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Gesellschaft

Erdoğan ruft bei Tuğçes Familie an und spricht sein Beileid aus

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Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat der Familie der getöteten Studentin Tuğçe Albayrak in einem Telefonat sein Beileid ausgesprochen. Hier die wichtigsten Fakten im Überblick. (Foto: dpa)

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Das Foto zeigt den Sarg von Tuğçe Albayrak, der von Teilnehmern ihrer Beerdigung getragen wird.
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Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat der Familie der getöteten Studentin Tuğçe Albayrak sein Beileid ausgesprochen. Erdoğan habe den Vater der Studentin angerufen und sein tiefes Bedauern ausgedrückt, berichtete die Nachrichtenagentur Doğan am Freitag unter Berufung auf Präsidentenkreise. Der türkische Staat stehe an der Seite der Familie, sagte Erdoğan nach Angaben von Dogan. Wann genau das Telefonat stattgefunden hat, blieb unklar.

Die 22-jährige deutsch-türkische Studentin war nach einer Prügelattacke vor einem Schnellrestaurant in Offenbach ins Koma gefallen, aus dem sie nicht mehr aufwachte. Am Mittwoch wurde sie beigesetzt. Rund 1500 Menschen erwiesen der jungen Frau die letzte Ehre.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge gegen den mutmaßlichen, 18 Jahre alten Täter. Der 18-Jährige sitzt in Untersuchungshaft und schweigt. Für einen Tötungsvorsatz gebe es keine Anhaltspunkte, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Offenbach. Nach seinen Worten könnten die Ermittlungen in den ersten Monaten 2015 zu Ende gebracht werden. „In Haftsachen, insbesondere mit Jugendlichen, sollte möglichst innerhalb von sechs Monaten angeklagt werden und die Hauptverhandlung beginnen“, sagte er. Mit dem Ergebnis aller Obduktionsergebnisse sei im Januar zu rechnen. Zur aktuellen Ermittlungsarbeit gehöre auch, die Qualität des Videos vom Tatgeschehen auf dem Parkplatz verbessern zu lassen.

Hier die wichtigsten Fakten zum Fall Tuğçe

Auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in Offenbach (Hessen) kommt es zu einer verhängnisvollen Auseinandersetzung. Dabei erleidet die Studentin Tuğçe Albayrak so schwere Verletzungen, dass sie später daran stirbt. Die wichtigsten Entwicklungen in dem Fall im Überblick:

15.11. Nach einem Schlag geht Tuğçe auf dem Parkplatz des Lokals zu Boden und schlägt mit dem Kopf auf. Der mutmaßliche Angreifer (18) kommt in U-Haft.

26.11. Tuğçe wird von Ärzten für hirntot erklärt.

28.11. Am 23. Geburtstag der jungen Lehramtsstudentin werden die lebenserhaltenden Apparate abgeschaltet. Vor der Klinik in Offenbach versammeln sich rund 1500 Menschen und nehmen Abschied. Tuğçe werden mehrere Organe entnommen, sie hatte einen Organspendeausweis.

29.11. In einer Online-Petition fordern Hunderttausende Menschen, dass der jungen Frau das Bundesverdienstkreuz verliehen wird. Bundespräsident Joachim Gauck will das prüfen.

1.12. Die Obduktion kann zunächst nicht klären, ob der Schlag oder der Sturz tödliche Folgen hatten. Die Staatsanwaltschaft bestätigt unterdessen, dass sich zwei wichtige Zeuginnen gemeldet haben. Ihnen soll Tuğçe in dem Restaurant geholfen haben.

3.12. Tuğçe Albayrak wird auf dem Friedhof in Bad Soden-Salmünster beigesetzt.

In den deutschen Medien wurde der Tod der Studentin mit großem Interesse und Anteilnahme verfolgt. Hier einige Pressestimmen zur ihrer Beerdigung.

„Schwäbische Zeitung“ (Ravensburg)

Die Gewalttat gegen die 23-jährige Tuğçe hat noch weit mehr Emotionen geweckt als der Tod von Dominik Brunner, der vor fünf Jahren ebenfalls Opfer seiner Zivilcourage geworden ist. Eine hübsche Studentin mit türkischen Wurzeln, bestens integriert, eine als rundum liebenswert gezeichnete Frau, musste einen sinnlosen Tod sterben. Für die Familie und die Freunde von Tuğçe könnte es einen winzigen Trost bedeuten, wenn das Opfer posthum das Bundesverdienstkreuz bekäme. Allein dies spricht schon für eine solche Auszeichnung. Auf die naheliegende Frage, ob und wie sich ein ähnlicher Fall künftig verhindern lassen könnte, gibt es aber leider nur eine einzige realistische Antwort: Er wird sich nicht verhindern lassen.

„Mitteldeutsche Zeitung“ (Halle)

Tuğçe hat gleich zwei Mal Verantwortung übernommen. Einmal, als sie Streit schlichten wollte. Und bereits zuvor, als sie entschied einen Organspendeausweis auszufüllen – ein Thema, dem viele lieber ausweichen. Genauso wie Konflikten. Aus Angst, oder weil es bequemer ist, in brenzligen Situationen wegzuschauen. Schnell vorbeigehen, irgendjemand wird schon etwas machen: Das, was Tuğçe getan hat, wäre für viele andere nicht selbstverständlich gewesen. Hinschauen und etwas unternehmen, Zivilcourage zeigen, das war auch vor gut fünf Jahren der viel geäußerte Appell: Damals hatte der Manager Dominik Brunner mehrere Schüler schützen wollen – was auch für ihn tödlich endete. Eine fatale Parallele zum Fall Tuğçe. Zurück bleibt neben der Trauer um diese mutige Frau die Frage an jeden Einzelnen von uns: Was hätte ich getan?

„Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg)

Natürlich ist jetzt die Stunde, die Zivilcourage zu preisen und die Tote womöglich posthum zu ehren. Aber alles andere, das darüber hinausgeht, gehört ins Reich der Spekulation, möglicherweise der Vorverurteilung. Die Zivilgesellschaft braucht Menschen wie Tuğçe, die in Not geratenen Menschen helfen. Sie braucht aber auch objektive Gerichte, die Straftaten gründlich – und gerade im Falle junger Angeklagter – auch schnell klären.

„Badische Neueste Nachrichten“ (Karlsruhe)

Über den Tag von Tuğçes Beisetzung hinaus bleibt ein dissonanter Nachklang. Aber es gibt auch eine erhellende Seite dieser tristen Tragödie in diesen tristen Spätherbsttagen. Dass eine junge Deutschtürkin sich mit ihrem Leben kraftvoll dafür eingesetzt hat, in diesem Land eine menschenwürdige Ordnung zu erhalten, das ist eine Botschaft, die viel Licht wirft in eine oft unterirdische Debatte um Migration und Integration. (dtj/dpa)