Politik
Die nächste Belastungsprobe: Dutzende türkische Militärs beantragen Asyl in Deutschland
Das politische Verhältnis zur Türkei ist seit Monaten gespannt. Wird es durch Asylanträge türkischer Offiziere auf eine neue Probe gestellt? Aus Berlin heißt es dazu: „Es gibt keinen Zweifel, dass wir diese Soldaten nicht in die Türkei zurückschicken können.“
Kurz vor der Türkei-Reise von Kanzlerin Angela Merkel gibt es Berichte, dass etwa 40 in Nato-Einrichtungen stationierte türkische Soldaten in Deutschland Asyl beantragt haben. Dabei handelt es sich nach Informationen des „Spiegel“ und des ARD-Magazins „Report Mainz“ größtenteils um ranghohe Militärs. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Bundesinnenministerium betonten dem „Spiegel“ zufolge, der Fall der Offiziere werde behandelt wie andere Asylfälle auch.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist heikel, da Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag – einen Tag vor dem EU-Gipfel auf Malta – zu politischen Gesprächen in die Türkei reist.
„Es gibt keinen Zweifel, dass wir diese Soldaten nicht in die Türkei zurückschicken können“, zitiert der „Spiegel“ den CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. „Sie würden dort sofort im Gefängnis landen.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, sagte: „Das Asylverfahren ist rein rechtlich, politische Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen und werden es auch nicht.“
Die türkische Regierung hat Deutschland bereits aufgefordert, die Asylanträge abzulehnen. „Sie dürfen die Asylanträge auf keinen Fall annehmen“, sagte der türkische Verteidigungsminister Fikri Işık nach Berichten des Senders CNN Türk vom Montag. Den Anträgen stattzugeben „würde sehr ernste Folgen mit sich bringen“. Işık zufolge werden die Soldaten beschuldigt, Teil einer Organisation zu sein, die für den Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verantwortlich sein soll.
Griechischer Verteidigungsminister: Mehr als 400 Asylanträge von türkischen Soldaten
Der griechische Verteidigungsminiter Panos Kammenos geht davon aus, dass die Zahl der türkischen Offiziere, die in Europa Asyl beantragt haben, noch viel höher ist. „Es sind mehr als 400 (türkische) Offiziere, die Asyl beantragt haben“, sagte er dem griechischen Sender Skai am Samstag. Das habe er aus Nato-Kreisen in Brüssel erfahren.
Die türkische Regierung drohte dem Nachbarn Griechenland bereits mit Konsequenzen, nachdem der oberste griechische Gerichtshof am Donnerstag die Auslieferung von acht türkischer Militärs verweigert hatte. Die griechische Regierung hatte sich daraufhin verteidigt, indem sie darauf hinwies, dass Griechenland ein Rechtsstaat sei, in dem die Justiz unabhängig von der Regierungsgewalt urteilt. Sie waren in den Morgenstunden des 16. Juli 2016 während des Putschversuchs in der Türkei per Hubschrauber nach Griechenland geflohen und hatten dort Asyl beantragt.
Ankara stuft die Militärs als Putschisten ein und will das Gerichtsurteil nicht hinnehmen. Neben dem Flüchtlingspakt mit der EU habe die Türkei auch ein bilaterales Rücknahmeabkommen mit Griechenland, das nun beendet werde, zitierte der türkische Staatssender TRT am Freitag Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu.
Zwei der Offiziere beteuerten im „Spiegel“ und im „Report Mainz“, sie hätten mit dem Putschversuch nichts zu tun. In der Türkei drohe ihnen dennoch die Verhaftung und womöglich Folter. Einer wird mit den Worten zitiert: „Wir stehen vor dem Nichts.“ Die Soldaten beschuldigen demnach Präsident Recep Tayyip Erdoğan, prowestliche und säkulare Haltungen von Türken im Militär systematisch abzustrafen.
Asylanträge bereits im November gestellt
Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Putsch massiv gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vor, den sie für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Gülen weißt die Vorwürfe zurück und fordert eine Untersuchung der Ereignisse durch eine unabhängige internationale Kommission. Neben vielen anderen wurden in der Folge auch Tausende Soldaten festgenommen.
Anfang November – also gut vier Monate nach dem Putschversuch – hatten mehrere türkische Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein um Asyl in Deutschland gebeten. Um wie viele Soldaten es sich dabei handelte, blieb damals unklar.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Monaten angespannt. Ursache dafür waren unter anderem die umstrittene „Schmähkritik“ des TV-Moderators Jan Böhmermann an Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die Resolution des Bundestags, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als „Völkermord“ einstufte. Erdoğans Politik nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei sorgte ebenfalls für Verstimmungen zwischen beiden Ländern. (dpa/ dtj)
(Foto: europäisches NATO-Hauptquartier SHAPE in Belgien)