Politik
Die „taz“ startet ein deutsch-türkisches Internetportal
In der Türkei ist die Lage für viele Journalisten katastrophal. Die Berliner Zeitung „taz“ startet ab Donnerstag ein Portal, das regierungskritischen Medienschaffenden eine Stimme geben soll. Beiträge erscheinen auf Deutsch und Türkisch.
Die Berliner Tageszeitung „taz“ startet ein deutsch-türkisches Internetportal, die „taz.gazete“. Es startet diesen Donnerstag und ist eine Reaktion auf die schwindende Pressefreiheit in der Türkei. Vor allem türkische Journalisten sollen auf der Online-Plattform frei berichten können. Geplant sind zunächst fünf Beiträge pro Woche, die auf Deutsch und auf Türkisch erscheinen.
„Ein neues, freies und unabhängiges Medium“
„Wir wollen Stimmen stärken, die es schwer haben, sich in der türkischen Medienlandschaft Gehör zu verschaffen“, sagt Projektleiterin Fatma Aydemir. „Während das autoritäre türkische Regime ein Medium nach dem anderen ausschaltet, geben wir ein neues, freies und unabhängiges Medium heraus.“ Die taz.gazete richtet sich an türkische, deutsch-türkische und deutsche Leser. Der Fokus liegt nicht auf Nachrichten in Echtzeit, sondern auf tiefergehenden Analysen, Kommentaren und Interviews.
Beiträge sollen unter anderem Autoren aus den regierungskritischen Redaktionen von „Cumhuriyet“, „Birgün“, „Diken“ und „Bianet“ liefern sowie türkische Journalisten, die vor politischer Verfolgung ins Ausland geflohen sind. Ein fünfköpfiges Redaktionsteam betreut das Projekt. Unter ihnen ist auch Ali Çelikkan, ein Redakteur der „Cumhuriyet“. Nachdem viele seiner Kollegen verhaftet wurden, entschloss er sich, in Berlin zu bleiben, wo er an einem Austauschprogramm teilgenommen hatte.
Erinnerung an Hrant Dink
Das Portal wird über Spenden finanziert. So sind durch 650 Spender insgesamt 110.000 Euro zusammengekommen, mit denen das Projekt ein Jahr gesponsert wird. Ob und wie es danach weitergeht, ist noch nicht klar.
Das Startdatum des Internetportals ist nicht zufällig gewählt: Genau vor 10 Jahren, am 19. Januar 2007, wurde der türkisch-armenische Publizist und Journalist Hrant Dink in Istanbul auf offener Straße erschossen. Dink war ein Verfechter der Meinungsfreiheit sowie des Dialogs zwischen Türken und Armeniern und setzte sich für die Aufarbeitung der Geschichte in der Türkei ein.
Nach dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 starte die türkische Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine beispiellose Säuberungswelle. Zurzeit sitzen der türkischen Nichtregierungsorganisation P24 zufolge 148 Journalisten in türkischen Gefängnissen. Die Türkei hat damit China als das Land überholt, das die meisten Journalisten einsperrt. Hunderte Medien wurden geschlossen. Entscheidend für die Initiierung des Projekts sei die Verhaftung mehrerer „Cumhuriyet“-Journalisten am 31. Oktober 2016 gewesen. Daraufhin sei redaktionsintern eine Debatte darüber entbrannt, wie man sich mit den bedrohte Kollegen in der Türkei solidarisch zeigen könne.
Bereits im Mai hatte die taz eine Sonderausgabe zum Tag der Pressefreiheit heruasgegeben. Unter dem Titel taz. Die günlük gazete widmete sie sich auf 16 Extraseiten dem Niedergang der Pressefreiheit in der Türkei.