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Politik

SPD-Spitze schon im Oktober über Edathy-Ermittlungen im Bilde

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Der Fall Edathy wird zunehmend mysteriöser: Während der Politiker selbst betont, dass es keinerlei strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen ihn gäbe, werden Strafvereitelungsvorwürfe gegen Ex-Minister Friedrich und die SPD-Spitze laut.

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Die Staatsanwaltschaft hat bei den Durchsuchungen in Büros und Wohnungen des SPD-Politikers Sebastian Edathy nur wenig Material gefunden. Bei den Aktionen am Montag sei man lediglich auf schriftliche Dokumente gestoßen, sagte am Donnerstag ein Vertreter der Ermittlungsbehörden der dpa in Hannover. Am Mittwoch sei dann ein Computer aus einem Büro in Edathys Heimatort Rehburg mitgenommen worden. Weitere Rechner seien offensichtlich zuvor entfernt worden. „Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben“, sagte der Ermittler nachdem bekanntgeworden war, dass die SPD-Spitze schon im Herbst vom Verdacht erfahren hatte.

Laut Fraktionschef Thomas Oppermann war die SPD-Spitze seit Oktober 2013 über mögliche Kinderpornografie-Ermittlungen gegen Sebastian Edathy informiert – im Dezember schließlich auch die neue Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht. Diese sagte jedoch am Dienstag, keine „persönliche Kenntnis“ darüber zu haben, was der Grund für das Ermittlungsverfahren gegen Edathy sei.

Am Dienstag hatte sie in einer Runde mit Journalisten geäußert: „Die genannten Gründe, Besitz von Kinderpornografie, sind sehr schwerwiegend.“ Auf Nachfrage, warum sie anders als die dazu schweigende Staatsanwaltschaft von Kinderpornografie-Vorwürfen spreche, und was sie persönlich zu den Ermittlungen wisse, antwortete sie: „Ich beziehe mich nur auf die genannten Gründe, die in Medien bekannt wurden. Ich persönlich habe keine Kenntnis darüber, was der Grund für das Ermittlungsverfahren ist.“ Fraktionschef Oppermann hatte am Dienstagnachmittag geäußert: „Die geäußerten Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wiegen ungeheuer schwer.“

„Es geht ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte“

Am Donnerstag teilte Oppermann dann in einer Erklärung mit, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sei bereits im Oktober 2013 von dem damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über mögliche Ermittlungen gegen Sebastian Edathy informiert worden. Das teilte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann am Donnerstag in einer Erklärung mit, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der Name Edathy sei bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht. „Dabei – so die damalige Auskunft an den Parteivorsitzenden – gehe es ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte.“ Allerdings hieß es damals, es werde möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen, heißt es in der Erklärung weiter.

„Sigmar Gabriel hat darüber den Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und mich als 1. Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion informiert“, teilte Oppermann mit. „Ich habe mir diese Informationen im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen.“

Gabriel, Steinmeier und er hätten sich darüber verständigt, die Informationen vertraulich zu behandeln, um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden. „Nach ihrer Wahl habe ich im Dezember 2013 Christine Lambrecht als meine Nachfolgerin als 1. Parlamentarische Geschäftsführerin informiert“, so Oppermann.

Die Staatsanwaltschaft Hannover äußert sich bisher nicht zu dem konkreten Verdacht gegen Edathy, der am Freitag nach über 15 Jahren im Bundestag sein Mandat niedergelegt und dies am Samstag mitgeteilt hatte – er nannte dafür gesundheitliche Gründe. Nach Bekanntwerden der Ermittlungen wies er den Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie zurück.

Die Tageszeitung „Die Welt“ berichtet, Edathy solle nach Informationen aus Sicherheitskreisen Kunde bei einem kanadischen Online-Shop gewesen sein, der kinderpornografisches Material angeboten hat. Die Staatsanwaltschaft Hannover ist sich sicher, dass ein begründeter Anfangsverdacht gegen Edathy vorliegt.

„Leicht bekleidete Kinder und Jugendliche ohne sexuelle Handlungen“

Nach Informationen der „Welt“ gehen die Ermittler Hinweisen nach, denen zufolge Edathy das Material teilweise über einen Internetserver des Bundestags gekauft haben soll. Diesen Angaben zufolge habe er offenbar seine Kreditkarte eingesetzt.

Bei den von Edathy erworbenen Aufnahmen soll es sich um sogenannte Posing-Videos handeln. In solchen Filmen werden leicht oder unbekleidete Kinder und Jugendliche gezeigt, jedoch keine sexuellen Handlungen. Dies wäre nach geltender Gesetzeslage nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung strafrechtlich nicht relevant. Auf Nachfrage der „Welt“ wollte sich Edathy nicht dazu äußern.

Die Weitergabe von Informationen im Fall des SPD-Politikers Sebastian Edathy an die SPD-Spitze stößt bei den zuständigen Ermittlern auf heftige Kritik. „Das grenzt an Strafvereitelung“, sagte ein Vertreter der Ermittlungsbehörden am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in Hannover. Dass der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober 2013 über den Verdacht im Zusammenhang mit Kinderpornografie gegen Edathy informiert hat, habe die Ermittlungen wohl erheblich behindert. „Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben“, sagte der Vertreter der Ermittlungsbehörden.

Die mit dem Fall Edathy betrauten Ermittler der Polizei in Niedersachsen hegen den Verdacht, dass der Politiker einen Tipp erhalten und somit früh über die Ermittlungen gegen ihn Bescheid wusste.

Bei der Durchsuchung von Wohnung und Büros stellten die Ermittler nach Informationen der Bild-Zeitung fest, dass bei Computern Festplatten manipuliert oder gelöscht wurden. Ein Ermittler äußerte sich dem Boulevardblatt gegenüber: „Das stinkt zum Himmel, er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet.”

Anzeige gegen Friedrich und BKA-Ziercke

Für den aus dem Bundestag ausgeschiedenen Sebastian Edathy rückt die niedersächsische SPD-Politikerin Gabriele Groneberg nach. Das gab Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Donnerstag bekannt. Die 58-Jährige war bereits 2002 bis 2009 Mitglied des Parlaments. Von Juni 2012 bis September 2013 saß sie noch einmal als Nachrückerin im Bundestag, nachdem ihr Parteifreund Garrelt Duin zum Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen aufgestiegen war.

Der rechtspolitische Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, Carsten Biesok, erstattet im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy Anzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft. „Ich werde die Staatsanwaltschaft Berlin in meiner Anzeige bitten, zu überprüfen, ob sich der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter-Friedrich der Verletzung von Dienstgeheimnissen und der versuchten Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht hat“, erklärt der Abgeordnete. „Die Anzeige wird sich zudem gegen den BKA-Präsidenten Jörg Ziercke richten, da er den SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann ebenfalls bereits im Oktober über den Vorgang Edathy unterrichtet hatte. Ferner werde ich den Bundesdatenschutzbeauftragten bitte, den Vorgang zu überprüfen.“

Hingegen kommen aus anderen Parteien nachdenklichere Töne. Die Europawahlkandidatin der eurokritischen „Alternative für Deutschland“ (AfD), Beatrix von Storch, rät auf ihrer facebook-Pinnwand zu einem abwartenden Umgang mit den Vorwürfen, die gegen Edathy erhoben werden, indem sie die Fragen aufwirft: „Sind wir uns einig, dass jede/r Computer/E-Mail, der/die gehackt werden kann, auch manipuliert werden kann? Was sind also Beweise wert, falls die (nur) aus dem Auslesen von Computern/E-Mails stammen?“ (dpa/dtj)