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Gesellschaft

Türkischer Katholik kritisiert Erdoğans Umgang mit Christen und Aleviten

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Der türkischstämmige katholische Theologe Timo Güzelmansur hat den jüngsten Deutschlandbesuch des türkischen Minister-präsidenten bewertet. Der Katholik sieht keine Fortschritte bei der Gleichstellung der christlichen Religion in der Türkei. (Foto: dpa)

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Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan spricht am 04.02.2014 im Tempodrom in Berlin zu Mitgliedern der Türkischen Gemeinde.
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Der jüngste Deutschlandbesuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat wieder einmal für eine Menge Schlagzeilen gesorgt. Während viele Anhänger ihn frenetisch feierten, demonstrierten parallel Regierungskritiker. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ordnet der türkischstämmige katholische Theologe Timo Güzelmansur die Kurzvisite ein. Der 37-Jährige ist Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO).

Nach Meinung von Güzelmansur betreibe der türkische Ministerpräsident türkische Innenpolitik in Deutschland, wenn er sagt, „wir sind ein Volk, dass sich noch aus der Asche erhebt und das groß und stark sein wird“. Erdoğan wolle seine Landsleute weiter an die Türkei binden und kämpfe natürlich um die Stimmen der ca. 1,5 Millionen wahlberechtigten Türken. Erdoğan sei besonders bei den Anhängern der Milli-Görüş-Bewegung sehr beliebt und von diesen entsprechend gefeiert worden.

Beim Thema Religionsfreiheit für die Minderheiten in der Türkei kritisierte Güzelmansur, dass die Türkei in der Sache nicht viel unternommen habe, beinahe alle gesetzlichen Erleichterungen hätten lediglich der muslimischen Mehrheit gedient. Selbst die Forderungen der Aleviten, die immerhin 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung ausmachten, seien ungehört geblieben. Diese Bevölkerungsgruppe darf weiterhin keinen alevitschen Religionsunterricht erteilen noch sind ihre religiösen Kultstätten anerkannt. Unerwähnt ließ Güzelmansur das Moschee-Cemevi-Projekt, das zuletzt große Aufmerksamkeit in der Türkei erfuhr. Das Projekt soll den gesellschaftlichen Dialog fördern und sunnitische Muslime und Aleviten einander näherbringen.

„Katholische Kirche noch weit davon entfernt, anerkannt zu werden“

Auf das Thema der Christen angesprochen sagte Güzelmansur, dass die Regierung Erdoğan und auch der Premier selbst persönlich dafür verantwortlich seien, dass das Priesterseminar des Ökumenischen Patriarchats auf der Insel Chalki vor Istanbul trotz wiederholter Versprechen immer noch nicht eröffnet wurde. Auch sei die Katholische Kirche in der Türkei noch weit davon entfernt, anerkannt zu werden.

Um die Wiedereröffnung des Priesterseminars ging es auch auf der Internationalen Konferenz zur Religionsfreiheit, die im Dezember in Berlin stattfand. Auch wenn die Türkei noch Nachholbedarf hat, was die Rechte von religiösen Minderheiten angeht, so hat sie unter der AKP-Regierung in diesem Punkt dennoch viele Fortschritte verzeichnet. Beispielsweise konnten im vergangenen Sommer die Jesiden, eine nicht missionierende, monotheistische religiöse Kleingruppe, deren religiöse Vorstellungen unter anderem vom Zoroastrismus, teils vom Sufismus inspiriert sind, erstmals ein Gotteshaus in der Türkei eröffnen.

Was den interreligiösen Dialog angeht, so sei dieser auch in Deutschland eine sensible Angelegenheit. Die letzten Aussagen Kardinal Meisners würden, so Güzelmansur, dem Dialog nicht schaden, ihn aber auch nicht befördern.

Auf dem Gebiet des interreligiösen Dialogs sind in Deutschland in den letzten Jahrzehnten bereits Erfolge zu verzeichnen gewesen. So konnte im Jahre 2010 in Hamburg die Akademie der Weltreligionen eröffnet werden. Die Gründung der Akademie geht auf eine Initiative des Imam Seyed Mehdi Razvi zurück. Des Weiteren gibt es mittlerweile Dutzende Dialogkreise und –konferenzen in ganz Deutschland.