Connect with us

Film/Kultur/Religion

Ein Didgeridoo unter den Sufis

Published

on

Spread the love

Didgeridoos sind oft zwei Meter lang. Fachleute sprechen von einem „obertonreichen Blasinstrument“. Dieses exotische Instrument hat nun Platz in der Sufi-Musik ergattert. Ein deutscher Didgeridoo-Künstler aus Wuppertal macht mit seinem Instrument Musik zu den religiösen Zeremonien seines Nakschbandi-Orten. Ein ungewöhnlicher Weg, internationale Kultur, Musik und Religion miteinander zu verbinden.

Melodie, Tanz und Lyrik spielen eine wichtige Rolle im Sufismus, dem mystischen Pfad im Islam. Spirituelle Musik prägt die religiösen Rituale der Sufisten immens. Etwa dann, wenn tanzende Derwische sich mit Musik in einen Trance-Zustand drehen. Aber auch dann, wenn Aleviten und Bektaaschiten durch eine Semah an den Pforten des göttlichen Himmels klopfen. Selbstverständlich auch dann, wenn ein Glaubender sich durch Musik und Tanz vertieft und Gott sucht.

Marvin Dillmann gehört zu einem außergewöhnlichen Sufi Orden, in dem neben klassischen islamischen Elementen auch Platz für Exotisches ist. Dillmann ist Didgeridoo-Künstler und Percussionist. Vor rund 20 Jahren ist er mit dem Didgeridoo erstmals in Berührung gekommen, als er seine Oma zum ersten Mal in seinem Leben in Australien besuchte: „Meine Oma ist nach Australien ausgewandert. Wir haben sie damals besucht 1995. In Sydney am Hafen haben Aborigines Straßenmusik gemacht für Touristen. Meine Oma sagte: Komm setz dich mal zu ihnen.“ so der junge Wuppertaler.

Die erste Begegnung mit den australischen Ureinwohnern habe dem jungen Dillmann eine völlig neue Welt eröffnet. Einer der Straßenmusiker erklärte ihm, wie das Instrument funktioniert. „Er machte so eine Art Vibrieren mit den Lippen und guckte mich dabei ernst an und machte: brrrrrr… Das war mein Schlüsselerlebnis. Nach dieser Anweisung, oder ich nenne es Initiation, habe ich dann einen Ton rausbekommen. Danach war es um mich geschehen.“ spricht Dillmann heute noch fasziniert.

Didgeridoo vermutlich 20.000 Jahre alt

Das Didgeridoo ist ursprünglich ein von Termiten ausgehöhlter Eukalyptus-Baumstamm, mit dem sich besondere Töne erzeugen lassen. Über die Entstehungsgeschichte dieses Instruments streiten sich die Experten. Und es gibt zahllose Legenden. In einer Legende heißt es, dass Frauen Feuerholz sammelten, als ein paar hohle Äste durch den blasenden Wind diesen Ur-Ton erzeugten. Dann probierten sie es selbst aus und entdeckten damit das Instrument. Man weiß nicht genau, wie alt das Instrument ist. „Es ist wahrscheinlich das älteste Blasinstrument, wenn nicht sogar das älteste Instrument. Es gibt welche, die sagen, es ist 40.000 Jahre alt, aber es wird wahrscheinlich mindestens 20.000 Jahre alt sein.“ weiß Künstler Dillmann.

Marvin Dillmann, fasziniert vom Didgeridoo, fühlt sich einige Jahre später auch vom islamischen Sufismus angezogen. So entsteht die Idee, das Didgeridoo als Instrument im Sufismus einzusetzen. Und so findet ein hohler Eukalyptusstamm aus dem fernen Australien seinen Weg in die mystischen Sphären der islamischen Sufi-Welt – und zwar ausgerechnet nach Deutschland. Sein Scheich zeigt sich offen für Neuigkeiten und für Vielfalt im Sufismus. Das ist heute nicht selbstverständlich. Obwohl der mystische Islam als moderat und eher undogmatisch gilt, sind in letzter Zeit Tendenzen zu beobachten, die vielen Sufi-Orden eine politische Richtung verleiht. Vor allem in Verbindung mit der türkischen Politik verkommen viele Orden zu Zweigen des politischen Islam und verlassen ihren Weg der Toleranz gegenüber allen Menschen auf diesem Planeten. Doch als der Wuppertaler Dillmann den Weg zum Sufismus findet, ist es noch nicht so, wie es vielerorts heute geworden ist.

Mit Didgeridoo um Gotteswohlgefallen spielen

Im Sufismus schließt man sich traditionell einem Meister an, der dann für den Schüler zum geistigen Vater wird. Sein Lehrer habe Marvin Dillmann durch due Musik ein Stück weit auch erzogen. „Vorher war mein Ego viel vordergründiger. Es ist heute noch bei mir da, aber es hat nicht mehr den Stellenwert“, sondern etwas Größeres sei in den Vordergrund gerückt, erläutert Dillmann die Veränderung. Für die Sufis ist die Welt vieles, aber auch ein Klang. Sie sehen in jedem Detail ihren Schöpfer und eifern den kleinen Dingen nach. In der Sufi-Tradition spricht man davon, dass alles im Zikrullah sei, also dass alles in der Gotteserinnerung sei. Jedes Atom und jedes Geschöpf lobpreise und singe die Namen Gottes. Mit Musik versuchen Sufis dem näher zu kommen, den sie für ihren Schöpfer halten. So auch der Wuppertaler Didgeridoo-Spieler Marvin Dillmann. Und ganz nebenbei belegt er mit seiner Musik, dass es islamische Strömungen gibt, die undogmatisch und weltoffen sein können. Auch wenn politische Tendenzen viele Kreise von dem wahren Pfad des Sufismus immer weiter abbringen. Eine Rückbesinnung könnte diesen vielfältigen Zweig des Islam rehabilitieren.