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Politik

Erdoğan: Präsidialsystem könnte den Weg für die Todesstrafe frei machen

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Die Türken werden am 16. April in einem historischen Referendum über das von Staatschef Erdoğan gewünschte Präsidialsystem entscheiden. Erdoğan verkündet den Termin, der im Ausnahmezustand liegt – und verknüpft das Referendum mit der Todesstrafe.

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türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan
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Lange war es ruhig geworden um den heftig umstrittenen Vorschlag der türkischen Regierung, die Todesstrafe wieder einzuführen. Nun hat Staatschef Recep Tayyip Erdoğan das Thema wieder auf die Tagesordnung gebracht und eine Wiedereinführung der 2002 abgeschafften staatlichen Hinrichtung bei einer Zustimmung zu seinem Präsidialsystem beim Referendum am 16. April in Aussicht gestellt. „So Gott will, wird der 16. April ein Signal für diese Sache sein“, sagte Erdoğan zu Rufen nach der Wiedereinführung bei einem Auftritt in Istanbul am Freitag. „Das Ende derer, die meinen Soldaten, meinen Polizisten, meinen Dorfschützer, meinen Bürger zum Märtyrer machen ist genau, wie Ihr sagt, die Todesstrafe.“ Der Präsident fügte hinzu: „Wie könnten wir das Blut meines Soldaten, meines Polizisten ungerächt lassen? Deshalb ‚Ja‘ am 16 April.“

Nach Angaben des Präsidialamtes in Ankara unterzeichnete Erdoğan am Freitag den Entwurf der vom Parlament bereits verabschiedeten Verfassungsänderung. Als voraussichtlichen Termin für die Volksabstimmung kündigte die Regierung den 16. April an. Das wäre kurz vor dem Auslaufen des Ausnahmezustands, der bislang bis zum 19. April gilt.

Das endgültige Datum für das Referendum legt die Wahlkommission fest. Der Ausnahmezustand könnte vor der Abstimmung – zumindest theoretisch – aufgehoben werden. Bei dem Referendum stehen nur Verfassungsänderungen zu dem von Erdoğan angestrebten Präsidialsystem, nicht aber zur Wiedereinführung der Todesstrafe zur Wahl. Erdoğan verkündete den Termin für die historische Volksabstimmung, nachdem er kurz zuvor den Entwurf der vom Parlament bereits verabschiedeten Verfassungsänderungen unterzeichnet hatte.

Referendum über die Alleinherrschaft Erdoğans

Kommt im Referendum eine Mehrheit für die Verfassungsreform zustande, wird das parlamentarische System in der Türkei durch ein Präsidialsystem ersetzt, in welchem Erdoğan weitreichende Vollmachten zukämen. Er würde das Amt des Staatspräsidenten und den Premierministers in sich vereinen, könnte weitgehend per Dekret regieren, hätte einen noch größeren Einfluss auf die Justiz, könnte das Parlament auflösen und gleichzeitig Parteivorsitzender sein. Die Gewaltenteilung wäre de facto abgeschafft. Die Umsetzung der Verfassungsreform soll – wenn das Volk der Änderung zustimmt – schrittweise erfolgen. Mit einer für November 2019 geplanten Wahl von Präsident und Parlament soll die Reform abgeschlossen werden.

Im Parlament war bereits am 21. Januar die für das Referendum notwendige 60-Prozent-Mehrheit erzielt worden. Erdoğans Regierungspartei AKP hatte dabei auf Stimmen aus der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP zählen können. MHP-Chef Devlet Bahçeli und zahlreiche MHP-Abgeordnete unterstützen die parteiintern hoch umstrittene Reform. Meinungsumfragen zufolge ist eine Mehrheit der MHP-Basis gegen das Präsidialsystem.

Auch die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische HDP sind strikt gegen die Verfassungsreform. „Wir leben zurzeit in einer Diktatur“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin der HDP, Filiz Kerestecioğlu, am Freitag. Das von Erdoğan angestrebte Präsidialsystem sei „der Versuch, diese Diktatur zu legitimieren“.

Riexinger: Türkei auf dem Weg eines modernen Sultanats

Kerestecioğlu war in Istanbul mit Linke-Chef Bernd Riexinger zusammengetroffen, der der HDP einen Solidaritätsbesuch abstattete. Riexinger verglich das Vorgehen Erdoğans mit Terrorismus. „Es gibt Terror und es gibt auch staatlichen Terror. Erdoğan führt Krieg gegen Teile der eigenen Bevölkerung. Und die Methoden, die dort angewendet werden, sind durchaus mit Terror zu vergleichen“, sagte er und fügte hinzu: „Es ist völlig klar, dass die Türkei auf dem Weg eines modernen Sultanats ist, einer Diktatur. Anders kann man es nicht sagen, wenn Oppositionelle in den Gefängnissen eingesperrt werden und Journalisten verhaftet werden.“

Kerestecioğlu sagte, inzwischen säßen in der Türkei 2500 HDP-Mitglieder in Untersuchungshaft. Darunter sind die Parteichefs Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sowie weitere Abgeordnete der zweitgrößten Oppositionspartei im Parlament. Erdoğan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der kurdischen Terrororganisation PKK zu sein. Die Partei weist das zurück.

Erdoğan hatte den Ausnahmezustand nach dem Putschversuch im Juli 2016 verhängt. Er wurde bislang zwei Mal verlängert. Nach dem Putschversuch hatte er mehrfach die Wiedereinführung der Todesstrafe ins Spiel gebracht. Die EU hat deutlich gemacht, dass der Beitrittsprozess der Türkei damit beendet wäre. (dpa/dtj)