Connect with us

Politik

Erdoğan: „Die EU stiehlt der Türkei ihre Zeit”

Spread the love

Während sowohl Staatspräsident Gül als auch Premierminister Erdoğan betonen, die Türkei strebe weiterhin den erfolgreichen Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen an, erneuert der Regierungschef seine an Brüssel gerichtete Kritik. (Foto: cihan)

Published

on

Erdoğan: „Die EU stiehlt der Türkei ihre Zeit”
Spread the love

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic, der zu einem Staatsbesuch in die Türkei gekommen war, trat der türkische Staatspräsident Abdullah Gül am Montag Spekulationen entgegen, die Türkei könnte von ihren Beitrittsambitionen mit Blick auf die EU abrücken. Insbesondere machte Gül deutlich, dass ein Beitritt zur Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) nicht als Alternative zu einem EU-Beitritt gesehen werde.

„Wir befinden uns im Verhandlungsprozess mit dem Ziel einer Vollmitgliedschaft in der EU“, machte Gül deutlich, „allerdings sind die Verhandlungen auf Grund von Voreingenommenheit in manchen EU-Staaten nicht auf dem Level, auf dem sie sein sollten. Darüber hat unser Premierminister seine Missbilligung geäußert. Die SCO wird aber nicht als Alternative zur EU gesehen. Die Türkei möchte den Verhandlungsprozess erfolgreich zu Ende bringen“, so Gül. Die europäischen Nationen können dann ja Referenden darüber abhalten, ob die Türkei Mitglied werden soll.

EU-Beitrittsprozess immer noch Demokratisierungsmotor

Kürzlich hatte Premierminister Erdoğan angesichts der Stagnation im Beitrittsprozess laut über mögliche Vorteile für die Türkei im Falle einer Mitgliedschaft in der Shanghai-Organisation nachgedacht, die 2001 gegründet wurde und der unter anderem Russland, China und Kasachstan angehören. Auch Indien und Pakistan streben eine Mitgliedschaft in dieser Sicherheitspartnerschaft an, die zunehmend auch die wirtschaftliche Verflechtung ihrer Mitgliedsstaaten anstrebt.

Abdullah Gül, der erstmals zu den Äußerungen Erdoğans Stellung nahm, betonte, die Türkei würde entschieden den erfolgreichen Abschluss der Beitrittsverhandlungen zur EU verfolgen. „Die Türkei möchte die EU-Kriterien übernehmen und implementieren“, so der Präsident. In den letzten Jahren hatte die Türkei zahlreiche Änderungen in ihrem Rechts- und Verwaltungssystem auf den Weg gebracht. Die meisten Bürger der Türkei betrachten die EU immer noch als einen Bezugspunkt für weitere Demokratisierungsschritte des Landes in der Zukunft.

Der serbische Präsident Nikolic betonte, es würde nicht an Serbien alleine liegen, ob die Türkei als EU-Mitglied akzeptiert würde. Sein Land würde jedoch immer türkische Investoren und Unternehmer willkommen heißen. „Ich würde mir wünschen, dass die freundschaftlichen und brüderlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern anhalten“, fügte Nikolic hinzu.

Auch Premierminister Erdoğan sprach am Montag noch einmal das Thema an. Er zeigte sich verwundert darüber, dass einige Leute so verstört auf seine Äußerungen reagiert hätten. Gegenüber der Presse äußerte er sich wie folgt: „Denken Sie denn, die Shanghai Five wären eine Alternative zur EU? Die Shanghai Five sind eine eigenständige Organisation, die EU ist eine eigenständige Organisation. Was stört irgendjemanden an meinen Äußerungen? Gibt doch keinen Grund. Auch EU-Staaten unterhalten Handelsbeziehungen mit Shanghai-Staaten.“

„Wir lassen uns nicht ewig hinhalten“

Der Premierminister machte ebenfalls deutlich, dass die Türkei nicht von ihrem Ziel einer EU-Vollmitgliedschaft abrücke. Aber man sei irritiert angesichts der Obstruktionshaltung seitens der Europäer. „Die EU stiehlt der Türkei ihre Zeit. Das ist unverzeihlich und nicht tolerierbar“, betont Erdoğan. Aus diesem Grund mache man sich Gedanken über mögliche andere Wege.

Erdoğan kündigte an, in Kürze Brüssel besuchen und dort einige deutliche Worte an die EU-Offiziellen richten zu wollen. Die EU solle endlich Farbe bekennen, ob sie die Türkei als Mitglied akzeptieren wolle oder offen sagen, wenn dies nicht der Fall ist.

Er verwies auf die Tatsache, dass die Türkei bereits 50 Jahre auf einen Beitritt zu den Europäischen Institutionen warte. So lange habe die EU sonst kein Land hingehalten.

Was die SCO anbelangt, machte der Premierminister deutlich, dass es keine Vorschriften dahingehend gäbe, dass man Beitrittsbemühungen zu einer Organisation aufgeben müsse, wenn man einer anderen gegenüber Möglichkeiten sondiere. „Die Mitgliedsstaaten der Shanghai Five kooperieren zunehmend auch wirtschaftlich miteinander. Aber es ist nicht nur das. Sie haben auch Länder mit Beobachterstatus. Sie haben auch Dialogpartner. Und die Türkei gehört zu diesen.“

Die Türkei wurde am 7. Juni 2012 in Peking von der SCO im Rahmen ihres jährlichen Gipfeltreffens als offizieller Dialogpartner akzeptiert.