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Eines ist sicher: Die Türken bleiben unsere Freunde!

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Die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei: Ein wenig kompliziert, aber nicht hoffnungslos.

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Türken, Deutsche, Erdoğan, Europa, Islam
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Es war im Dezember 2015, da erinnere ich mich noch ganz gut und gerne daran, wie stolz ich im Fernsehen verkündet habe, dass die Bundeskanzlerin alles tut, um den Türken die Visafreiheit zu erteilen. Natürlich im Kontext des Abkommens über die Flüchtlinge zwischen der EU und der Türkei. So richtig geglaubt hat man nicht daran: Die CDU? Die Angela Merkel, die die Türkei nicht in der EU sehen will, ausgerechnet sie soll die Visafreiheit bringen? Ja, wollte sie wirklich. Und es wäre auch tatsächlich so gekommen. Warum es nicht so kam, warum die Türken trotzdem unsere Freunde bleiben, erläutere ich in diesem Beitrag.

Seit Dezember 2015 ist viel passiert

Nicht zuletzt das Referendum über eine neue, umstrittene Verfassung mit unglaublich viel Macht für den Präsidenten und unglaublich wenigen Rechten für die Opposition. Zuvor erlebte die Türkei einen Militärputsch im Juli 2016. Dieser Putsch, wie er auch immer gelaufen sein mag, hat das ganze Land traumatisiert und um mehrere Jahre zurück katapultiert. Im Rahmen des Ausnahmezustands sind viele Menschen suspendiert, verhaftet und gefoltert worden. Und im Rahmen dieses Zustands wurde über die neue Verfassung abgestimmt. Die Regierung hat eine große Chance verpasst: Denn ich schrieb kurz nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016, dass die Türkei jetzt Rechtsstaatlichkeit, Maß und Mitte beweisen kann. Das hat die Regierung nicht getan. Wie sollen wir, auch wenn ich türkischer Abstammung bin und das macht die Entscheidung nicht einfacher, in dieser Situation die Beitrittsverhandlungen fortsetzen? Mit Nazi-Vergleichen, Verhaftungen unserer Bürgerinnen und Bürger ohne Anklageschrift und in Verletzung des globalen Rechts inklusive.

Jetzt beschweren sich viele Türken bei mir: Wenn die Deutschen und die Türken doch so gute Freunde sind, warum gab es vorher nicht die Visafreiheit? Eine berechtigte Frage, auf die es eine berechtigte Gegenfrage gibt. Gibt es jemanden, der die Freundschaft zwischen Aserbaidschan und der Türkei bestreiten würde? Beide Länder sind tief verbunden und es gibt regen Austausch sowie Handel. Aserbaidschaner und Türken sind ziemlich beste Freunde. Genießen Bürger des Landes Aserbaidschan Visafreiheit, wenn sie in die Türkei einreisen wollen? Ich spreche nicht einmal von Nachbarn, wie Irak oder Armenien. Tatsächlich geht es um einen wirklich befreundeten Staat. Bevor die türkische Regierung also Stimmung gegen Deutschland macht, sollten sie ihre eigene Politik überdenken. Wenn Visafreiheit das absolute Zeichen der Freundschaft ist, dann kann die Türkei ja auch Aserbaidschan diese Freiheit einräumen.

„Null-Probleme-Politik“

Die AKP ist mal angetreten, eine sogenannte „Null-Probleme-Politik“ mit den Nachbarn zu betreiben. Heute stellen wir fest, es gibt keinen einzigen Nachbarstaat, der heute gut mit der AKP-Regierung ist. Die Krise mit Griechenland, der Krieg in Syrien, der Zustand im Irak, die Konflikte mit Armenien sind so schwer wie lange nicht mehr. Wenn es keine Visafreiheit für dieses Land gibt, dann, liebe türkischen Freunde, ist die erste Adresse die türkische Regierung, an dessen Türe ihr anklopfen solltet.

Die AKP ist mal angetreten, um eine Brücke zwischen dem Islam und dem Westen zu sein. Und sehr lange ging das sehr gut. Dafür wurden 2005 die Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Herr Erdoğan erhielt sogar im Jahr 2004 einen Preis als „Europäer des Jahres“. Deutsche, die bei Nationalspielen der Türkei mit ihren Freunden mitgefiebert hatten, weil es ein Land war, das den Aufstieg hart erkämpft und verdient hat. Ich weiß nicht, was genau und wann es passiert ist, aber heute entfernt sich die Türkei jeden Tag immer mehr vom Westen. Sie war ein Bollwerk gegen Islamismus, heute ist sie eines der Förderer einer islamistischen Ideologie. Die Türkei war ein Partner im Nahen Osten, heute ist sie ein unberechenbarer Akteur. Je nach Lage ist mal Russland der Freund, mal Amerika. Und das geht nicht: Wenn die Türkei Mitglied in der Nato bleiben will, wenn sie weiter in die EU will, muss sie einen anderen Kurs einschlagen. Einen Kurs, den sie schon mal geführt haben. Mit jedem Tag verlieren wir die Hoffnung, das dies gelingt.

Die Freundschaft mit den Türken bleibt

Ein Anzeichen, warum die Freundschaft bleibt, sind die harten Diskussionen über die Fortsetzung der EU Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Einerseits weiß jeder, dass die Türkei unter den gegenwärtigen Umständen nie Mitglied werden kann. Andererseits will man der Türkei nicht die Tür verschließen. Die Opposition fleht darum, die Verhandlungen nicht abzubrechen. Denn sie wissen, fällt die Tür zu Europa, öffnet sich in der Türkei eine Ära wie im Iran. Isoliert von der ganzen Welt, nutzlos und verloren. Das wollen demokratische Kräfte in der Türkei nicht. Und wir wollen das auch nicht. Denn es wird eine Zeit nach Erdoğan geben. Und dann werden die Karten neu gemischt. Die Frage ist nur, wie der Abgang von Erdoğan sein wird. Wie wird er die Türkei zurück lassen und in welchem Zustand?

Die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei: Ein wenig kompliziert, aber nicht hoffnungslos.

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