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Kolumnen

Du hättest mehr Anerkennung verdient!

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Ahmet Altan, der Chefredakteur der Zeitung „Taraf“, die trotz ihrer Unabhängigkeit von größeren Medienkonglomeraten über beachtlichen Einfluss in der türkischen Medienlandschaft verfügte, wirft das Handtuch. Selbst mit Erdoğan legte sich „Taraf“ an.

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Du hättest mehr Anerkennung verdient!
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Ein Offener Brief von Ismail Kul

Geschätzter Ahmet Altan,

falls es Dir genehm ist, möchte ich Dich duzen.
Du hast vor einigen Tagen die Zeitung Taraf verlassen. Du hattest Taraf als Chefradakteur und Chefkolumnist entscheidend geprägt.

Nicht nur das: Du hast bei der Umwandlung der Türkei von einem autoritär-militärisch geprägten zu einem demokratischeren und freieren Land als wichtiger Katalysator mitgewirkt.
Nun hast Du die Zeitung Taraf verlassen. Dir sind dabei auch Deine Stellvertreterin Yasemin Çongar sowie Neşe Düzel, die Chefinterviewerin der Zeitung, gefolgt.

Du sagst in Deinem letzten Artikel, dass Dein eigentliches Metier der Roman ist. Dass Du seit langem in Dein Metier zurückkehren wolltest. Was aus Taraf wird, steht in den Sternen. Welches Romanprojekt Du im Sinn hast, wissen wir auch nicht.

Aber an dieser Stelle verdient Deine Zeit bei Taraf eine dankbare Würdigung.

Warum? Die Zeitung Taraf wurde am 15. November 2007 gegründet. In einer Zeit, als viele sich duckten, hat sich Taraf mit den Mächtigen im Land angelegt. Damals waren es die Militärkreise, denen immer noch kaum einer zu widersprechen wagt.

Mut vor den Königsthronen – egal, ob die Armee oder die AKP das Sagen hatte

Ihr aber habt mit Euren mutigen Enthüllungsberichten und Kommentaren den Schwachen, den zivilgesellschaftlichen Kräften eine Stimme gegeben. Ihr wart links, ihr wart liberal gesinnt. Ihr dachtet nicht nur so, ihr meintet es auch ernst damit.

Als die Vormacht der Militärs nach und nach bröckelte, im gleichen Zuge aber die Regierung der AKP sich festigte und mit Fortdauer der Zeit autoritäre Züge zu zeigen schien, habt ihr Euch auch mit der AKP angelegt.

Leider hat die Zivilgesellschaft der Türkei Euch die nötige, die verdiente Treue versagt. Die Angst vor den Konsequenzen, zuerst vor den zornigen Militärs, danach vor dem zornigen Erdoğan, schien die Geschäftsmänner und –frauen des Landes verschreckt zu haben. So kam es, dass sie Euch unter anderem nicht mehr mit den nötigen Anzeigen unterstützt haben.

Und wir wissen ja: Allein aus dem Verkaufserlös können Zeitungen heute nur schwerlich überleben.

Einige Kreise haben Euch aber auch Eurer liberalen und weltanschaulichen Gesinnung wegen angefeindet. Einige wollten aus dem Fehlverhalten einiger Familienmitglieder Deinen Namen in Misskredit bringen. Was für eine bornierte Haltung!

Eine wichtige Stimme verstummt

Einigen waren Eure Standpunkte in der Kurdenfrage ein Dorn im Auge. Dabei wissen wir doch: Die Demokratie lebt von Kritik und eine Gesellschaft wird auch von jenen Kräften zusammengehalten, die sich gegenüber dem eigenen kritisch verhalten und auch der anderen Seite Gehör verschaffen.
Viele Leser werden nun Deine Artikel vermissen. Du hast auch Streit mit Erdoğan gehabt. Auch ohne über die Streitinhalte urteilen zu wollen, hätte ich mir gewünscht, dass Erdoğan sich nicht so dünnhäutig Dir gegenüber gezeigt hätte. Dass er Deine Verdienste gewürdigt hätte. Dass er eingesehen hätte: Die Türkei braucht mutige Streiter für die Demokratie!

Auch die AKP braucht unabhängige Stimmen, eine mediale Opposition. Eine Opposition, die nicht gehässig ist, aber ohne Angst Fehlverhalten anprangert und kritisiert.

Aber… Ich kann nicht für Erdoğan sprechen – auch nicht für die anderen.

Für meinen Teil sage ich Dir: Danke für Deine tollen Artikel! Danke für Deine Verdienste! Dein Mut wird nicht vergessen werden.