Connect with us

Politik

Doppelpass: Zu Gast in der eigenen Heimat

Spread the love

Ex-Bundesinnenminister Friedrich hat sich mit seinen Äußerungen zum Doppelpass unter jungen Deutschtürken nicht viele Freunde gemacht. Sein Nachfolger will es besser machen. Ein 18-Jähriger wendet sich nun mit einem offenen Brief an ihn. (Foto: reuters)

Published

on

Spread the love

Die doppelte Staatsbürgerschaft soll laut dem Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) künftig von allen Kindern aus Migrantenfamilien erworben werden können, die in Deutschland geboren und auch hier aufgewachsen sind; dies sei über einen Schulabschluss oder eine Meldebescheinigung nachzuweisen. Der 18-jährige M.K. Tayyib Demiroğlu protestiert in einem offenen Brief, der in gekürzter Fassung im aktuellen Heft des Nachrichtenmagazins „Der SPIEGEL“ abgedruckt wurde. (Ausgabe 8 vom 17. Februar 2014).

DTJ veröffentlicht den Brief mit Genehmigung der Deutschlandstiftung Integration und dem Blog „Geh Deinen Weg“ in voller Länge.

Sehr geehrter Herr de Maizière,

bei allem Respekt: Jetzt reicht es mir! Die Meldungen, die ich jüngst aufmerksam in der Tagespresse verfolgte, rufen in mir – wieder einmal – große Bestürzung aus.

Freute ich mich nach den Koalitionsverhandlungen zunächst, dass es den Volksvertretern, die ich leider nicht wählen darf, gelungen ist, zumindest uns, in der dritten Generation, endlich die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, muss ich jetzt erneut Rückschläge hinnehmen.

Mein Name ist M.K. Tayyib Demiroğlu, ich wurde 1995 in Salzgitter geboren und von meiner Mutter mit preußischen Tugenden erzogen. Ich habe eine Aufenthaltsdauer in meiner Heimat Deutschland von 18 Jahren, was meinem Alter von 18 Jahren entspricht. Mein Abitur habe ich mit einem Durchschnitt von 1,6 bestanden und das nicht obwohl, sondern gerade wegen meines deutsch-türkischen Hintergrunds, denn dieser stellt für mich eine enorme Bereicherung dar. Heute studiere ich BWL an der WHU – Otto Beisheim School of Management und engagiere mich nebenher seit Jahren ehrenamtlich in zahlreichen Projekten. Was ich als Wertschätzung aus der Politik erfahre, ist dagegen, dass sich darum gestritten wird, wie wir rechtssicher „aufgewachsen“ definieren wollen. Ein schlechter Scherz.

Aber auch das wundert mich nicht, denn schließlich werden immer neue Gründe gefunden, uns die doppelte Staatsangehörigkeit vorzuenthalten. Debatten werden fern ab von meiner Lebenswirklichkeit und der anderer Deutsch-Türken geführt. Die Lösung des Problems immer wieder auf die Zukunft verschoben. Was müssen wir denn noch alles tun, um endlich alle Rechten und Pflichten ohne Einschränkung zugestanden zu bekommen? Ja, ich spreche auch von Pflichten. Gerne würde ich wählen dürfen, wer im Stadtrat, im Landtag und im Bundestag die meine Meinung vertritt, doch ich bin nach wie vor nur auf der Zuschauertribüne erwünscht, auch wenn ich das Spiel jeden Tag aufmerksam verfolge. Wir haben lange genug nur zugeschaut.

Falls Sie, Herr de Maizière mein Schulabschlusszeugnis für meine Einbürgerung sehen möchten, kann ich Ihnen gerne eine Kopie zuschicken, im Gegenzug erwarte ich aber, dass Sie mir genau erklären, welchen Sinn und Zweck das Ganze haben soll, denn dieser erschließt sich mir bisher nicht. Ich habe mitbekommen, dass es wohl darum geht, dass wir Deutsch-Türken einen „Bezug zu Deutschland“ nachweisen sollen. Allein diese Forderung empfinde ich als Anmaßung. Es unterstellt mir doch, dass ich gar keinen Bezug zu Deutschland habe.

Wir mussten ja bereits hinnehmen, dass unseren Familienangehörigen der ersten beiden Generationen die doppelte Staatsangehörigkeit verwehrt bleiben wird. Allein diese Entscheidung verkennt die Lebensleistung, die hier Hunderttausende im Sinne der deutschen Gesellschaft erbracht haben. Aber jetzt werden auch von uns, in der dritten Generation, weitere Zugeständnisse verlangt. Mal wieder.

Jetzt liegt Ihnen sicherlich auf der Zunge, dass ich ja die türkische Staatsbürgerschaft ablegen könnte. Doch dieses kommt für mich auf keinen Fall in Frage. Meine türkische Staatsbürgerschaft gehört ebenso zu mir wie meine nicht vorhandene deutsche. Sie ist Teil meiner deutsch-türkischen Identität. Außerdem sehe ich darin eine große Ungerechtigkeit. Vielen anderen Staatsbürgern wird durchaus die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht, und es werden keine Gewissenskonflikte herbeigeschworen. Diese entstehen aber gerade durch die Optionspflicht und immer mehr Freunde und Bekannte denken seit Monaten darüber nach, wie Sie sich entscheiden sollen. Für jeden Einzelnen ist das ein wirklicher Gewissenskonflikt.

Ich fordere von Ihnen, Herr de Maizière, ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, dass den hybriden Identitäten unserer globalisierten Welt gerecht wird. Wir brauchen es dringender als je zuvor. Die deutsche Willkommenskultur fängt für mich damit an. Auch wenn ich es schon komisch finde, in seiner Heimat willkommen geheißen werden zu müssen.

Als Stipendiat des Programms „Geh Deinen Weg“ der Deutschlandstiftung Integration habe ich durchaus auch Positives erlebt. Auf dem Neujahrsempfang der Stiftung bot sich mir die Gelegenheit, meine Anliegen an Staatsministerin Aydan Özoğuz, unsere neue Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, hervorzubringen. Ich hatte erstmals das Gefühl, dass ein Mitglied der Bundesregierung meine Anliegen ernst nimmt. Sie hörte nicht nur aufmerksam zu und nahm sich Zeit, Sie machte mir und vielen Anderen Mut, dass Vertrauen in unsere Politik nicht zu verlieren. Hierfür bin ich der Staatsministerin dankbar.

Doch es muss einfach weitergehen. Ich bin keine Ausnahme, wie es einem häufig unterstellt wird. Es gibt immer mehr von uns – gut ausgebildeten, fleißigen und aufstrebenden jungen Deutsch-Türken. Wir erwarten von Ihnen jetzt eine Lösung. Keine Zwischenlösung, keine weiteren jahrelangen Debatten. Wir sind nicht mehr bereit, weiter mit vorläufigen Lösungen hingehalten zu werden. Auf Worte müssen jetzt Taten folgen! Wir werden die Bundesregierung und Sie, Herr de Maizière, daran messen, ob wir noch vor Ablauf Ihrer Legislaturperiode zwei Pässe in den Händen halten dürfen.

Es sei Ihnen versichert: Falls unser Anliegen nicht Gehör finden oder aber verschoben werden sollte, werden wir laut! Wir haben lange genug nur zugeschaut. Wir haben lange genug gewartet. Jetzt fordern wir unsere Rechte ein!

Ich erwarte Ihren Gesetzesentwurf und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

M.K. Tayyib Demiroğlu

Der gebürtige Braunschweiger M.K. Tayyib Demiroğlu ist 18 Jahre alt, hat einen türkischen Migrationshintergrund und ist seit einem Jahr Stipendiat der Deutschlandstiftung Integration. Im vergangenen Jahr machte er sein Abitur und studiert nun BWL an der Otto Beisheim School of Management in Vallendar.