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Politik

Ein klassisches Wahlkampfthema in Deutschland: Der EU-Beitritt der Türkei

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Die Bundestagswahl nähert sich rasant und rechte Kreise wittern bei der Agitation gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei Rückenwind. Diesmal sind die Gründe Demonstrationen im Gezi-Park und die unbequeme Haltung des Premierministers. (Foto: aa)

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Ein klassisches Wahlkampfthema in Deutschland: Der EU-Beitritt der Türkei
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Eigentlich sollte zwischen EU und der Türkei ein neues Beitrittskapitel geöffnet werden – schließlich hatten sich die Beitrittsverhandlungen ohnehin praktisch um drei Jahre verschoben. Das Land als Mitglied der NATO und der Zollunion sowie wichtigster Handelspartner der EU, in einer strategisch bedeutenden Region gelegen, fühlt sich schon seit Längerem benachteiligt. Im Rahmen der Sitzung der EU-Ratspräsidentschaft und des EU-Assoziationsrates in Irland äußerte sich im Mai der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu überaus besorgt: „Aus rein politischen Gründen wurde das 17. Verhandlungskapitel zum Stillstand gebracht. Unter der irischen Ratspräsidentschaft wurde lediglich ein einziges Kapitel bearbeitet. Das ist nicht angemessen, denn wenn es so stockend läuft, müssen wir erneut ein halbes Jahrhundert warten.“

Auch scheint der Drang nach einen konsequenten Umsetzung des Projekts „EU-Mitgliedschaft“ in der Türkei selbst nicht mehr so nachhaltig zu sein, wie er einst war. Bei der „Transatlantischen-Trends-Umfrage“ stimmten nur 38 % der befragten Türken für einen EU-Beitritt, während der Anteil der Beitrittsbefürworter 2004 noch bei 73 % lag.

Dennoch war es im Juni soweit: Die Europäische Union und ihr chronischer Beitrittskandidat hatten geplant, sich Ende des Monats zum Zwecke der Eröffnung eines neuen Beitrittskapitels an den Verhandlungstisch zu setzen – bis sich in der entscheidenden Phase die unerwarteten Gezi-Park- Ausschreitungen ausbreiteten.

Türkei unbeeindruckt von deutschem Stammtischgepolter

Darüber hinaus waren im deutschen Wahlkampf die türkischen Beitrittsambitionen stets ein entscheidendes Thema. Kurz vor den Bundestagswahlen am 22.September ist auch der EU-Betritt der Türkei wieder von Interesse.

Die Bayrischen Christsozialen nahmen rasch Stellung: CSU-Chef Horst Seehofer führte aus, dass die Regierung mit den Demonstranten falsch umginge. „Das ist für mich ein starkes Argument gegen einen Beitritt zur EU. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union kommt ohnehin nicht in Betracht“, so Bayerns Ministerpräsident.

Zwar nicht in gleichem Ton und so unverblümt wie ihr Bündnispartner Seehofer, aber inhaltlich nicht abweichend hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits am Anfang des Jahres gegen einen Beitritt der Türkei zur europäischen Union ausgesprochen: „Die CDU strebt nach einer politisch standhaften Vereinigung. Für neue Mitgliedskandidaten werden strenge Kriterien gestellt. Die Türkei ist weit davon entfernt, diese Bedingungen zu erfüllen.“

Auf die Initiativen innerhalb der EU, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu unterbrechen, reagierte Premierminiser Erdoğan unbeeindruckt. Auf der am Wochenende organisierten Kundgebung in Ankara erwähnte er, dass die Türkei die Ermahnungen der EU nicht benötige und die Union dazu auch nicht berechtigt sei. „Die Türkei ist ein Rechtsstaat und keine zweitklassige Demokratie. Der Beitritt ist unser Recht und wir müssen sicher keine Erwartungen an Gerechtigkeit und Fairness erfüllen”, so der Regierungschef.

Die anhaltende Spannung sorgte dafür, dass Justizminister Sadullah Ergin nun seinen geplanten Besuch in Brüssel absagte. Dort wird wiederum über einen Ausfall des am 26. Juni anstehenden 22. Beitrittskapitels zwischen der Türkei und der EU spekuliert. Infolgedessen brach am Montag auch die türkische Menschenrechtskommission den Kontakt mit Brüssel ab. Als Konsequenz dazu könnte auch eine Absage des bevorstehenden Türkei-Besuchs des EU-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten folgen, berichten Diplomaten der EU.

Schickt Merkel Seehofer als Minenhund vor?

Bereits lange vor den geplanten Beitrittsverhandlungen unter der EU-Ratspräsidentschaft Irlands steuerte die Bundesregierung den 22. Beitrittsverhandlungen entgegen, die am 26. Juni stattfinden sollten. Daneben wurde letzte Woche die Tagung des Ausschusses der ständigen Vertreter der EU (COREPER), die ein Abkommen mit der Türkei planten, unterbunden.

Diplomatischen Quellen zufolge wird sich bei der am Mittwoch geplanten COREPER-Tagung die Haltung der Bundesregierung transparenter offenbaren. In den Kreisen Brüsseler Diplomaten wird erwähnt, dass Bundeskanzlerin Merkel ihren bayrischen Verbündeten CSU unter Druck setzt, da im Wahlkampf die Beitrittsverhandlungen der Türkei entscheidend bei der Bundestagswahl im September sein würden. „Die Ausschreitungen vom Gezi-Park und Ministerpräsident Erdogans raue Haltung gegenüber der EU geben Angela Merkel die Chance, die Beitrittsverhandlungen aufs Eis zu legen“, erwähnt ein Brüsseler Diplomat und führt fort: „Es sieht kritisch aus. Wie es weitergeht, wird in den kommenden 48 Stunden entschieden.“