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Kultur/Religion

Ein Ramadan, an dem ich nicht fasten kann

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Im Monat Ramadan heißt es nicht nur auf Essen und Trinken zu verzichten, sondern auch die Gefühle zu kontrollieren und Geduld zu lernen. Ein interessanter Erfahrungsbericht einer zum Islam konvertierten Kolumnistin. (Foto: rtr)

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Ein Ramadan, an dem ich nicht fasten kann
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Wie viele andere Muslime falle ich in die Kategorie derer, die nicht fasten können, nicht bewusst, sondern aufgrund gesundheitlicher Probleme.

Obwohl ich auf den ersten Blick gesund erscheine, wurde ich mehrfach von Ärzten gewarnt, dass sich, wenn ich fasten sollte, meine Situation in wenigen Stunden verschlimmern und sehr gefährlich werden würde. Anstatt auf Essen und Trinken zu verzichten, legte ich meinen Fokus auf andere Aspekte in diesem heiligen Monat: Vergebung, den Ärger zu kontrollieren, anderen zu helfen und Barmherzigkeit.

Obwohl ich nicht fasten kann, führe ich einen inneren Kampf aufgrund der missbilligenden Blicke und feindseligen Bemerkungen, wenn ich in der Öffentlichkeit esse oder trinke in der Zeit des Fastens. Obwohl ich weiß, dass die Kommentare und Blicke, die ich erhalte, von Außenstehenden stammen, ist es schwierig, auf die Zunge zu beißen und nicht auf diese feindseligen Kommentare mit einer bissigen Bemerkung zu antworten. Wenigstens für diesen Monat versuche ich diese Feindseligkeit zu ignorieren. Ich erkenne, dass die Gemüter oft zu angespannt sind in diesem Monat, besonders wenn die Fastenzeit länger ist und die Temperaturen sehr hoch steigen.

Einige Fremde, die mich dafür bestrafen wollten, weil ich zur Tageszeit aß, sagten mir, ich würde „sündigen”, ich sollte es nicht in der Öffentlichkeit tun. Sie hatten das Gefühl, mein Verhalten würde sie beleidigen, ohne darüber nachzudenken oder sich zu kümmern, ob ihre eigenen Kommentare vielleicht mich verletzten würden. Ich kann und werde mich nicht während dieses Monats in meinem Haus verstecken, auf der Arbeit fehlen oder es zu riskieren, krank zu werden, nur weil andere sich das Recht nehmen, über einen zu urteilen.

Es gibt Entschuldigungen fürs Nichtfasten, aber nicht fürs Beschimpfen

Es gibt Zeiten, an denen ich nicht lange ruhig bleiben kann, oft nach zahlreichen groben Kommentaren von Fremden. Obwohl ich entschlossen versuche, die Kontrolle über meine Gefühle zu bewahren, werde ich ab und zu einigen Leuten erklären, dass es sie nichts angeht, ob ich faste oder nicht, dass es etwas zwischen mir und Allah sei und ihre Bemerkungen nicht akzeptabel seien.

Ich erzählte einigen Fremden, dass sie sich auf ihr eigenes spirituelles Leben konzentrieren sollen, anstatt über andere zu urteilen, die sie kennen oder nicht kennen. Einige Leute sind geschockt, wenn ich auf eine solche Art antworte und andere werden noch defensiver, beharren darauf, dass sie Recht haben und lehnen es ab, etwas anderes zu hören. Ich fühle mich nicht verpflichtet, anderen mich oder meine Handlungen zu erklären, aber es gab viele Momente, bei denen ich diesen selbst ernannten Richtern erzählt hatte, dass ich meine Pflichten kennen würde und dass ich eine legitime Entschuldigung für das Fastenbrechen hätte, während sie keine Entschuldigung für ihre Beschimpfungen hätten. Die Reaktion auf diese Bemerkungen war oft schockiertes, meistens beschämtes Schweigen.

Dennoch bin ich nicht stolz auf diese Momente und vermeide es generell, auf solche Bemerkungen einzugehen.

Als ich vor vielen Jahren in der Lage war zu fasten, lebte und arbeitete ich in Washington, D.C. Ich war die einzige Muslima im Büro. Wie an vielen anderen Arbeitsplätzen, aßen die Angestellten oft zu Mittag, manche hatten Snacks an ihren Schreibtischen, während sie arbeiteten. Es hatte mich nie gestört, meinen Arbeitsplatz mit anderen zu teilen, die während des Tages aßen oder tranken. Bei Geschäftsessen dabei zu sein, war ebenfalls nie ein Problem; andere aßen ihr Essen, während wir die Arbeitspläne besprachen. Für mich war das Fasten nie eine Beeinträchtigung der anderen. Kollegen wussten, dass ich fastete und fragten mich, ob es angenehmer für mich wäre, wenn sie nicht in meiner Nähe aßen, aber ich antwortete ihnen immer, dass meine religiösen Verpflichtungen nur mich beträfen und nicht die Menschen um mich herum. Ich dachte kein einziges Mal darüber nach, jemanden, der nicht fastete, zu fragen, ob er nicht bitte den Raum verlassen könne, um meine religiösen Pflichten für mich angenehmer zu gestalten. Es war meine persönliche Wahl, zu fasten und ich war der Meinung, dass es mich nichts anging, wer um mich herum aß oder trank.

Sinnbild für ständigen Kampf gegen eigene Unzulänglichkeiten

Bevor ich zum Islam konvertierte, studierte ich den Koran und die Hadithe und lernte so viel ich konnte über meine neue Religion. Der Nachdruck, die Toleranz, Respekt und Verständnis der anderen im Islam gehörten zu den Dingen, die mich am meisten beeindruckten. Es hängt von jeder Person selbst ab, die religiösen Pflichten so gut wie möglich zu erfüllen. Man kann die anderen vorsichtig an ihre Verpflichtungen erinnern, aber sie nicht mit Worten angreifen, weil man das, was sie tun, als Lücke in der Ausübung der Religion wahrnimmt. Ich bin keineswegs eine religiöse Gelehrte, aber mein Verständnis davon ist, dass es während des Ramadans sehr wichtig ist, den Ärger zu kontrollieren, den Groll wegzulassen, wirkliche oder eingebildete Schuld zu verzeihen, Toleranz zu zeigen und zu lernen, mehr Geduld zu haben.

Mein Sohn weiß, dass ich vom Fasten befreit bin und wir reden manchmal darüber. Ich erkläre ihm, wie ich mich fühle, nicht mehr in der Lage zu sein, zu fasten, oder wenn mir Kommentare und Blicke zugeworfen werden.

Ich möchte, dass er seine religiösen Pflichten lernt, aber nicht nur die äußeren wie Fasten und Beten, sondern auch die inneren. Meiner Meinung nach verschwendet jemand, der fastet, aber weiterhin Groll beibehält oder Ärger zeigt, einen wichtigen Teil seines Fastens. Ich möchte, dass mein Sohn versteht, dass noch viele weitere Aspekte zum Fasten gehören, als nur tagsüber auf Essen und Trinken zu verzichten. Es geht viel tiefer und wir werden mit unseren Gefühlen kämpfen und achten darauf, wie andere auf der Welt handeln oder reagieren, wenn sie hungrig oder durstig sind.

Ich sehe den Monat Ramadan als eine Zeit, um an meinen negativen Eigenschaften zu arbeiten. Besonders jetzt ist es wichtig für mich, Geduld zu lernen und toleranter zu sein. Es ist ein ständiger Kampf für mich. Ich hoffe, dass mein Sohn etwas Gutes von mir lernen wird, wenn er sieht, wie ich versuche, meine negativen Eigenschaften zu kontrollieren. Es ist niemals zu spät, etwas zu ändern, wenn wir es wirklich wollen und wenn wir bereit sind, an uns zu arbeiten. Das Leben ist ein Arbeitsprozess.
Autoreninfo: Kathy Hamilton ist vor einigen Jahren zum Islam konvertiert und arbeitet als Kolumnistin für die türkische Zeitung Today’s Zaman.