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Politik

Dringender Gesprächsbedarf zwischen Russland und der Türkei

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Die Syrienkrise droht das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei zu belasten. Konkurrenten im Westen wie im Nahen Osten verfolgen dies mit klammheimlicher Freude. Grund genug, sich für eine Rückkehr zur Vernunft stark zu machen.

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Dringender Gesprächsbedarf zwischen Russland und der Türkei
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In den letzten zehn Jahren haben sich Russland und die Türkei in vielerlei Hinsicht angenähert. Auf einen verstärkten wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Austausch folgte auch ein Prozess der gemeinsamen strategischen Ausrichtung, der allerdings in Folge des „Arabischen Frühlings“ und nicht zuletzt wegen der Syrien-Krise ins Stocken geraten ist. Vorgestern verschob der russische Präsident seine Teilnahme am dritten Meeting des „Rats der Zusammenarbeit auf höchster Ebene“ (ÜDIK). Das Treffen der Kommission, die wie ein Ministerrat die beiden Länder verbindet, sollte eigentlich am Sonntag beginnen.

Als Grund für die Absage Wladimir Putins am Meeting wurden terminliche Schwierigkeiten angegeben, doch ein Zusammenhang mit der Syrienkrise ist offensichtlich. Kremlnahen Quellen zufolge warte man in Moskau die am 6. November in den USA stattfindenden Präsidentschaftswahlen ab. Während seines Moskau-Besuches im Juli dieses Jahres hat Ministerpräsident Erdoğan Präsident Putin ein Angebot für die Ära nach Assad unterbreitet. Doch solange noch unklar ist, wer der nächste Amtsträger in Washington sein wird, ist es der Türkei nicht möglich, konkrete Schritte in der Syrienfrage zu unternehmen. Putins Pressereferent Dmitry Peskov gab an, dass beide Staatsmänner telefoniert hätten und der Besuch nicht abgesagt, sondern verschoben worden wäre. Er bestätigte des Weiteren, dass beide Staatsmänner sich auf den 3. Dezember als neuen Termin geeinigt hätten. Es hieß, dass Putin in der Krise zwischen der Türkei und Syrien Missverständnisse vermeiden wolle, die aufkommen könnten, wenn er in dieser Zeit eines der beiden Länder besuchen würde.

„Al-Arabiya“ gießt Öl ins Feuer

Präsident Putin bewertet den „Arabischen Frühling“ als eine Strategie des Westens, um die Energiequellen zu verteilen, wobei er der festen Meinung ist, dass Interventionen in die Innenpolitik anderer Länder nicht akzeptabel seien. Andererseits stößt sich Moskau daran, dass, neben anderen westlichen Staaten, auch die Türkei die syrische Opposition unterstützt. Anfangs bezichtigte Moskau Ankara, ein Waffenlieferant der syrischen Opposition zu sein, zeigte jedoch bei dem Abschuss des türkischen Jets im Juni keine Reaktion. Die Behauptungen „Al-Arabiyas“, Moskau habe an dem Abschuss des Jets mitgewirkt, lösten heftige Reaktionen aus und wurden als „Lüge“ bezeichnet. Der Beschuss Akçakales durch eine Mörsergranate syrischer Streitkräfte, die zum Tod von fünf türkischen Zivilisten führte, hat Moskau beunruhigt und erstmals dazu veranlasst, grünes Licht zur Verurteilung Syriens im UN- Sicherheitsrat zu geben.
Neben all diesen Unstimmigkeiten kam der Vorfall mit dem syrischen Passagierflugzeug, das in Ankara zur Landung gezwungen wurde, zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Bei der ersten „Jet-Krise“ hatte sich Russland noch zurückgehalten. Bei dieser neuen Krise gab es aus Moskau eine kritische Erklärung. In der vom Sprecher des russischen Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, verfassten Erklärung wird der Türkei vorgeworfen, 17 russische Zivilisten in Gefahr gebracht und den Mitarbeitern der russischen Botschaft in Ankara 8 Stunden lang den Kontakt zu den russischen Passagieren verwehrt zu haben. Die russischen Behörden wollen von der Türkei eine Erklärung und Garantie dafür, dass in Zukunft ähnliche Vorkommnisse nicht mehr passieren würden.
Annäherung bringt beiderseitigen Gewinn
Kremlnahen Quellen zufolge gibt es einige „Mächte“, die die Annäherung zwischen der Türkei und Russland in der neu zu gestaltenden Region nicht gerne sehen würden.

Dafür gäbe es vielerlei Gründe: Beide Länder haben die Visapflicht wechselseitig aufgehoben, Russland wird in der Türkei ein Atomkraftwerk im Wert von 20 Mrd. Dollar errichten, das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern ist auf 35 Mrd. Dollar gestiegen, die russische Sberbank hat mit dem Kauf der türkischen Denizbank für 3,6 Mrd. Dollar die teuerste Investition im Ausland gemacht und auch andere positive Entwicklungen könnten so manche Länder aus dem Westen und dem Mittleren Osten beunruhigen. Russische Experten behaupten, die Behauptungen der Al-Arabiya, der türkische Jet wäre mithilfe der Russen abgeschossen worden und das zur Landung gezwungene Flugzeug mit russischen Passagieren bemannt gewesen, wäre ein Ausdruck des Bestrebens, Zwietracht zwischen beiden Seiten zu schüren.
 
Sollten in dem syrischen Passagierflugzeug keine handfesten Beweise für militärisch nützliche Waren gefunden werden, werden sich die kritischen Stimmen gegen die Türkei in Russland mehren. Dabei sollte man auch nicht außer Acht lassen, dass sich der irakische Ministerpräsident Nuri El Maliki nach einer Vereinbarung über einen Waffenkauf mit Russland abschätzig über die Türkei geäußert hatte und der rechtsextreme Politiker Vladimir Schirinowskij von der „Liberaldemokratischen Partei Russlands“ gefordert hatte, den Botschafter aus Ankara „abzuziehen“.
 
Doch es gibt auch Gruppen, die vehement gegen eine Verhärtung der Fronten sind. Die türkischen Geschäftsleute, die in Russland 10 Mrd. Dollar Direktinvestitionen getätigt und für mehr als 35 Mrd. Dollar Bauaufträge vollendet haben, sind sehr beunruhigt. Diese Geschäftsleute schaffen für Tausende Russen Arbeitsplätze und würden von so einer Verhärtung sicherlich nicht profitieren. Und es gibt auch die russischen Türkei-Liebhaber in den Urlaubshochburgen. Diese Touristen könnten sich keinen besseren Urlaubsort vorstellen, als Antalya.
 
Es steht zu hoffen, dass die Vernunft die Oberhand gewinnt und man die richtigen Lehren aus der jahrhundertelangen wechselvollen Geschichte zwischen der Türkei und Russland gezogen hat.

Faruk Akkan (Cihan-Agentur, Moskau)