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Kolumnen

Die Türkei braucht keinen Krieg

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Wann kommt die Türkei zur Ruhe? Muss eine Aufregung auf die nächste folgen?

Diesmal diskutiert das Land über einen militärischen Eingriff in Syrien. Angeblich sollen dort die Kurden einen demographischen Krieg führen. Sie sollen Turkmenen und Araber aus Gebieten vertreiben, die sie kontrollieren. Außerdem wolle man einen weiteren Flüchtlingsstrom in die Türkei verhindern.

Geht es wirklich darum?

Viele Experten äußern die Vermutung, die AKP investiere eigentlich für den nächsten Wahlkampf. Mit einem militärischen Einsatz würde sich das Volk um die derzeitige Führung scharen, die entstehende patriotische Stimmung würde ihr bei vorgezogenen Wahlen nutzen, so die Kalkulation.

Nach dem Motto also, frei nach Clausewitz: Der Krieg ist die Fortsetzung des Wahlkampfes mit anderen Mitteln.

Warum soll man keinen kurdischen Staat dulden?

Das sind Spekulationen, gewiss. Aber es gibt auch Fakten und Dinge, die keine Vermutungen sind und über die wir uns schon unser eigenes Urteil bilden können.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sagt, die Türkei würde auf keinen Fall einen kurdischen Staat in ihrem Süden dulden.

Das ist etwas, das ich nicht verstehe. Warum soll sie keinen kurdischen Staat in ihrem Süden dulden? Befinden sich die Kurden im Süden unter türkischer Souveränität? Mit welchem Recht maßt man sich eigentlich an, über die Freiheit eines außerhalb der eigenen Grenzen liegenden Volkes zu bestimmen?

Wenn man sich den Kurden im Süden auf dieser Weise nähert, wie soll dann der Aussöhnungsprozess mit den Kurden im eigenen Land gelingen? Es wäre doch für das Wohl des Landes förderlicher, wenn sie ihren kurdischen bzw. kurdisch-stämmigen Bürgern größtmögliche Freiheiten zugestehen würde. Es wäre doch – so ähnlich wie die EU – besser, Vorbild zu sein durch Freiheiten, durch Rechtsstaatlichkeit anstatt durch Drohungen einen nicht zu haltenden Zustand zu konservieren zu suchen.

Krieg ist keine Lösung

Was gegen diese Politik spricht, ist auch der Umstand, dass sie substanzlos ist. Eine ähnliche Politik hat man gegenüber den Kurden im Nordirak geführt. Das Ergebnis: Die Kurden haben dort Autonomiestatus. Darüber hinaus haben sie sich sie zu einem bedeutenden Wirtschaftspartner entwickelt.

Dass Krieg keine Lösung ist, sollte sich eigentlich in der Region herumgesprochen haben. Syrien ist kaputt, an die 2,5 Millionen Syrer leben mittlerweile als Flüchtlinge in der Türkei, das Töten geht weiter, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. In Syrien die Verbrechen allein Assad anzulasten ist auch nicht glaubwürdig. Ok, Assads Leute schießen mit Waffen. Dass seine Gegner aber allein mit Blumen werfen wurde bisher nicht bestätigt.

Krieg verursacht nur Leid und Hass. Einen Krieg anzufangen ist leicht, ihn zu beenden nicht. Wenn man damit anfängt, ruft man Rachegefühle hervor, provoziert Terroranschläge, andere mischen sich in das Geschehen ein, so dass sich das Töten verewigt; siehe Syrien, siehe Afghanistan.

Zwei Vorschläge, um Krieg zu verhindern

Wenn all das Argumentieren nicht hilft, so hätte ich zwei Vorschläge, wie einem Krieg doch vorzubeugen wäre. Kurdische Unternehmer in Syrien sollten Bauaufträge in der Türkei vergeben. Vielleicht wird ein solcher Schritt den Kriegsdruck senken. Da wird doch bestimmt das eine oder andere Gebäude zu errichten, die eine oder andere Straße zu bauen sein.

Wenn das nicht hilft, so wäre ein zweiter Schritt zu gehen. Erasmus von Rotterdam soll gesagt haben: „Der Krieg erscheint denen schön, die ihn nicht erfahren haben.“ Da ist etwas dran. Krieg im Fernsehen, im Kino ist aufregend, unterhält. Nicht aber der, der das eigene Leben bedroht.

Wenn also die politischen Verantwortlichen auf Krieg bestehen, so könnte man ihnen entgegensetzen: Geht doch mit eigenem Beispiel voran, seid ganz vorne im Geschehen dabei. So würde man auch an die alte osmanische Tradition anknüpfen. Der letzte Sultan, der an Kriegszügen persönlich teilnahm, soll Sultan Mustafa II. gewesen sein. Er lebte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Danach begann die Phase des Niedergangs.