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Politik

„Die Vertreibung der irakischen Christen durch ISIS ist gegen den Islam“

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Zehntausende irakische Christen sind vor den Repressalien der Terrororganisation IS aus ihrer Heimat geflohen. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, verurteilt die Vertreibung der irakischen Christen als unislamisch. (Foto: dpa)

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Zehntausende irakische Christen sind vor den Repressalien der Terrororganisation IS aus ihrer Heimat geflohen. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, verurteilt die Vertreibung der irakischen Christen als unislamisch.
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Seit Jahrtausenden existiert im Nahen Osten ein Mosaik aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die sich nicht nur in Sprache und Dialekt voneinander unterscheiden, sondern auch in ihrer Ethnie, Religion und Konfession. Gerade in Regionen wie dem heutigen Irak, der Türkei oder Syrien war die durchmischte Bevölkerung prägend für viele Lebensbereiche.

Durch eine Offensive der Terrororganisation IS (Islamischer Staat) – ehemals ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien), die sich in Syrien zuvor neu formiert hatte, fiel Mossul Mitte Juni an die Extremisten. Nachdem Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte durch Massenhinrichtungen beseitigt wurden, begann IS seine Herrschaft auch auf die Bevölkerung von Mossul auszuüben. In der turkmenischen Ortschaft Tal Afar sprengten die Extremisten schiitische Moscheen und vertrieben die Bevölkerung gewaltsam, vergangene Woche zerstörten sie das Grab des Propheten Jona in Mossul.

 Die Christen von Mossul stellte IS vor die Wahl, die Stadt ihre Väter umgehend zu verlassen, zum Islam überzutreten oder eine besondere Steuer zu zahlen. Sonst müssten sie mit dem Tod rechnen. Auf im Internet kursierenden Bildern waren Häuser christlicher Bewohner von Mossul anscheinend von IS-Kämpfern mit Graffiti markiert worden. Für viele Christen aus Mossul war dies das Zeichen zur Flucht. Aus Angst flohen Medienberichten zufolge alle Christen in den darauffolgenden Tagen aus der Stadt, meist in die sichere Kurdische Autonomieregion. Das Magazin Vice dokumentierte, wie Tausende verzweifelte Christen aus der Umgebung von Mossul mit ihren Familien flohen. Die Millionenmetropole am Tigris ist seitdem weitgehend leer von Christen. Weltweit rief das Schicksal Vertriebenen Betroffenheit aus.

Aiman Mazyek bezieht Stellung für irakische Christen

Zur Situation der Christen im Irak und speziell in Mossul sagte Aiman Mazyek, Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), heute in Köln: „Die Vertreibung der irakischen Christen durch die terroristische ISIS ist ein Akt des Unrechtes, ist gegen den Islam, verstößt gegen internationales Recht und gegen die Menschlichkeit.“ Der ZMD begrüßte vor diesem Hintergrund, dass sich namhafte muslimische Gelehrte und Gruppen vor Ort hier eindeutig positioniert haben und gegen dieses Vorgehen protestieren.

Solidarität mit allen Menschen in Notsituationen sei ihmzufolge ein elementares Gebot im Islam. Der ZMD verweist in diesem Zusammenhang auf ein gesichertes Hadith des islamischen Propheten Muhammad, wonach dieser Muslime ermahnte sich gegen diejenigen zu stellen, die Nichtmuslimen Unrecht antun, sie diskriminieren, ihnen etwas auferlegen, was sie nicht zu tun vermögen oder ihnen etwas rauben, gegen diesen werde er „der Ankläger am Tage der Auferstehung sein“.

Die im heutigen Irak liegende Stadt Mossul ist Sinnbild für die Vielfalt der Region, der nun durch gewaltbereite Gruppen die Zerstörung droht. Auf dem Bild ist eine katholische Kirche in Mossul zu sehen. (dpa)

Der ZMD rief in einer offiziellen Presseerklärung vom 31.08.2014 alle Muslime in Deutschland dazu auf, gerade in Zeiten der Kriege, wo wie z.B. in Syrien Muslime die Hauptleittragenden sind, gerecht zu handeln, und weiter deutlich Unrecht egal gegen wen auch als solches zu benennen. Das Vorgehen gegen die Christen im Irak sei zu verurteilen und es müsse alles getan werden, damit „unseren christlichen Brüdern und Schwestern“, ihr Recht zurückgegeben werde.

Mossul – ein Mosaik droht für immer zerstört zu werden

„Mitmenschlichkeit und Solidarität mit Menschen in Not sind essentielle Charaktereigenschaften des Menschseins. Sie sind darüber hinaus zentrale Lehren der abrahamitischen Religionen. Ein Jude, Christ oder Muslim sollte diese Lehren seiner Religion weder einem tagespolitischen Zeitgeist, noch einer falsch verstandenen Verbundenheit mit Glaubensgeschwistern, die ein eklatantes Unrecht begehen, unterordnen. Mitmenschlichkeit und Solidarität sind keine Werte, die nur einseitig eingefordert werden können. Wer Frieden will macht diese Werte zum allgemein verbindlichen und verpflichtenden Maßstab, an dem wir uns alle – Juden, Christen und Muslime – messen lassen müssen, wann und wo auch immer Menschen in Not geraten.“, hieß es in der Presseerklärung.

Die im heutigen Irak liegende Stadt Mossul ist Sinnbild für die Vielfalt der Region, der nun durch gewaltbereite Gruppen die Zerstörung droht. Die Stadt am Tigris, die auf eine reiche Vergangenheit unter verschiedensten Herrschern zurück blickt, war seit je her Heimat verschiedener Bevölkerungsgruppen. In der Stadt lebten Araber, Kurden, Aramäer und Turkmenen. Auch verschiedene Religionen existierten in Mossul und in den Gebieten um die Stadt. Neben sunnitischen und schiitischen Muslimen lebten in der Region auch Jesiden und Angehörige der Schabak. Eine besonders große Bevölkerungsgruppe stellten Christen verschiedener Konfessionen dar. Mossul ist der Sitz verschiedener christlicher Erzbischöfe, in der Umgebung der Stadt existieren Ortschaften und Dörfer, die fast ausschließlich von Christen besiedelt werden.

Auch sunnitische Stämme in der Region werden zunehmend zum Ziel der IS, sodass sich diese vergangene Woche dazu entschieden, aktiv gegen die Terrorgruppe vorzugehen.