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Gesellschaft

„Entscheidung ein Schlag in das Gesicht von Juden und Muslimen“

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Nach dem Verbot, Tiere zu schächten, können Juden und Muslime in Polen nicht mehr ihre religiösen Speisevorschriften befolgen. Jüdische Organisationen werfen den Gesetzgebern eine Verletzung der Religionsfreiheit vor. (Foto: rtr)

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„Entscheidung ein Schlag in das Gesicht von Juden und Muslimen“
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Das Schächtungsverbot in Polen hat einen Sturm der Entrüstung unter jüdischen Bürgern ausgelöst. Der polnische Oberrabbiner Michael Schudrich nannte den Tag der Parlamentsentscheidung „den schlimmsten Tag für die jüdische Diaspora in Polen in den letzten 30 Jahren“. Sollte das Verbot aufrecht erhalten bleiben und in den kommenden Monaten kein Kompromiss erreicht werden, werde er von seinem Amt zurücktreten, sagte er am Sonntag im Rundfunksender „Radio Zet“.

Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, zeigte sich in einer am Samstag in Brüssel veröffentlichten Stellungnahme „ungeheuer enttäuscht“. Die Antidiffamierungsliga (ADL) kritisierte die am Freitag getroffene Entscheidung des polnischen Parlaments, keine rituellen Schlachtungen zuzulassen, als einen klaren Verstoß gegen die Religionsfreiheit und einen Schlag gegen die Zukunft der Juden in Polen. Ein nationalkonservativer Abgeordneter nannte die Reaktionen „hysterisch“.

Die polnische Regierung hatte ursprünglich mit einer Gesetzesinitiative die Schächtung von Tieren in Schlachthöfen erlauben wollen. Sie erlitt aber eine Abstimmungsniederlage – auch weil Abgeordnete aus den eigenen Reihen die Gefolgschaft verweigerten.

„Die Mehrheit der polnischen Abgeordneten hat der polnischen jüdischen Gemeinschaft drei Wahlmöglichkeiten gegeben: Praktiziert nicht eure Religion, esst kein Fleisch oder lebt nicht unter uns“, heißt es in einer am Freitag in New York verbreiteten Erklärung von ADL-Direktor Abraham Foxman. Die Antidiffamierungsliga tritt weltweit gegen die Diskriminierung und Diffamierung von Juden ein.

Polen exportierte bislang das Fleisch rituell geschlachteter Tiere

Lauder, dessen Stiftung sich seit Jahren für den Wiederaufbau jüdischer Gemeinden in Polen und anderen mitteleuropäischen Staaten engagiert, sagte: „Diese Entscheidung ist ein Schlag in das Gesicht von Juden und Muslimen gleichermaßen“. Besonders verstörend sei, dass in der Parlamentsdebatte in Warschau mehrere Abgeordnete das Schächten von Tieren als „fremd in der polnischen Kultur“ bezeichnet hätten.

Ein Abgeordneter der nationalkonservativen polnischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nannte die Reaktionen jüdischer Organisationen am Samstagabend im Fernsehsender TVN „hysterisch“. Das polnische Parlament dürfe keinem Druck von außen nachgeben, sagte der Parlamentarier Tomasz Poreba. „Man kann viel sagen über die Gründe (der Parlamentsentscheidung), aber es war kein Antisemitismus“, betonte Robert Biedron von der Linkspartei Palikot-Bewegung am Sonntag.

Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski befürchtet, dass nach dem Schächtungsverbot nun Entschädigungsklagen der Fleischindustrie drohen. Nach Schätzungen der Branche stammten bisher etwa 30 Prozent polnischer Rindfleischexporte aus „rituellen“ Schlachtungen. Abnehmer waren vor allem Israel, die Türkei und arabische Staaten.

Vertreter der jüdischen Gemeinde in Polen wiesen darauf hin, dass Polen jetzt das erste Land Europas sei, in dem das Verbot von Schächtungen nicht auf alten Gesetzen aus den 1930er Jahren beruhe, die noch vom Nationalsozialismus beeinflusst worden seien. (dpa/dtj)