Connect with us

Panorama

Ist ein muslimisches Dschungelcamp denkbar?

Spread the love

Die „Stars“ sind zu Hause, im Camp der Leiden ist längst wieder Ruhe eingezogen. Außergewöhnlich viele Menschen sahen in diesem Jahr das RTL-Dschungelcamp aus Down Under. Alles nur Boulevardisierung ohne jeden Hintergrund? (Foto: RTL)

Published

on

RTL - Dschungelcamp - homepage
Spread the love

MEINUNG Ja, ich höre schon die empörten Rufe, Estağfirullah, um Gottes Willen, das kann es nicht geben, da gehen nur die Verweltlichten rein, ist mit „dem“ Islam nicht vereinbar, „einfach zu primitiv“, „schaut ja eh keiner von uns“. Es war allerdings eher so, dass zumindest ein paar Hunderttausende Muslime täglich dann eben auch Dschungelcamp gesehen haben, sie sahen, wie sich Larissa in die Herzen des Publikums stolperte, wie Winfried Glatzeder zwischen Choleriker mit Hang zur Aggressivität und eloquentem Gentleman schwankte oder wie andere gar keinen Charakter zu haben schienen – und das im fortgeschrittenen Alter.

Aber schauen wir uns die Sachlage etwas genauer an: Das Credo der Sendung lautet ja, dass es bei dem Kandidaten oder der Kandidatin eine deutliche Differenz zwischen dem eigenen Selbstverständnis auf der einen und der Außenwahrnehmung auf der anderen Seite geben muss. Im Marketing spricht man in dem Zusammenhang von einem „Image-Gefälle“, im Idealfall sollten die beiden Komponenten weitestgehend in Übereinstimmung stehen. Aber hier geht es um die Differenz. Und so betrachtet, liebe Freunde des erweiterten Witr-Gebetes, fiele mir islamischerseits sofort eine ganze Reihe von astreinen Kandidaten für ein muslimisches Dschungelcamp ein.

Der Mensch als Augentier

Nun, irgendein kluger Mensch hat einmal gesagt, dass der Mensch ein „Augentier“ sei. Er streckt gewöhnlich den Finger aus, zeigt auf das, was vor ihm geschieht und ruft: „Da läuft er, der hat was falsch gemacht“, oder „die hat keine Ahnung!“ Nun, liebe Schwester, lieber Bruder, dreh mal langsam den Finger um, ja noch weiter, und du wirst sehen, ja, genau jetzt, dass der Finger auf dich zeigt, nur auf dich ganz allein und frag dich mal, wie die vielen Verse im Quran gemeint sind, die da sprechen von den Stimmen der Gleichgültigkeit (ghaflah), der Ignoranz (dhalalah), ja des Unglaubens (kufr) oder im Gegensatz dazu von den Stimmen der Enthaltsamkeit (zuhd), des Glaubens (iman) und der Schönheit (zain).

Sind denn diese Figuren, diese Typen – und hier handelt es sich um „Erzähltypen“? – nur bei den anderen, die natürlich immer alles falsch machen, oder nicht auch in uns? Ja, wie soll denn diese Offenbarung wirken, wenn nicht in und durch uns, frage ich mich. Welche Probleme haben die Propheten gehabt, ihren Jüngern und Schülern Dinge zu erklären, die „nicht von dieser Welt“ waren, weil diese ihnen einfach nicht glauben wollten oder konnten.

Dschungelcamp als sufische Übung

Die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zeigt sich für mich bei den Muslimen in Deutschland vor allem in der Unfähigkeit, sich zu organisieren. Da geht es sofort um Machtfragen, um Konfessionen, wen man „bekämpfen“ sollte, es geht – es ist kaum zu glauben – um ethnische Befindlichkeiten, so dass man meinen könnte, man befände sich in einem vormedinensischen Zustand – nur auf islamischen Niveau. Hier in eine neue Rolle zu schlüpfen, oder wie es bei den Indianern Nordamerikas, heißt „walking in the shoes of the other“, kann eine angenehme Erfahrung sein. Abgesehen von der unappetitlichen Nahrungseinlagen, die eindeutig abzulehnen sind, könnte ich mir andere Übungen vorstellen, wie zum Beispiel Prüfungen, in denen man Aufgaben gemeinsam lösen muss, Kompromisse finden muss: Das wäre ein innerislamischer Dialog im Rahmen eines konstruktiven Teambuildings.

Auch interessant zu sehen wäre, wie die junge muslimische „Generation Smartphone“, die auch zu dick ist und sich auch keine Schuhe mehr zubinden kann, auf körperliche Herausforderungen reagieren würde; ginge es in die Berge, auf Bäume oder – wie bei Larissa Marolt – mit verbundenen Augen auf schmale Bretter in 30 Metern Höhe (Dschungelprüfung „Hohe Erwartungen“).

Nicht besser als die anderen

All diese Dinge sind oft nur mit Humor zu ertragen. Und Humor haben Muslime eben auch. Wie jener Vertreter der al-Azhar-Universität, der bei einer Dialogveranstaltung die großen Bildbände vom Büchertisch einsteckte – ohne zu bezahlen; oder ein Professor, ein älterer Herr aus Indonesien, der die Augen von einer schönen Teilnehmerin nicht lassen konnte und dann – wie es die Konferenz meinte – „zeitnah von oben“ bestraft wurde, als er den Schlüssel in seinem Zimmer abbrach und nachts stundenlang eingesperrt war.

Hier gäbe es eine ganze Reihe von Geschichten zu erzählen, die alle menschlich sind und das ist auch gut so. Oder wie man im Sudan sagt: „Kullu sawa sawa“ – alle sind gleich…