck hinterlassen die Kinder an diesen Orten?

Diese Kinder waren sehr oft Gäste bei Politikern, unterschiedlichen Vereinen, wo sie konnten ihre Kulturen präsentieren konnten. Dort haben sie beispielsweise kurze Musikstücke oder Tanzeinlagen aufgeführt, um damit Dank zu zeigen, dass sie hier sein können und wir als IFLC Deutschland sie hier begrüßen können. Das ist, wie ich finde, eine ganz tolle Geste der Willkommenskultur. Wir sehen auch, dass sich das von Jahr zu Jahr steigert. Viele freuen sich auch darüber, dass die Veranstaltung wieder in Deutschland stattfinden kann und die Kinder zeigen können, welche Botschaften sie aus ihrer Heimat mitbringen. Diese Kinder stehen für eine andere Welt. Wir gehen ja durch eine Zeit, in der weltweit Terror und Krieg das Zusammenleben gefährden. Die Kinder und Jugendlichen kommen mit der Botschaft, dass eine andere Welt möglich ist. In diesem Sinne machen diese Kinder Werbung für den Weltfrieden und für ein friedliches Miteinander von Kulturen und Religionen.

Ist das nicht ein zu ambitioniertes Ziel?

Wieso? Ist es nicht die Aufgabe jedes Einzelnen von uns, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir die Welt von Krieg und Terror befreien können? Ich denke, dass wir dazu einen großen Beitrag leisten, da Tausende von Kindern und Jugendlichen am Anfang ihres Lebens mit unterschiedlichen Kulturen, unterschiedlichen Lebensarten in Berührung kommen. Dadurch können sie andere andere Lebensweisen früh kennen und schätzen lernen. Wir wissen alle, wie wichtig das für das Gemeinwohl ist. Deswegen glaube ich, dass genau solche Veranstaltungen dem interkulturellen Austausch dienen. Kinder sehen, wie andere Menschen leben, denken und fühlen und sie sind während dieser Phase mittendrin statt nur dabei.

Das war in den letzten Jahren immer eine rührende Angelegenheit und wir werden sicherlich auch dieses Jahr wieder erleben, wie die Kinder sich am Ende des 28. Mai in die Arme fallen und weinen, weil sie sich von den neuen Freunden trennen müssen und wieder in die Heimatländer zurückkehren.

Es kommen ja auch Kinder zusammen, die aus rivalisierenden oder gar befeindeten Ländern kommen. Sind diese Beziehungen vorbelastet? 

Nein, überhaupt nicht. Das ist eine weitere Seite des IFLC, die es nochmal besonders zu unterstreichen gilt. Wir sind total begeistert, dass diese Kinder hierher kommen und das alles miteinander auf die Beine stellen. Das Format ist bei uns nicht, dass jedes Land einzeln ins Rennen geht, sondern dass alle Kinder zusammen etwas fantastisches auf die Beine stellen. Da gibt es überhaupt keine politischen Barrieren, sondern die Kinder sind glücklich, dass man sich anderen Kindern und Kulturen anvertraut. Dabei tauschen sie auch Meinungen aus, weswegen so viele Freundschaften entstehen.

Wie geht es weiter für das IFLC?

Am 28. Mai ist die Veranstaltung zu Ende und einige Kinder kehren in ihre Länder zurück. Eine weitere Gruppe ist aber am 30. Mai zu Besuch im deutschen Parlament. Da geht es für einige Schüler zu Bundestagsabgeordneten. Und nach der Veranstaltung ist ja vor der Veranstaltung. Es geht für uns dann direkt weiter mit den Planungen für das nächste Jahr.