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Gesellschaft

Ich gehöre nirgendwo wirklich hin – aber wer sagt, dass das schlecht ist?

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Die Bundeskanzlerin hat die Worte des Bundespräsidenten Wulff bestätigt. Ich aber habe gelernt, nicht darauf zu warten, akzeptiert zu werden, sondern dass ich selbst akzeptieren musste, dass ich hierher gehörte. (Foto: reuters)

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Die beste Antwort auf Krieg war schon immer der friedliche Protest und welcher Weg ist so vielfältig wie die Kunst? Durch Musik, Bilder und Worte drückten Millionen von Künstlern ihren Hass gegen den Krieg und ihren Wunsch nach Frieden aus…

Gestern las ich einen Artikel im „Spiegel“, der von zwei syrischen Schwestern handelte, die in einem Video von der Schönheit des Nahen Ostens sprechen und wie diese durch den Krieg zerstört wurde. Die eine singt, die andere spricht… Es ist ein simples Video und doch erreichte die Botschaft dieser jungen Frauen Millionen von Menschen: sie wünschen sich Frieden, sie wünschen sich die Schönheit ihrer Heimatländer zurück…

Obwohl ich in Deutschland geboren bin und mich hier zu Hause fühle, spürte ich wie meine Augen sich mit Tränen füllten und ich wütend wurde… Der Schmerz in meiner Brust war groß. Warum, fragte ich mich. Weil dies immer noch ein Teil von mir ist und immer sein wird.

Meine Geschichte

Ich bin die Tochter eines libanesischen Flüchtlings, eines Flüchtlings, der vor 39 Jahren nach Deutschland kam, weil er vor dem Bürgerkrieg im Libanon flüchtete… Er kam als 17-jähriger junger Mann hier her, er sprach die Sprache nicht, er hatte keine Familie, er hatte nichts… Doch ihm war bewusst, dass das Leben weitergehen musste. Im Libanon gab es keine Zukunft für ihn und er wollte ein neues Leben für sich und seine zukünftige Familie aufbauen Und er hat es geschafft… Trotz all der harten Zeiten, in denen er sich in einem fremden Land durchkämpfte, hatte er es geschafft, dass es seiner Frau und seinen Kindern mehr als gut ging. Als Kind konnte ich es aber nicht verstehen. Wir verbrachten jede Sommerferien im Libanon, um unsere Familie und das Land meiner Eltern kennen zu lernen. Dort fühlte ich mich wohl und hasste den Tag der Abreise. Als ich acht Jahre alt war, schaute ich meinem Vater in die Augen und sagte: „Es ist alles deine Schuld! Nur weil du nach Deutschland gekommen bist, müssen wir weg von zu Hause leben.“ Damals konnte ich natürlich nicht verstehen, dass ich ihn mit meinen Worten verletzte. Er schaute mich ernst an und sagte: „Wenn ich damals nicht geflohen wäre, dann wärest du heute nicht hier, dann wäre ich tot.“

Heute, 16 Jahre später, bin ich eine 24-jährige junge Frau, die Deutschland lieben gelernt hat, sich hier zu Hause gefühlt hat und ihre Zukunft hier verbringen möchte. Ich habe gelernt, nicht darauf zu warten, akzeptiert zu werden, sondern dass ich selbst akzeptieren musste, dass ich hierher gehörte. Ich bin in Berlin geboren und habe hier mein ganzes Leben verbracht. Ich ging hier zur Schule, ich studiere und arbeite hier… Hier ist meine Familie, hier sind meine Freunde und dennoch ist und bleibt der Libanon ein Teil von mir. Es ist das Heimatland meiner Eltern und der Ort, an dem Menschen leben, die ich liebe und ein Land, das in meinen Augen so wunderschön ist.

Ich gehöre dahin, wo ich mich wohl fühle

Nachdem ich mir dieses Video angeschaut hatte und mir all diese Gedanken machte, las ich kurz danach, dass unsere Bundeskanzlerin am Mittwoch unserem ehemaligen Bundespräsidenten zugestimmt hatte und bestätigte, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Einerseits freute ich mich darüber dies zu hören, andererseits war es mir egal, denn ich musste nicht darauf warten, bis mir jemand die Erlaubnis gab, dazu zu gehören. Ich gehöre dahin, wo ich mich wohl fühle und das tue ich nun einmal in Berlin…

Obwohl ich meinen Platz in der Gesellschaft endlich gefunden habe und hier glücklich bin, werde ich niemals zu hundert Prozent angekommen sein, denn ich gehöre zu einer Generation, die in einem Zwiespalt lebt und nirgendwo wirklich hingehört… Aber wer sagt, dass das schlecht ist? Diese beiden Kulturen machen meine Identität aus und bereichern mich. Sie geben mir die Möglichkeit, mehr kennen zu lernen, vielseitig zu sein und Dinge vielleicht von anderen Perspektiven zu betrachten. Ich bin eine Frau, die zwei Kulturen in sich trägt, mein Herz schlägt zur Hälfte schwarz-rot-gold und in der anderen Hälfte steckt eine Zeder und ich werde erst vollkommen glücklich sein, wenn es beiden Ländern, Deutschland und dem Libanon, gut geht. Aber nicht nur diesen, sondern allen anderen Ländern auf der Welt, denn Menschlichkeit kennt keine Nationalität…