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Gesellschaft

„Die linken Parteien sind für die Islamophobie mitverantwortlich“

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Die Islamwissenschaftlerin Dr. Caroline Neumüller, sieht die Parteien links von der Mitte mitverantwortlich für die wachsende Islamophobie in Deutschland und fordert, dass die Themen der Islamkonferenz viel mehr Eingang in die öffentliche Debatte finden sollten. Die Konferenz sei als Forum für den Austausch zwischen Staat und Vertreten des Islams wichtig, dürfe aber nicht zu „elitär“ sein. Im DTJ-Interview erklärt sie auch, warum der Zugang zu Bildung alleine nicht ausreicht, damit sich junge Muslime, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, nicht radikalisieren und der Terrormiliz IS anschliessen.

Junge Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, schließen sich der Terrormiliz IS an. Was ist der Grund und gibt es überhaupt einen Weg zu verhindern, dass junge Muslime, die in Deutschland sozialisiert sind, nach Syrien reisen?

Neumüller: Möglicherweise sind es Frustrationen bei den jungen Menschen, welche sich breitmachen, wenn sie dem gesellschaftlichen Druck nicht standhalten können sowie in einer sozial schwachen Umgebung mit wenig Perspektiven auf eine positive und gesunde Zukunft leben. Perspektiven schaffen wäre eine Möglichkeit zu verhindern, dass sich junge Menschen radikalisieren. Es ist ein Schritt sich religiös radikalisieren zu lassen und in der Heimat zu bleiben und es ist ein weiterer Schritt, der schon einer zu viel ist, wenn man sich entscheidet für den IS an deren Front zu kämpfen.

Hat der deutsche Staat ein Konzept das zu verhindern? Schließlich sind es doch „unsere“ Kinder.

Neumüller: Der Staat investiert seine Gelder in viele eher unwichtige Bereiche, aber lässt Wichtiges wie Bildung und Wissenschaft sowie Menschen, die soziales Engagement zeigen, am langen Arm fast verhungern. Nur durch diese letzten drei Maßnahmen können junge Menschen motiviert werden, etwas Gutes, Positives und Produktives aus ihrem Leben und ihren Möglichkeiten zu schaffen und dabei ihre Talente und Stärken einsetzen. Diese Möglichkeiten müssen ihnen geboten werden. Gibt es diese nicht, werden sie sich andere Möglichkeiten suchen, um Aufmerksamkeit und Anerkennung ihres Daseins zu erhalten.

Es heißt oft, dass die Bildung die Lösung aller Probleme ist. Viele Terroristen sind aber Studenten oder haben eine akademische Laufbahn abgebrochen. Viele von ihnen sind Kinder aus Mittelschichtsfamilien. Ist Bildung doch nicht die Lösung?

Neumüller: Bildung ist wichtig. Darüber muss nicht diskutiert werden….

…aber…

Neumüller: …es ist sehr wichtig sich ein Bild davon zu machen, was für Möglichkeiten den jungen Leuten geboten werden und noch wichtiger, sich darüber im Klaren zu sein, welch ein Druck auf den Schultern dieser jungen Menschen lastet. Mittlerweile werden die Menschen auf Knopfdruck verarbeitet und wenn sie nicht mehr können, dann werden sie entlassen, damit jüngere ihre Arbeit übernehmen. Es soll alles wie am Fließband funktionieren, jeder soll mindestens 2 oder 3 Sprachen sprechen und irgendein besonderes Talent haben, um auf dem Arbeitsmarkt überhaupt Fuß fassen zu können. Wer all das nicht kann, der bekommt entweder keine Arbeitsstelle oder arbeitet für einen Hungerlohn, welcher oftmals weniger ist als das ausgezahlte Geld eines Sozialhilfeempfängers. Ein Studium oder eine akademische Laufbahn ist nicht für jeden Menschen geeignet, deshalb ist es wichtig, dass Perspektiven an und insbesondere auch außerhalb der Universitäten und Hochschulen geboten und so attraktiv gemacht werden, dass Interesse an ihnen gezeigt wird. Das Handwerk ist genauso wichtig wie die Wissenschaft. Sie arbeiten Hand in Hand, um etwas zu erreichen, deshalb muss der Stellenwert zum Beispiel eines Handwerkers gegenüber eines wissenschaftlichen Mitarbeiters gleichgesetzt werden, denn das eine kann nicht ohne das andere funktionieren.

Seit nunmehr knapp 10 Jahren läuft die Islamkonferenz. Wie bewerten Sie die Islampolitik der Bundesregierung?

Neumüller: Die DIK hat selbstverständlich ihr Gutes, indem sie die Möglichkeit bietet, dass sich Politik und Vertreter von Religionen miteinander austauschen und verbinden. Mein Anliegen wäre es jedoch, zu versuchen das Ganze nicht elitär werden zu lassen, denn es ist mein Eindruck, als würde der normale Bürger – ob muslimisch oder nicht – von der DIK kaum Informationen erhalten und diese in den Medien nur selten Gehör bekommen. Des Weiteren ist  mir aufgefallen, dass die wichtigen Hauptpunkte, auf die in den jeweiligen Sitzungen besonders Rücksicht genommen wird, kaum Beachtung in den Medien finden, da diese sich mit anderen Islam-verbundenen „Alltäglichkeiten“ beschäftigen und nur diese der Gesellschaft mitteilen.

Die Islampolitik wird seit 2006 von den Christdemokraten bestimmt. Sind die Christdemokraten die richtigen Ansprechpartner, wenn es um den Islam geht?

Neumüller: Es ist schwierig und kontraproduktiv, wenn jemand anderes als die Muslime selbst ihre Herausforderungen in die Hand nimmt. Sie in diese sogenannte Islampolitik nur mit einzubeziehen, wie es mir derzeit erscheint, zeigt, dass die Kommunikation selbst in dieser Frage mehr über anstatt mit den Muslimen stattfindet. Es gibt einen Widerspruch in dieser Frage, denn bis heute ist nicht klar, was die Absichten und zukunftsweisenden Wege der Islampolitik sein sollen. Geht es in um Religion oder um Integration, vielleicht sogar nur um Politik ganz allgemein?

Die linken Parteien versuchen eigene Antworten auf die Herausforderung mit dem Islam zu finden. Die SPD hat einen Arbeitskreis für sozialdemokratische Muslime eingerichtet. Die Grünen haben einen Parteibeschluss zu der Frage Islam in Deutschland verabschiedet und sehen in Vertreten  des sunnitischen Islam, wie DITIB eher politische Akteure als Religionsgemeinschaften. Wie bewerten Sie die Bemühungen der Parteien links von der Mitte?  

Neumüller: Die linken Parteien suchen keine Antworten, sondern sind vielmehr ein signifikanter Faktor für eine steigende Islamophobie in Deutschland und damit mitverantwortlich. Des Weiteren kommen viele islamfeindliche Gedanken aus dem Lager der linken Parteien. Es sind nur wenige Muslime, die sich den linken Parteien angeschlossen haben, denn selbst in der Flüchtlingspolitik dieser Parteien liest man keine gewünschte Zusammenarbeit heraus. Ein weiterer Grund ist, dass es nicht an der mangelnden Partizipation der Muslime liegt, sondern vielmehr an dem Druck und den Erwartungen an die Muslime, Stellung gegen einen konservativen Islam zu beziehen und so genannte „liberal-islamische“ Positionen einzunehmen. Es wird also ein bestimmtes Verständnis der Muslime zu ihrem Glauben erwünscht, ansonsten dürfen sie nicht aktiv mitwirken, und das wiederum ist eine Entmündigung wie Bevormundung, die nicht zu akzeptieren ist. Wenn die linken Parteien Antworten suchen, dann sollten sie Muslime miteinbeziehen und mit ihnen auf gleicher Augenhöhe anstatt über sie zu sprechen.

Frau Dr. Neumüller, in Anlehnung an einen Beitrag des türkischen Autoren Akif Pirinçci titelt der islamfeindliche Blog Politically Incorrect „Das Schlachten hat endgültig begonnen“. Wie ist Ihre Einschätzung zu diesem Bedrohungsszenario?

Neumüller: Akif Pirinçci schrieb vom einem „schleichenden Genozid“, dass seiner Meinung nach „Banden mordender junger Muslime durch Deutschland ziehen würden, um deutsche Männer auszurotten und deutsche Frauen zu vergewaltigen“. Auch wäre er der Meinung, dass die Behörden und Medien sich verschworen hätten, diesen Krieg und dieses Morden zu verschweigen. Es sollte für jeden denkenden Menschen klar sein, dass sich Herr Pirinçci in seinen Worten der Rhetorik der rechten Szene und den Neonazis bedient und deshalb sollte mit Vorsicht und Zurückhaltung agiert statt reagiert werden. Man darf sich dessen Gedanken nicht zu eigen machen, denn sie entsprechen nicht der Realität.