Connect with us

Politik

Die Zukunft gehört der Türkei

Spread the love

Galt die Türkei früher in der Außenpolitik als planlos, hat sie ihre wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Das schärfte ihr Profil als selbstbewusstes Land in der Region. (Foto: iha)

Published

on

Die Zukunft gehört der Türkei
Spread the love

GASTBEITRAG Mit der Flucht von Präsident Ben Ali am 14. Januar 2011 aus Tunesien begann eine Zäsur der Geschichte Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens. Der arabische Frühling fegte über die Region. Stabil geltende Systeme wurden umgestürzt, die Jugend rebellierte auf den Straßen, Bürgerkriege wie in Syrien und gar militärisches Eingreifen des Westens in Libyen waren die Folge. Die Jugendlichen in Tunesien und Ägypten hatten keine Perspektive, sahen keine Hoffnung außer dem eines neuen Systems. Die Frage aller Fragen ist nun, welches System als Vorbild für die Länder des arabischen Frühlings dienen könnte. Wer ist der Gewinner der Arabellion – machtpolitisch wie auch in Bezug auf seine soft power? Nach meiner Ansicht ist die richtige Antwort: Die Türkei.

Die Türkei gilt als eines der erfolgreichsten Länder des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends. Das Pro-Kopf-Einkommen stieg in der ersten Dekade der 2000er von 3.000 auf 13.000 US-Dollar. Die Wirtschaft ist stark gewachsen, der türkische Aktienmarkt legte im vergangenen Jahr fast um die Hälfte zu. Seit fast 15 Jahren debattieren die EU-Staaten, ob eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union die Gemeinschaft überlasten würde. Lange war eines der Hauptargumente gegen eine Aufnahme die wirtschaftliche Unterlegenheit der Türkei. Heute müsste man diese Aussage, vor allem mit der Euro-Krise vor Augen, überdenken. Die Stimmen werden lauter, die eine deutsche und insbesondere europäische politische Neuausrichtung gegenüber der Türkei fordern. Die Situation hat sich nochmals im Zuge des arabischen Frühlings gravierend verändert. Nun hat es fast den Anschein, als ob es die türkische Regierung gar nicht mehr so eilig hätte mit einem Beitritt zur EU.

Ankara: Schlichter und Vermittler zugleich

Allein schon die geographische Lage der Türkei ist von besonderem Interesse. Gleichzeitig wird die Türkei vom Westen zunehmend als das Parademodell der islamischen Welt gesehen. Das Land kann mit Verbindungen zu beiden Seiten, der westlichen und der islamischen Welt, aufwarten. Diese Situation stärkt die Position Ankaras, in der Region als Schlichter und Vermittler aufzutreten. Die Rolle der Türkei als Regionalmacht wird durch ihre Position als erster Ansprechpartner des Westens in der islamischen Welt zementiert.

Doch nicht nur der Westen, auch die Länder des Nahen Ostens bewundern die Türkei. Ihre Beliebtheit hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Galt sie früher in der Außenpolitik als planlos, hat sie ihre wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Das schärfte ihr Profil als selbstbewusstes Land in der Region. Da Ägypten seit dem Sturz Mubaraks noch nicht wieder zur alten Stärke gefunden hat, richten sich die Augen in der arabischen Welt wieder stärker hin zur Türkei aus, der die erforderlichen Führungsqualitäten zugetraut werden. Vielleicht könnte das Land gar als Stabilisator für diese unruhige Region fungieren: Die Türkei als wirtschaftlich erfolgreicher Ruhepol und Nachbar. Das wäre ein überaus wichtiger Schritt in Richtung Frieden und Wohlstand für die Staaten des arabischen Frühlings.

Natürlich gibt es immer noch Kritikpunkte aus der Sicht Deutschlands: Der Umgang mit Minderheiten in der Türkei oder auch das Vorgehen gegen kritische Journalisten. Wir sind nämlich der Meinung, dass fundiertes kritisches Hinterfragen der Regierungsarbeit einen Staat stärken anstatt schwächen kann und eine souveräne Regierung diese Fragen auch zulässt.

Nichtsdestotrotz ist die Türkei ein verlässlicher Partner, den die Bundesrepublik Deutschland sehr schätzt. Wir sollten ihr Vermittlungspotenzial annehmen und dem Land eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union anbieten. Davon würden beide Seiten profitieren.

Autoreninfo: Bijan Djir-Sarai, geboren am 6. Juni 1976 in Teheran, kam mit elf Jahren nach Deutschland. Er wuchs bei seinem Onkel in Grevenbroich/Nordrhein-Westfalen auf. Nach dem Abitur studierte er Betriebswirtschafts-Lehre in Köln und engagierte sich neben dem Studium bei den „Jungen Liberalen“.

2006 wurde Djir-Sarai in den Vorstand der FDP Nordrhein-Westfalen gewählt, drei Jahre später zog er schließlich als FDP-Abgeordneter in den Deutschen Bundestag ein. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Außenpolitik der FDP-Bundestagsfraktion beschäftigt er sich vor allem mit den Ländern der islamischen Welt sowie Südostasiens.