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Politik

„Genau so haben Regierungen immer reagiert, wenn sie auf frischer Tat ertappt wurden“

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Der Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, ist ins Visier von Staatspräsident Erdoğan geraten. Unterdessen hat die türkische Regierung indirekt zugegeben, Waffen nach Syrien geliefert zu haben.

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Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat in einer Live-Sendung dem Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, gedroht. Erdoğan warf dem Journalisten Geheimnisverrat und Spionage vor. Dündar hatte am Freitag einen Artikel (samt Videoaufnahme) veröffentlicht, der von der Aufdeckung mutmaßlicher Waffenlieferungen nach Syrien handelte.

Bei seinem Auftritt im staatlichen Sender TRT Haber am Sonntagabend, der live übertragen wurde, sagte Erdoğan wörtlich: „Ich habe Anzeige erstattet. Alles, was sie wollen, ist das Image der Türkei zu schädigen. Und die Person, die diese Nachricht als Exklusiv-Nachricht herausgebracht hat, wird dafür einen hohen Preis zahlen. Ich werde die Sache um ihn nicht auf sich ruhen lassen.“

Cumhuriyet-Chefredakteur antwortet prompt

Die Antwort Can Dündars auf diese Drohung folgte am Montag. Dündar twitterte: „Derjenige, der diese Straftat (Waffenlieferung nach Syrien, Anm. d. Red.) zu verantworten hat, wird dafür büßen müssen. Wir werden diese Sache nicht auf sich ruhen lassen.“ In seiner Kolumne ging Dündar wieder auf die Waffenlieferungen ein betonte: „Wir sind Journalisten, keine Staatsbeamten.“ Dündar führte aus, dass Journalisten der Öffentlichkeit und nicht dem Staat verpflichtet seien und schrieb:

„Wir sehen an vielen Beispielen in der Geschichte, dass Staaten, die auf frischer Tat bei illegalen Handlungen ertappt wurden, den Medien Spionage, Verrat und Veröffentlichung nationaler Geheimnisse vorgeworfen haben. Genauso war es, als die New York Times die Pentagon-Papiere veröffentlichte, die zeigten, dass die amerikanische Regierung im Vietnam-Krieg das eigene Volk belogen hatte… Auch im Falle der Washington Post, die enthüllte, dass die Mitarbeiter von Präsident Nixon die Telefonate der Oppositionellen im Watergate-Gebäude abhörten… Ebenso im Falle des Iran-Contra-Skandals, wo gezeigt wurde, dass mit dem Geld aus den Waffenverkäufen an den Iran antikommunistische Gruppierungen in Nicaragua unterstützt wurden. In vielen Beispielen haben Journalisten im Namen der Öffentlichkeit agiert und die Regierungen erhielten die Gelegenheit, ihre Fehler zu korrigieren.“

Cumhuriyet berichtete über MİT-LKWs, die Waffen lieferten

Die Zeitung Cumhuriyet berichtete am Freitag, dass die LKWs, die in Verantwortung des türkischen Geheimdienstes MİT unterwegs waren und im Januar 2014 auf einen Tipp hin bei Adana durch die Gendarmerie angehalten und kontrolliert wurden, in Wahrheit Waffen lieferten. Die Zeitung veröffentlichte Bilder der Durchsuchung. Die AKP-Regierung sowie Erdoğan behaupteten bislang stets, dass sich in den LKWs humanitäre Hilfsgüter befanden und diese an die Turkmenen in Syrien geliefert werden sollten. Die veröffentlichten Bilder sprechen allerdings eine andere Sprache.

Regierungschef Ahmet Davutoğlu gab am Samstag indirekt zu, dass sich in den LKWs Waffen befanden. „Es soll an unserer Grenze einen Krieg geben und wir sollen zuschauen, wie unsere turkmenischen, arabischen und kurdischen Geschwister niedergemetzelt werden?“, fragte er bei einer Wahlkampfveranstaltung ironisch. Unwahrscheinlich ist, dass sich die „turkmenischen, arabischen und kurdischen Geschwister“ mit Hilfsgütern verteidigen sollten.

Die Turkmenen haben allerdings erklärt, bisher keine Hilfslieferungen aus der Türkei erhalten zu haben. In türkischen Medien geht man davon aus, dass die Türkei Waffen an die Aufständischen im Bürgerkriegsland Syrien geliefert hat. Als Empfänger dieser Waffen fällt der Name von Al Nusra sowie vom sogenannten Islamischen Staat (IS).

Der Zugang zum Artikel von Cumhuriyet wurde mittlerweile per Gerichtsbeschluss gesperrt. Es wurden auch Untersuchungen wegen des Verdachts des Terrorismus gegen Verantwortliche der Zeitung Cumhuriyet eingeleitet.

Alle bedeutenden Medienunternehmen mit Terror-Vorwurf konfrontiert

Mittlerweile befinden sämtliche bedeutende türkische Medienunternehmen wegen des Verdachts des Terrorismus auf der Anklagebank. Hidayet Karaca, Leiter der Mediengruppe Samanyolu, sitzt seit fast sechs Monaten in Haft, ohne dass gegen ihn eine Anklage formuliert worden wäre. Zwei Richter, die vor einem Monat seine Freilassung sowie von weiteren Personen angeordnet hatten, wurden selbst aufgrund ihrer Urteile verhaftet. Auch gegen den Chefredakteur der auflagenstärksten türkischen Zeitung Zaman, Ekrem Dumanlı, wird in Sachen Terror ermittelt. Er befindet sich mit Auflagen auf freiem Fuß.

Eine Schlagzeile im Zusammenhang mit dem Todesurteil gegen den früheren ägyptischen Präsidenten Muhammad Mursi brachte auch den Chefredakteur der Zeitung Hürriyet, Sedat Ergin, in Bedrängnis. Hürriyet titelte: „Die Welt unter Schock, Todesurteil gegen einen Präsidenten, der mit 52 Prozent gewählt wurde.“ Erdoğan, im August selbst mit 52% zum Präsidenten gewählt, wollte darin eine versteckte Drohung gegen sich erkannt haben und schaltete die Justiz ein.

Nun ist die Zeitung Cumhuriyet aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit mit dem Vorwurf des Terrorismus konfrontiert.