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Politik

Ein bisschen Frieden: Cem Özdemir, Erdoğan und die Taxifahrer

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Wenn ein Parteichef sich über türkische Taxifahrer beschwert, weil die ihn beschimpfen, dann hört die Branche das nicht gern. Im Bundestag trifft Cem Özdemir sich zum klärenden Gespräch mit Taxi-Verbänden. Steigt er jetzt wieder öfter ein?

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Grünen-Politiker Cem Özdemir mit Vertretern von Taxi-Verbänden
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Cem Özdemir braucht eigentlich selten ein Taxi. Es gibt die Fahrbereitschaft des Bundestags, aus Sicherheitsgründen wird der Grünen-Chef auch manchmal vom Bundeskriminalamt gefahren. Trotzdem trifft Özdemir sich mit gleich vier Vertretern der Taxibranche, sie haben Redebedarf. Über eine Stunde sitzen sie am Mittwoch zusammen im Bundestag, länger als geplant.

Dass der Parteichef kaum noch Taxi fährt und Personenschützer ihn begleiten, hat den selben Grund. Er wird von türkischen Nationalisten angefeindet, seit der Bundestag im Juni den Mord an den Armeniern im Jahr 1915 offiziell Völkermord genannt hat. Özdemir war eine treibende Kraft dahinter. Und er ist lauter Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Das macht ihn zur Zielscheibe.

Vor Weihnachten wurde es dem Parteichef zu bunt: In einem Brief an die Innung des Berliner Taxigewerbes und den Taxiverband Berlin-Brandenburg schrieb er, es überschreite „jede akzeptable Grenze, wenn ich oder andere Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen jeglicher Art ausgesetzt werden.“

Denn auch anderen Parlamentariern gehe es so, sagt Özdemir, und dem Ex-Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar. Der habe erzählt, dass er als Verräter beschimpft und bespuckt worden sei, und dass es in Taxis am schlimmsten sei. „Und als er dann noch sagte, in Istanbul fühle er sich sicherer als in Berlin, da dachte ich, jetzt reicht’s.“

Die Berliner Taxibranche hört das nicht gern. Leszek Nadolski von der Innung des Berliner Taxigewerbes schlägt ein Treffen vor. Die Botschaft, die ihm danach wichtig ist: „Täglich werden hier 80 000 Aufträge vermittelt, und wenn einer schief läuft oder zwei, liegt das im Promillebereich.“ Von 8200 Taxis in Berlin sind 6500 bei Taxi Berlin organisiert, sie werden seit 2014 alle geschult – und lernen unter anderem, dass sie nicht über Politik und Religion sprechen sollen, sagt Detlev Freutel vom Taxiverband Berlin-Brandenburg.

In dieser Geschichte geht es aber nicht nur um einige aggressive türkischstämmige Taxifahrer, die sich nicht daran halten – „nicht die Mehrheit“, betont Özdemir. Es geht auch um die türkische Community in Deutschland, die politisch tief gespalten ist. Und zwar überall, „ob in Berlin, Stuttgart, Köln oder sonst wo“, sagt Gökay Sofuoğlu, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

Das anstehende Referendum darüber, ob Erdoğan mehr Macht bekommen soll, verschärfe die Lage. Manche Türken oder Deutschtürken empfänden jede Kritik an Erdoğan als Verrat – und sie hätten kaum Interesse daran, mit gemäßigter Denkenden zu sprechen, sagt Sofuoğlu. Er geht davon aus, dass das Referendum über Erdoğans Machtfülle im April auch unter den Türken in Deutschland knapp ausgehen wird.

Wird sich etwas ändern? Es sei darum gegangen wie man schwarze Schafe noch besser schulen könnte, sagt Freutel. „Aber diese Einzelfälle sind sehr schwer zu handhaben.“ Möglich sei etwa, dass Fahrer gesperrt werden oder bestimmte Kunden nur bestimmte Fahrer zugewiesen kriegen. Kunden sollten sich per App oder zentraler Rufnummer ein Taxi rufen und sich beschweren, wenn was nicht gut laufe – dann werde dem nachgegangen.

Özdemir muss nach dem Gespräch schnell los, zeigt sich aber zufrieden. Die Verbände hätten ja auch ein Interesse dran, „die schwarzen Schafe aus dem Verkehr ziehen“ – und er werde nun wieder öfter ins Taxi steigen. Freutel vom Taxiverband ist sicher: „Er bleibt uns als Stammgast erhalten.“ (Teresa Dapp, dpa/ dtj)