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Politik

Erdoğan-Anhänger wollen in Köln Stärke demonstrieren

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Tausende Deutschtürken wollen am Sonntag für den türkischen Präsidenten Erdoğan auf die Straße gehen. Woher kommt diese Begeisterung bei Menschen, die schon in zweiter und dritter Generation in Deutschland leben?

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„Irrsinn“, „Skandal“, „Missbrauch“ – so wettern Leserbriefschreiber in der deutschen Stadt Köln seit Tagen gegen eine für Sonntag geplante Pro-Erdoğan-Demonstration.

Mehr als 15 000 Teilnehmer will die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) dafür zusammen mit anderen türkischen Gruppen mobilisieren. Die UETD gilt als verlängerter Arm der AKP, der Partei des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Das Thema der Kundgebung lautet „Militärputsch in der Türkei“. Mitte Juli war in dem Land ein Umsturzversuch von Teilen der Streitkräfte gescheitert.

Die Polizei in Köln hält es für möglich, dass die Veranstaltung noch deutlich mehr Teilnehmer anziehen wird, sie rechnet mit bis zu 30 000. 2000 Polizisten sind schon zum Sonntagsdienst eingeteilt. Für ein Verbot der Demonstration – wie es von einigen Politikern ins Spiel gebracht worden ist – gibt es nach Einschätzung der Polizei keine Grundlage. Das sei nur bei schwerwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit denkbar.

Köln ist oft Schauplatz türkischer Kundgebungen, weil es dafür günstig liegt. Allein in Nordrhein-Westfalen leben eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln, die meisten im Ruhrgebiet. Fast alle türkischen und muslimischen Verbände haben in Köln ihren Sitz, darunter die DİTİB, die direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet untersteht. „Köln ist quasi die Hauptstadt der Türkeistämmigen in Westdeutschland“, erklärt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung der Universität Duisburg-Essen.

Warum verspüren Menschen, die schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, ausgerechnet jetzt das Bedürfnis, für Erdoğan auf die Straße zu gehen? UETD-Generalsekretär Bülent Bilgi sagt, es gehe letztlich gar nicht um Erdoğan, sondern um den vereitelten Putsch. Viele Migranten seien verärgert darüber, wie die deutschen Medien darüber berichteten. „Man sagt, ok, es gab einen Putsch, es sind 264 Menschen gestorben, aber das wischt man sofort beiseite und tut so, als wäre das eine Nebensächlichkeit.“

Ludwig Schulz, Türkeiforscher am Deutschen Orient-Institut Berlin, bestätigt, dass viele Deutschtürken die Vereitelung des Putsches vor allem als Erfolg der türkischen Gesellschaft und Demokratie sähen. Die Begeisterung für Erdoğan habe vielerlei Gründe: Viele Türkischstämmige informierten sich überwiegend aus regierungstreuen türkischen Medien. Dazu kämen türkischer Nationalstolz und ein Gefühl von Ablehnung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft. „Es ist wohl eine Mischung aus berechtigter Kritik an unserem einseitigen Türkeibild und einer umgekehrt geschönten Sicht vieler Türkischstämmiger auf die Türkei“, meint Schulz.

Dabei seien jedoch lang nicht alle Deutschtürken Erdoğan-Anhänger, erläutert der Türkei-Experte Roy Karadağ von der Universität Bremen. „Unter den Deutschtürken gibt es zunehmend Konflikte darüber, wer hier eigentlich in ihrem Namen sprechen, agieren und mobilisieren kann“, sagt der Politikwissenschaftler. 2013 seien zum ersten Mal Deutschtürken nach Istanbul geflogen, um dort gegen die Regierung Erdoğan zu protestieren. „Deswegen demonstriert die UETD jetzt in Köln – sie will damit zeigen, dass die meisten Deutschtürken für Erdoğan sind.“

Gegendemonstrationen sind bisher nur von Jugendorganisationen deutscher Parteien sowie von der rechtsextremistischen Partei Pro NRW angekündigt. Die Kurdische Gemeinde verzichtet auf eine Gegendemo, weil sie „die Erdoğan-Anhänger nicht aufwerten“ will. Außerdem befürchte man gewalttätige Auseinandersetzungen.

Sollten am Sonntag auch Erdoğan-Gegner in größerer Zahl nach Köln kommen, könnten sich die derzeitigen innertürkischen Konflikte tatsächlich auf deutsche Straßen verlagern. Das ist es, was deutsche Politiker befürchten. NRW-Innenminister Ralf Jäger stellt schon mal klar: „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufrufe missbraucht werden, wird die Polizei rigoros einschreiten.“ (Christoph Driessen, dpa/ dtj)