Connect with us

Kolumnen

Ein herkömmlicher Staatsbesuch?

Published

on

Spread the love

Der anstehende Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Griechenland ist in vielerlei Hinsicht interessant und lohnt sich für eine genauere Analyse.

Betrachtet man die nackten Zahlen, fällt sofort ins Auge, dass es der erste Besuch eines türkischen Staatsoberhaupts im einst verfeindeten Nachbarland seit 1952 ist. Aber das ist nur eine Randnotiz, denn Erdoğan war bereits als Ministerpräsident mehrfach dort.

Erstmals werden zudem bei einem türkisch-griechischen Spitzentreffen die Zypern-Frage und die Hoheitsrechte in der Ägäis nicht ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Ohnehin versuchen beide Nato-Staaten diese Spannungen mit enger Kooperation im Bereich Energie, Transport und Tourismus zu entschärfen.

Auch wird es nicht vordergründig um die Auslieferung von acht türkischen Militärs und der übrigen zivilen Flüchtlinge gehen, die nach dem gescheiterten Putsch im Sommer 2016 nach Griechenland geflüchtet waren. Die griechische Justiz hat die Auslieferung der Soldaten bereits mehrfach ausgeschlossen.

Mit Charme-Offensive aus der Isolation

Vielmehr steht für den türkischen Präsidenten selbst einiges auf dem Spiel. Diplomaten werten den Besuch als eine Art Charme-Offensive Erdoğans. Er ist zuletzt wegen der schlagartigen Verschlechterung der Beziehungen mit Berlin und Washington unter Zugzwang geraten. Der starke Mann in Ankara will mit dem Besuch am Donnerstag und Freitag auch zeigen, dass es Länder der EU gibt, die die Wichtigkeit der Türkei erkennen und keinen Streit mit dieser Regionalmacht wollen.

Die Entwicklung nach dem Putschversuch, insbesondere der anhaltende Ausnahmezustand, hat ihn auf internationalem Parkett zunehmend isoliert. Er ist nicht mehr jemand, der oft besucht wird oder dessen Besuchsanfragen mit „High Priority“ behandelt werden.

Sich mit einem westlichen Spitzenpolitiker zu zeigen ist für ihn in den letzten anderthalb Jahren von lebenswichtiger Bedeutung geworden. Selbst Telefonate mit Trump, Putin oder Merkel werden in den türkischen Regierungsmedien stets als Headline wiedergegeben.

Warum ist das so? Der Präsident hat mit einem zunehmenden Legitimitätsproblem zu kämpfen. Dieser Prozess hat mit den Gezi-Protesten begonnen und erreichte einen Höhepunkt mit den Parlamentswahlen im Juni 2015 und zuletzt mit dem Referendum im April 2017. Auch wenn er weiter an der Macht geblieben ist und seine Macht in der Türkei so weit gebracht hat, dass er mittlerweile sogar mit Dekreten regieren kann, hat sein Ansehen auf internationalem Parkett maximal abgerieben. Erdogan weiß das und versucht alles, um den Spieß wieder zu drehen.

Was eine Ironie; Griechenland ist das einzige (namhaftere) Land innerhalb der EU, das die Türkei aktuell unterstützt. Und so kann es sein, dass Athen bald als Vermittler fungieren muss. Eine Rolle, die eigentlich einst der Türkei zugedacht war. Die Türkei als das Tor zum Nahen Osten und Zentralasien. Aber diese Rolle hat die Türkei wegen Erdoğans unnachgiebigen Konfrontationskurs gegen die westliche Welt verloren. Und all das trotz der „erfolgreichen“ Rolle in der Flüchtlingskrise.

Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei nahezu einwandfrei

Kein Land hätte das Rücknahmeabkommen mit der Türkei besser koordinieren können als Griechenland. Man muss den Hut vor der griechischen Administration ziehen, die die Beziehungen mit einer, sich immer mehr von der Demokratie entfernenden Türkei dermaßen problemlos aufrechterhält.

Der Griechenland-Besuch wird Erdoğan also die Gelegenheit geben, einen westlichen Spitzenpolitiker zu treffen, mit dem er (noch) keinen Streit hat. Innenpolitisch wird er sich mit dem Hinweis auf die historische Marke schmücken, nach außen hin wird er bei Regierungschef Alexis Tsipras und Präsident Prokopis Pavlopoulos wahrscheinlich vorfühlen, inwiefern und unter welchen Bedingungen sie sich eine Vermittlerrolle vorstellen könnten.

Die eingangs erwähnten Punkte werden sicherlich zu Sprache kommen, mehr aber auch nicht. Die in der Vergangenheit immer wieder auf den Tisch gekommene Moschee in Athen hat sich auch insofern erledigt, da es durch die muslimischen Flüchtlinge mittlerweile mehr als eine Gebetsmöglichkeit in der griechischen Hauptstadt gibt. Ein Großmoschee-Projekt, womit sich Erdoğan in seiner Zeit als Ministerpräsident vornehmlich auf dem Balkan geschmückt hat, steht in der aktuellen Großwetterlage nicht zur Diskussion.

Reza Zarrab in Athen kein unbeschriebenes Blatt

Weniger beachtet werden können die Gerüchte, wonach Erdoğan angesichts des laufenden Zarrab-Prozesses in den USA überlege, den Besuch zu vollziehen. Dass in den sozialen Medien überhaupt darüber spekuliert wird, dass ein türkischer Staatschef festgenommen werden könnte, sobald er westliches Territorium betritt, zeigt das bedrückende Ausmaß seiner derzeitigen Lage und ist beschämend.

Apropos Zarrab: Er ist den Griechen durchaus ein Begriff. In den durch die türkische Regierung behinderten und schließlich eingestellten Ermittlungen rund um die Korruptionsaffäre im Dezember 2013 war bekannt geworden, dass der iranisch-türkische Goldhändler in Griechenland ein ähnliches Geldwäsche-System wie in der Türkei aufbauen wollte. Ein überaus plausibler Gedanke angesichts der wirtschaftlichen Schieflage im Land. Doch anders als Zarrab erwartet haben dürfte, bekam er kein grünes Licht aus Athen – im Gegensatz zu Ankara. So befindet sich in Griechenland bis heute Gelder des Iran, die im Zuge der Iran-Sanktionen geblockt wurden. Schätzungen zufolge belaufen sich die Gelder des Iran in Griechenland auf rund 10 Milliarden Dollar. Auch das hätte Zarrab gerne gewaschen. Pustekuchen.