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Gesellschaft

„Öko-Islam“ mit westlicher Prägung

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Am heutigen Montag beginnt der 32. Deutsche Orientalistentag, bei dem WissenschaftlerInnen in gut 900 Vorträgen und 80 Panels neue Forschungsergebnisse vorstellen werden. Eines der Themen ist der Öko-Islam.

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Heute beginnt der 32. Deutsche Orientalistentag in Münster. Eines der Themen ist der Öko-Islam.
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Muslime in westlichen Ländern engagieren sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zunehmend für den Umweltschutz. „Die Bewegung des Öko-Islams breitet sich vor allem in Europa, den USA und Kanada aus“, zitiert der „Informationsdienst Wissenschaft“ die Islamwissenschaftlerin Monika Zbidi, die ihre Forschungsergebnisse auf dem 32. Deutschen Orientalistentag (DOT) vom 23. bis 27. September 2013 an der Universität Münster präsentieren wird. Zu der Konferenz werden gut 1000 Orientforscher aus aller Welt erwartet.

„Die Öko-Aktivisten engagieren sich aus religiösen Motiven im Tier- und Pflanzenschutz, warnen vor nachlässigem Umgang mit Ressourcen wie Boden und Wasser und plädieren für Genügsamkeit und Enthaltung. Ihre Überzeugung begründen sie insbesondere mit Textstellen aus Koran und Sunna, mit Aussagen und Handlungen des Propheten Mohammed.“ Noch lasse sich zwar nur von einer Nischenbewegung sprechen, doch durch Websites, Blogs und soziale Netzwerke gewinne die islamische Umweltbewegung an Schwung.

Geistige Väter des „Islamic Environmentalism“, der in den 1960er-Jahren seinen Anfang nahm, sind Zbidi zufolge der iranische Philosoph Seyyed Hossein Nasr und der in Großbritannien lebende Umweltaktivist Fazlun Khalid. Derzeit beschränke sich die religiös motivierte Bewegung weitgehend auf westliche Länder. „Das heißt aber nicht, dass es in arabischen oder afrikanischen Ländern kein ökologisches Bewusstsein gibt. In Tunesien etwa sind seit der Revolution 2011 viele Umweltorganisationen entstanden, allerdings weniger aus religiösen Motiven.“

Inwiefern der Öko-Islam in arabischen Ländern Unterstützer finden werde, sei noch nicht abzusehen. Zbidi untersucht für ihr Dissertationsprojekt einschlägige Websites, Weblogs und Aktivitäten in sozialen Netzwerken und wertet Texte muslimischer Forscher und Gelehrter zu Umweltethik und zur Rolle der Umwelt im Koran aus.

Ökologische Lebensweise = Muslimische Lebensweise?

„Bei den islamischen Naturschützern handelt es sich zumeist um junge westliche Akademiker, die mit den Debatten um Umweltzerstörung und Klimawandel aufgewachsen sind und sich als Muslime engagieren wollen“, so Zbidi, die an der Uni Erlangen-Nürnberg zum Thema Islam und Ökologie promoviert. „In Facebook-Gruppen und Blogs, beispielsweise ,The Eco Muslim‘ oder ,khaleafa.com‘, machen sie darauf aufmerksam, dass der Respekt vor der Schöpfung tief im Islam verankert sei, und werben unter Muslimen für eine ökologische Lebensweise. Zum Ramadan wird in den Blogs zum Beispiel vor Lebensmittelverschwendung gewarnt.“ In diesem Rahmen werde auch diskutiert, „ob Massentierhaltung gegen die Prinzipien des Islams verstößt und die Gläubigen nach dem Vorbild Mohammeds weniger Fleisch essen sollten.“

Ökologisches Bewusstsein zeigen auch immer mehr islamische Organisationen und Initiativen, wie die Forscherin darlegt. So setzten sich muslimische Gemeinden wie im britischen Huddersfield für eine nachhaltige Bauweise ihrer neuen Moschee ein. Ähnliche Projekte seien in Cambridge in Großbritannien und in Norderstedt bei Hamburg geplant. „Gerade heute, wo der Islam im Westen ein schlechtes Image hat, sind viele Muslime stolz, dass ihre Religion ein umweltfreundliches Verhalten verlangt und fördert.“

Der Öko-Islam basiere auf einer islamischen Umweltethik, die Aussagen des Korans und der Hadith-Werke ökologisch interpretiere, wie die Islamwissenschaftlerin erläutert. „Nach dieser Auslegung besteht die gesamte Welt aus Zeichen Gottes und ist darum schützenswert. Gott hat dem Menschen als Statthalter die Verantwortung über die Schöpfung übertragen. Dieser hat demnach die Aufgabe, das Gleichgewicht auf der Erde wiederherzustellen, das durch den Klimawandel gestört ist.“

Auch der Schutz von Tieren lässt sich der Forscherin zufolge mit dem Koran belegen. Dazu würden Sprüche des Propheten Mohammed zitiert, nach denen er sich gut um Tiere kümmert und ihre Misshandlung bestraft. Der islamische Glaube ist für viele muslimische Umweltaktivisten das wichtigste Motiv ihres Engagements, wie Zbidis Untersuchungen ergeben haben. „Ihr Einsatz für die Umwelt bekommt durch die religiöse Fundierung eine besondere Wertigkeit. Die Aktivisten sehen es als ihre Pflicht an und glauben, dass sie für ihren Einsatz für die Schöpfung im Jenseits belohnt werden.“ Auch das Gemeinschaftsgefühl in Projekten und Kampagnen spiele eine große Rolle für die Motivation.

Monika Zbidi, Promotionsstipendiatin der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, war bis März 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Orientalische Philologie und Islamwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Dissertationsprojekt behandelt den Öko-Islam als moderne islamische Strömung. Erste Ergebnisse daraus will sie nun auf dem Deutschen Orientalistentag in der Sektion „Islamwissenschaft“ vor. Insgesamt präsentieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in gut 900 Vorträgen und 80 Panels neue Forschungsergebnisse über Kulturen in Asien, Afrika und in arabischen Regionen.

„Rettung der Erde vor dem Menschen“ ist keine religiöse Idee

Kritiker sehen in einem „Öko-Islam“ hingegen ein Einfallstor für ein assimiliertes Islamverständnis, wenn nicht gar eine Quelle von Bidʿa (Neuerungen in der Religion, die nicht mehr mit den Quellen vereinbar sind). Die vor allem in Europa und in europäisch orientierten Milieus der US-amerikanischen Oberschicht verbreitete Ideologie der „ökologischen Nachhaltigkeit“ gilt nicht wenigen als säkularer Religionsersatz.

Die Wurzeln der westlichen Ökologiebewegung sind zudem alles andere als religiös und ihre Protagonisten waren höchst selten fromme Menschen. Einer der geistigen Urväter der späteren „Ökologiebewegung“, der Ökonom Thomas Robert Malthus, sprach bereits 1789 von einer angeblichen „Überbevölkerung“, welche die „Tragfähigkeit der Erde“ gefährden würde. Vor allem in ärmeren Bevölkerungsschichten sollte seiner Auffassung nach deshalb der Staat dafür sorgen, dass deren Angehörige sich nicht mehr vermehren.

Ist schonender Umgang mit der Umwelt dem Islam nicht ohnehin schon inhärent?

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Islam überhaupt einen zusätzlichen Impuls benötigt, um schonend mit der Natur umzugehen: Die Weltreligionen sehen den Menschen als Nutzer und Bewahrer der Welt, in der er lebt. Auch im Islam geht man davon aus, dass alle Quellen, von denen unser Leben abhängt, uns Menschen von Gott als etwas Anvertrautes in unsere Obhut gegeben wurden. Und dass daraus eine Pflicht resultiert, diese Quellen nicht zu schädigen oder zu zerstören.

Gleichzeitig aber wird der Mensch im Islam als „Das ehrenvollste Geschöpf”, „Allahs Statthalter auf Erden“ , „das Wesentliche des Universums“ und „das am schönsten Erbaute“ bezeichnet – und erfährt damit eine ähnliche Wertschätzung wie in der Bibel, wo von der „Krone der Schöpfung“ die Rede ist.

Islamwissenschaftlerin Zbidi räumt selbst ein, dass der islamische Umwelt-Aktivismus in den 1960er-Jahren unter anderem als Reaktion auf die kontroversen Thesen des Historikers Lynn White Junior entwickelt wurde, der die Wurzeln der angeblichen ökologischen Krise in den monotheistischen Religionen sah. Gerade diese Haltung und die Tatsache, dass eine zur Ideologie oder Ersatzreligion erhobene Ökologie immer am Ende den Menschen als solchen zum Feindbild stempelt, sollte zu denken geben – und einer blauäugige Position von Muslimen gegenüber der westlichen Ökologiebewegung vorbeugen.