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Gesellschaft

Erdoğan-Drohungen: DİTİB sitzt zwischen den Stühlen

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Im Zuge der Drohungen gegen türkischstämmige Bundestagsabgeordnete, die der Völkermord-Resolution des Bundestages zugestimmt haben, und der Absage eines geplanten Iftar-Empfangs in der Berliner Şehitlik-Moschee wird auch die Kritik am türkischen Moscheeverband DİTİB immer lauter. Mehrere Politiker fordern mittlerweile, dass sich DİTİB explizit von der türkischen Staatsführung distanzieren soll.

DİTİB hatte einen für Donnerstagabend geplanten Empfang zum Fastenbrechen im Ramadan abgesagt, zu dem Bundespräsident Norbert Lammert sowie die Abgeordneten Azize Tank (Die Linke) und Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen) geladen waren. Grund waren vorangegangene Drohungen gegen die Abgeordneten sowie Aufrufe, während des Empfangs vor der Moschee zu demonstrieren. Dem Verband zufolge hätten „die Angriffe insbesondere in sozialen Medien sowie Drohungen gegen die Moschee und Ankündigungen von zeitgleichen Demonstrationen vor der Moschee“ zu großen Bedenken bezüglich Sicherheit und Atmosphäre geführt.

Gleichzeitig steht DİTİB jedoch in der Kritik, sich nicht ausdrücklich von Erdoğans Äußerungen distanziert zu haben. Zwar bedauere man, „dass eine religiöse Veranstaltung für politische Auseinandersetzungen instrumentalisiert wird“ und verurteile „jede öffentliche Schmähung, jeden Aufruf zu Hass und Gewalt“, aber eine klare Distanzierung von den Äußerungen Erdoğans, vergleichbar mit den klaren Worten, die Bundestagspräsident Lammert am Donnerstagmorgen im Parlament gefunden hatte, war von Seiten DİTİBs nicht zu vernehmen.

Insbesondere aus der grünen Bundestagsfraktion kommen nun Forderungen, DİTİB solle sich glaubwürdiger von Erdoğans Äußerungen distanzieren. Volker Beck, religionspolitischer Sprecher der Grünen, sagte, das Freitagsgebet sei eine gute Gelegenheit, die Drohungen gegen deutsche Politiker zu verurteilen. Der Münchner Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek forderte via Twitter, DİTİB müsse „die Verunglimpfung türkischstämmiger Abgeordneter klar benennen und zurückweisen“. Weniger fordernd trat die Fraktionsvorsitzende Kathrin Göring-Eckart auf: „Ich wundere mich über das Schweigen von Ditib“, schrieb sie auf Twitter. Doch auch aus der Union kam offene Kritik: „Es ist dringend nötig, dass sich Ditib klar äußert und diesen Einschüchterungsversuch zurückweist“, sagte Johannes Singhammer, Vizepräsident des Bundestages.

Dass DİTİB allzu offen auf Distanz zu Erdoğan geht, ist jedoch unwahrscheinlich: Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, abgekürzt DİTİB) ist die Auslandsorganisation der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet, deren Leitung, Kontrolle und Aufsicht sie untersteht. Zwar gibt DİTİB offiziell an, parteipolitisch unabhängig zu sein, doch wird der Verein mittlerweile von vielen als verlängerter Arm Erdoğans in Deutschland gesehen. In den letzten Jahren stehen viele DİTİB-Moscheen in der Kritik, offen für Erdoğan Position zu beziehen. Im Vorfeld der beiden Parlamentswahlen 2015 kam es zu zahlreichen Vorfällen, bei denen DİTİB-Funktionäre offenen Wahlkampf für die AKP gemacht und die Stimmabgabe beeinflusst haben sollen. Ende 2015 hatte der AKP-Lobbyverband UETD in Gelsenkirchen sogar ganz offiziell DİTİB-Imamen Dankesurkunden für ihre Hilfe im Wahlkampf überreicht.

Auf seiner Homepage hatte der Verband in dieser Woche zu Mäßigung aufgerufen. „Der Islam ist nicht der Glaube des Hasses, der Schmähung oder der Beschimpfung. Der Islam ist der Glaube des Friedens, der Vergebung, der Geschwisterlichkeit, der Gerechtigkeit und des Ausgleichs. Alle mahnen wir dazu an, sich daran zu erinnern – gerade im Ramadan“, steht dort zu lesen.