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Politik

Ditib unter Druck: Krisentreffen in Ankara und Frust an der Basis

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Die türkisch-islamische Union Ditib ist unter Zugzwang. Nach Spitzelvorwürfen gegen Imame könnte die NRW-Regierung ihr die Zusammenarbeit aufkündigen. Der Ditib-Vorstand berät sich jetzt mit Ankara. In vielen Moscheegemeinden brodelt es.

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Ditib-Moschee in Marxloh
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Druck und Gegenwind von allen Seiten – noch nie war die türkisch-islamische Union Ditib so in Bedrängnis. Die Politik in Bund und Ländern fordert nach Spitzelvorwürfen gegen einige Ditib-Imame schnelle Aufklärung. NRW stellt die Zusammenarbeit mit dem größten Islam-Dachverband auf den Prüfstand. Auch aus den Kirchen kommt Kritik. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt nach den Vorwürfen gegen einzelne Ditib-Prediger. Am Mittwoch ist nun die Ditib-Spitze zu einem Krisentreffen nach Ankara gereist.

Derweil brodelt es an der Basis. In manchen Moscheegemeinden wächst die Unzufriedenheit, Reformen werden verlangt. Einige vom türkischen Staat entlassene Imame klagen in Köln auf Wiedereinstellung.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) unter Zugzwang. Die Landesregierung verlangt eine strukturelle und finanzielle Lösung von Ankara und der Religionsbehörde Diyanet, die aber alle 900 in Deutschland tätigen Ditib-Imame entsendet und bezahlt. Auf Druck von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) lässt die Ditib jetzt ihren Sitz im wichtigen Beirat für den islamischen Religionsunterricht ruhen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte bei einem Salafismus-Präventionsprojekt in Köln bereits die Kooperation mit dem Verband gestoppt.

Die Ditib ist in Nordrhein-Westfalen auch an anderen Stellen im Boot: Im Dialog-Forum des Integrationsministeriums, bei islamischer Seelsorge für Gefangene, bei Fragen der Integration, als Ansprechpartner der Staatskanzlei. Das alles steht auf dem Spiel. Das Land werde „in allen Bereichen klare Konsequenzen“ ziehen, wenn sich die Spitzelvorwürfe bestätigen sollten, betonte Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD). Die Ditib müsse sich von der staatlichen Diyanet abkoppeln. Innertürkische Konflikte hierzulande auszutragen, sei tabu.

Frust bei der jüngeren Generation

Es gibt weitere Probleme für den Verband. „Auch innerhalb der Ditib gibt es Spannungen. Die jüngere Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und gern mehr Verantwortung übernehmen würde, wird von vielen Altvorderen in den Gemeinden kleingehalten“, schildert die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes (LIB), Lamya Kaddor. Aus engen Kontakten zu Ditib-Moscheegemeinden weiß sie: „Ganze Vorstände sind ausgewechselt worden, weil sie offenbar gegenüber der deutschen Mehrheitsbevölkerung zu offen und zu dialogbereit waren.“

Ein Ditib-Verbandsmitglied in Köln spricht von Unzufriedenheit mit der Führung und dem bisherigen Krisenmanagement. Die Ditib meldete in einer vage gehaltenen Erklärung vor einigen Tagen, Diyanet habe den Fall untersucht – Ergebnis: „Das Präsidium hat festgestellt, dass einige Religionsbeauftragte in Bezug auf ein eigentlich die europäischen Länder nicht betreffendes Schreiben ihre Verantwortungen überschritten haben.“ Also: Imame bespitzelten, obwohl eine solche Diyanet-Aufforderung gar nicht an sie erging. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboğa äußerte sich auf dpa-Anfragen in den vergangenen Tagen nicht.

Diyanet beendet Amtsdauer einiger Imame vorzeitig

An diesem Donnerstag informiert Landesverfassungsschutzpräsident Burkhard Freier den NRW-Innenausschuss. Dem Verfassungsschutz liegen Berichte der Religionsattachés der türkischen Generalkonsulate in Köln, Düsseldorf und München an die Diyanet vor, in denen Namen von angeblichen Gülen-Anhängern aufgelistet werden. Die drei Listen umfassen 28 Personennamen und elf Institutionen, die Ditib-Imame geliefert haben sollen. Alle Ausgespähten haben von der Polizei „Gefährdeten-Ansprachen“ erhalten. Sie sind damit gewarnt, falls sie in die Türkei reisen wollen.

Der Prediger Fethullah Gülen wird in Ankara als Staatsfeind eingestuft, seine Anhänger werden verfolgt. Die türkische Regierung macht den 75-Jährigen, der im Exil in den USA lebt, für den versuchten Militärputsch im Juli 2016 verantwortlich und fordert von Washington seine Auslieferung. Gülen weist die Vorwürfe zurück und fordert die Aufarbeitung der Ereignisse durch eine unabhängige internationale Kommission.

Laut Ditib ist die Amtsdauer einiger Imame in Deutschland vorzeitig beendet worden. Um einer „negativen Wahrnehmung“ vorzubeugen und die Beziehungen nicht zu schädigen. Verdacht von Volker Beck, Religionsexperte der Bundestags-Grünen: „Das heißt, die Diyanet hat Verantwortliche für die Spionage zurückbeordert, um Strafverfolgung zu verhindern und die Spionage zu vertuschen.“ Sollte NRW die Zusammenarbeit mit der Ditib beenden, könnten Forderungen nach mehr Einfluss für liberal orientierte Muslime Gehör finden. Kaddor betont: Der LIB steht als Ansprechpartner für die Politik bereit. (Yuriko Wahl-Immel, dpa/dtj)